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Großvater trifft Urenkel

Wenn Boomer auf Millennials treffen, kommt meist ein Konflikt heraus. Im Hause Cooper ist es etwas entspannter, gleichwohl das Treffen der Generationen so manche Differenzen aufdeckt.

Roland Scharf

Man steht an der Kreuzung und sieht einfach nicht auf die Ampel. Die steil stehende Windschutzscheibe -ein liebgewonnenesÄrgernis aller Minis - hat sich über die Jahrzehnte erhalten und tatsächlich: Aufgrund dieses unüblichen Blicks auf die Welt da draußen hat man auch im 62. Jahr des Minis, zum 60. Geburtstag des Cooper, immer noch ein wenig vom Spirit der rasenden Hundehütte bewahrt, wenngleich man beim Blickauf dieses Duo sagen muss: Das ist auch schon so ziemlich das Einzige.

Lange Traditionen Sicher, beide haben einen quer eingebauten Vierzylinder und Frontantrieb, aber unser roter Cooper von 1993 und das aktuelle Topmodell, der John Cooper Works, zeigen anschaulich, wie sehr sich die Autowelt in einem Vierteljahrhundert verändert hat. Wobei: Eigentlich muss man von 50 Jahren sprechen.

Tatsächlich blieb der Ur-Mini bis auf zahlreiche Detailänderungen unverändert. Scheinwerfer, Sitzposition, Achsen, im Prinzip sogar der Motor. Überall wurde immer nur nachgebessert, modernisiert, das Konzept (und die aufwendige Fertigung) aber nie angerührt. Kein Vergleich natürlich zum aktuellenModell, der auf der bewährten Frontantriebsplattform von BMW basiert, sich zahlreiche Komponenten mit 1er und 2er teilt und beinahe vollautomatisch von den Bändern in Oxford fällt. Die aktuelle Generation erblickte 2014 das Licht der Welt und erhielt gerade erst ihr zweites Facelift. Doch in allseinen Details wirkt der Mini nach wie vor frisch und unverbraucht. Ganz zu schweigen von der Technik. 231 PS, gewonnen aus zwei Liter Hubraum, vier Zylindern und natürlich Turboaufladung machen in Kombination mit Alles fühlt sich noch ein wenig direkter an als bei einem vergleichbaren BMW. Dazu zählt auch, dass man verhältnismäßig wenig Platz hat, was automatisch einen dramatischeren Fahreindruck vermittelt, wobei:

Wenig Platz ist sehr relativ.
Gar nicht mehr so mini Im Vergleich zum Original ist der Jüngling 80 Zentimeter länger und 30 breiter. Man hat im 93er eher das Gefühl, den Wagen anzuziehen, als in ihn einzusteigen. Das gelingt aber auch den Größeren unter uns erstaunlich leicht und wenn man sich einmal daran gewöhnt hat, wie man die Knie und Füße richtig sortiert, auch das Fahren. 740 Kilogramm Gewicht (der Neue kommt auf mehr als 1,3 Tonnen) wirken dank der Direktlenkung eher wie 500 Kilogramm, man sticht durch Kreisverkehre wie mit einem heißen Messer durch Butter. 63 PS reichen, um Spaß zu haben, und so schnell wie sich der Alte bei 100 km/h anfühlt, wirkt der Neue nicht einmal bei 200. Das klingt jetzt natürlich cool. Auf der Autobahn kann so ein permanentes Abenteuer aber bald einmal etwas zäh werden. Punkto Verarbeitung brauchen wir uns nichts vormachen. Britische Autos aus der Austin-Rover-Ära machen nun einmal Geräusche und rosten. Und irgendwas sitzt nie so, wie es soll.

Die Verarbeitung beim Neuen ist indes - sagen wir -deutscher. Nichts klappert, nichts scheppert, die Spaltmaße sind so exakt wie Margaret Thatchers Führungsstil, man ist zumindest mit einem halbwegs brauchbaren Kofferraum bestückt und kann im Notfall auch mit Winterschuhen einsteigen.

Alles anders also? Fast. Denn in zwei Punktenähneln sich die zwei doch sehr: beim Preis. Günstig war ein Mini nie. Schon 1993 gab es ums gleiche Geld viel mehr bei der Konkurrenz. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Genauso wie an der Faszination, die ein Auto ausübt, in dem man vom Fahrersitz nicht auf die Ampel sehen kann.

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