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"Jetzt wird gebastelt...!"

Teil 2 des motorline.cc-Talks mit Helmut Zwickl. Über die komplizierte Formel 1-Politik, die Zukunft der Königsklasse und jene von Wurz & Friesacher.

Michael Noir Trawniczek
Fotos: Christoph Aschauer für motorline.cc

Im zweiten Teil unseres "F1-Backstage"-Sommergesprächs mit Helmut Zwickl (Motorsport Aktuell, Kurier,...) geht es um die - man verzeihe das Wortspiel - ver-zwick-te Formel 1-Politik. Um die Zukunft der Formel 1. Aber auch um jene von Patrick Friesacher und Alex Wurz. Teil 1 des motorline.cc-Gesprächs mit Helmut Zwickl finden Sie in der Navigation rechts unter "H. Zwickl Sommer 2005, Teil 1".

Wir waren beim Thema "Positive Nachrichten" - du sagtest, es würde in der Formel 1 eben auch viel Gutes geben. Die hoch stehende Technologie beispielsweise. Leider kommen wir aber gleich wieder zu einem weniger positiv belegten Thema, dem "Petit Prix der USA" - wie hast du Indianapolis erlebt?

Helmut Zwickl: Ich habe es überhaupt nicht erlebt - weil wegen sechs Autos fahre ich nicht nach Amerika. (Gelächter) Erzähl ich jedem - ist ein guter Schmäh. Und, naja: Michelin hat einen Fehler gemacht. Man hätte den Grand Prix retten können, wenn man eine Schikane gebaut hätte. Das hat der Präsident der FIA verboten. Bridgestone und Ferrari waren natürlich auch dagegen.

Früher wäre eine solche Schikane doch auch möglich gewesen?

Helmut Zwickl: Ja sicher. Aber die Zeiten haben sich geändert. In der Formel 1 herrscht ein permanenter Krieg, über den wir genug berichtet haben - den brauchen wir nicht aufwärmen. Jetzt, wo man gesehen hat, dass eigentlich nur mehr verbrannte Erde übrig war, rudert jeder ein bisschen zurück, das Wort Kompromiss fällt. Aber es ist ja jetzt so, dass Red Bull auch das neue Concorde-Abkommen unterschrieben hat, damit steht es mit Ferrari in einer Linie - und das wird neue Gräben eröffnen. Oder auch nicht.

Irgendwie habe ich das Gefühl, dass durch diese Indy-Farce vielleicht auch etwas Positives bewirkt wurde. Mosley hat das Internet entdeckt, er befragt die Fans. Das geplante Reglement für 2008 - da sind ja erfreuliche Teile dabei. Was die Betonung des Fahrkönnens, zum Beispiel die Schaltung, anbelangt. Negativ ist die Vereinheitlichung durch Standardelemente. Glaubst du, dass es eine Chance gibt, dass wir ab 2008 wieder geile Boliden sehen, mit fetten Slicks, wo die Fahrer wieder richtig schalten und auch kuppeln müssen, und ohne Traktionskontrolle? Glaubst du an eine Art Wende?

Helmut Zwickl: Ja, ich glaube schon daran. Sparen will jeder. Aber: Die Werke wollen sich technisch darstellen. Jetzt geht es einmal darum, die Show zu verbessern. Es geht um die Frage: Wie weit rüste ich ab? Wir haben schon einmal darüber gesprochen - Formel 1-Rennautos sind sehr fragile, oder sagen wir komplexe Gebilde. Du kannst jetzt nicht einfach alle Flügel wegnehmen. Was immer du machst, es passiert etwas Unangenehmes. Wir brauchen nur seinerzeit schauen - dieser flache Unterboden, bei den Sportwagen. Der Michele Alboreto, der Arme, ist aufgestiegen, ist tödlich verunglückt, hat Unterluft bekommen. Also man muss da aufpassen. Du kriegst den Teufel nicht mehr in die Flasche zurück. Weil die Entwicklung ständig fortschreitet. Jetzt müssen sie sich halt zusammenstreiten.

Und es ist halt so, dass Ferrari eine Sonderstellung einnimmt und diese Sonderstellung politisch gnadenlos ausnutzt. Und dass die Werke irgendwie natürlich schon gemeinsame Ziele haben, aber die müssen sie zuerst durchsetzen. Der Mosley ist ein starker Präsident, der seine Ideen durchsetzen will. Das ist dieses permanente Kräftemessen - wenn da nicht jeder nachgibt, dann gibt es eine Verhärtung. Das ist ein Hamsterrad - du kommst nicht raus und das hilft dem Sport nicht. Die Umfrage hat ja deutlich ergeben, welche Fehler gemacht werden. Aber das ist wie in der Politik. Jeder Politiker hat Umfragen und weiß genau, was das Volk will.

Nur haben wir in der Formel 1 ja zum ersten Mal Umfragen, eigentlich. Das wundert mich schon, dass man erst jetzt draufkommt, dass man die Leute fragen könnte. Das hätte man ja schon viel früher machen können, vor dem ganzen Regeländerungswahnsinn.

Helmut Zwickl: So ist es. Nur: Es nützt ja nichts. Was die Leute wollen - das wusste man ja auch ohne Umfrage. Nur hat man es nicht zur Kenntnis genommen. Jetzt stellt man sich hin und sagt: "Ja, wir werden alles machen, um diese Umfrage in die Praxis umzusetzen." Da sage ich: Das wird dauern.

Und das Zwei Serien-Gespenst ab 2008?

Helmut Zwickl: Zwei Serien sind undenkbar. Zwei Serien wären das Ende der Formel 1. Es wird sicher nur eine geben. Und wie die wird - daran wird gebastelt. Das ist wie die Geburt eines Kindes - das Kind wird gezeugt und man weiß nicht, welchen Charakter es einmal haben wird.

Dieses Basteln. Da wollen ja die Hersteller ihre Vorstellungen reinquetschen. Ich vergleiche das recht gerne mit dem Schisport. Das ist doch im Grunde so, als ob Schifahrer auf dem Slalomhang herumstehen und um die Steckung des Kurses streiten würden. Die stehen dann herum und es wird einfach nicht gefahren, weil jeder einen anderen Kurs möchte. Ist das nicht seltsam, dass die Teilnehmer an einer Weltmeisterschaft ihr Reglement aushandeln? Da ist es ja klar, dass man sich nie einig wird. Ist nicht das Kernproblem jenes, dass so etwas nur funktionieren kann, wenn das ein unabhängiges Komitee machen würde?

Helmut Zwickl: Es waren halt noch nie so viele und so starke Werke in der Formel 1, die so viel investieren. Und die sagen: "Wenn wir schon so viel investieren, dann lassen wir uns nichts diktieren. Dieses und jenes sind die falschen Auflagen, deshalb sind wir nicht in der Formel 1." Früher war es einfach, in den Fünfziger-, Sechziger-Jahren. Da war Ferrari, Maserati, dann sind die Engländer gekommen - und dann haben die Engländer bereits Krieg geführt gegen die Werke, die sie nicht mochten - Ferrari, Alfa Romeo, Renault. Es hat ja diesen Krieg eigentlich auch schon damals gegeben.

Andere Frage: Wie stehen die Chancen für eine Rückkehr von Patrick Friesacher?

Helmut Zwickl: Die Chance ist gering. Weil man beim ersten Mal schon kaum jemanden gefunden hat, der für ihn eine Fahrkarte gelöst hat. Man hat halt dann irgendwelche Türen aufgestoßen - von anonymen Zahlern. Und die haben einmal eingezahlt und haben dann aufgehört, einzuzahlen. Warum sollen die jetzt wieder einzahlen?

Und der Alex Wurz?

Helmut Zwickl: Naja, der wäre zumindest einmal frei vom McLaren-Vertrag. Es stellt sich die Frage, was sich noch tun wird.

Er ist ein guter Entwickler - und dass er es im Rennen noch drauf hat, konnte er heuer auch zeigen.

Helmut Zwickl: Jaja, er ist schnell und ein guter Entwickler. Aber das weiß man seit Jahren. Und er hat keinen Platz gefunden.

Gut, jetzt wird er frei.

Helmut Zwickl: Jetzt wird er frei. Warum soll der Jenson Button zu Williams gehen, wenn die keine Motoren mehr haben? Also wird Button bei BAR-Honda bleiben. Damit ist dieses Team besetzt. Was mit Jordan passiert, weiß man nicht. Vielleicht holt es der David Richards. Man weiß auch noch nicht, welche Motoren die kriegen. Sie sprechen mit Toyota. Da muss man also noch abwarten.

Gut, dann kommen wir zur Schlussfrage: Du hast eine lebenslange Formel 1-Akkreditierung erhalten, als einer von sechs Journalisten weltweit. Was bedeutet dir diese Auszeichnung?

Helmut Zwickl: Das ist das erste Mal für mich, dass man aus der Formel 1 irgendetwas zurückbekommt. (Gelächter) Nach dreieinhalb Jahrzehnten Formel 1 und weit über 530 Grand Prix. Es freut mich, dass meine Arbeit goutiert wird. Ja - es hat mich wirklich gefreut. Jetzt brauche ich nur noch so viele GP zu machen, wie ich will - und kann mich meiner Ennstal-Classic widmen.

Dann sage ich: Danke für das Gespräch.

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