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"Zuerst wird hochgelobt, dann wird hingetreten!"

F1-Experte Helmut Zwickl (Motorsport Aktuell,...) im Gespräch mit motorline.cc. Teil 1: "Patrick Friesacher hätte bei Minardi dominieren müssen!"

Michael Noir Trawniczek
Fotos: Christoph Aschauer für motorline.cc

Helmut Zwickl ist ein gern gesehener Gast in unserer motorline.cc-Serie "F1-Backstage - Österreichs Formel 1-Reporter". Zwickl ist seit vielen Jahrzehnten als Motorsport-Journalist tätig, war mit dem ersten F1-Weltmeister dieses Landes, Jochen Rindt, gut befreundet. Seine bissigen Kommentare im Kurier oder der Kult-Zeitschrift Motorsport Aktuell bringen den Ist-Zustand der Königsklasse auf den Punkt. In seinem Herzen ist Zwickl ein waschechter Racer - als solcher hat er mit Partner Mag. Wolfgang Stelzmüller bei der heurigen Carrera Panamericana, ein Straßenrennen quer durch Mexiko, in einem Buckel-Volvo den Klassensieg geholt.

Im ersten Teil unseres diesjährigen, im Rahmen der von ihm mit Michael Glöckner alljährlich organisierten Ennstal-Classic geführten Gesprächs geht es um den Minardi-Abwurf von Patrick Friesacher und den Umgang der österreichischen Medien mit heimischen Formel 1-Piloten...


Am Telefon haben wir über Patrick Friesacher gesprochen. Da hast du mit der Aussage aufhorchen lassen, dass dieser Abwurf wegen fehlender Sponsorengelder so nicht passiert wäre, wenn der Patrick den Minardi-Stallkollegen Christijan Albers regelmäßig und eindeutig in den Schatten gestellt hätte.

Helmut Zwickl: Die Geschichte, die da passiert ist - solche Dinge passieren schon seit drei Jahrzehnten in der Formel 1. Wir brauchen uns nur zurückerinnern: Der Niki Lauda hat sich am Beginn seiner F1-Karriere einen BRM-Vertrag ertrickst, indem er einen Sponsormann mitgebracht hat und er hat im Grunde den Sitz gekauft - um ein Geld, dass er gar nicht wirklich hatte.

Diese Dinge passieren seit Jahrzehnten in der Formel 1. Und im Falle Patrick Friesacher war es eben so, dass das Land Kärnten am Auto war - gezahlt haben irgendwelche geheimen Leute, die der Jörg Haider aufgetrieben hat. Das Geld wurde also bezahlt, meistens sind das Ratenzahlungen. Und dann hören die Ratenzahlungen auf, ein Manager war dazwischengeschaltet, andere Sponsoren haben auch eingezahlt. Und was da in Wirklichkeit passiert ist, weiß wahrscheinlich niemand. Die, die gezahlt haben, wollten nicht genannt werden.

Da gab es dann ja eine moralische Streitfrage. Die einen sagten, es sei egal, woher das Geld kommt - Hauptsache, der Patrick kann fahren. Andere wiederum sagten, dass es überhaupt nicht egal sei, woher das Geld kommt. Gerald Enzinger von der Sportwoche beispielsweise sagte, dass alleine die Tatsache für den Patrick schädlich sei, wenn nur der Name Gaddafi im Zusammenhang mit Friesacher genannt wird, auch wenn es sich ja nur um Gerüchte handelte. Dass also diese Affäre ein schlechtes Licht auf Patrick und sein Umfeld werfen könnte...

Helmut Zwickl: Ja aber was heißt schlechtes Licht? Die ganze Formel 1 steht in einem schlechten Licht. (Gelächter) Ich sehe das überhaupt nicht so. Wenn der Patrick jetzt den Albers gebügelt hätte, dann hätten alle gesagt: "Na gut, der Friesacher ist ein guter Mann, ein großes Talent, der Christijan Albers ist nicht so gut..." Und du kannst einfach leichter agieren, wenn du sagen kannst, du hast deinen Teamkollegen gebügelt.

Am Anfang war es ja auch so, dass der Patrick den Albers gebügelt hat.

Helmut Zwickl: Naja, man muss sich die Statistik genau anschauen.

Indianapolis war halt nicht so gut für den Patrick, weil er da voll in der Auslage gestanden ist und ausgerechnet in diesem Rennen technische Probleme hatte.

Helmut Zwickl: Ja, aber im Endeffekt hatte der Patrick keine Dominanz über den Christijan Albers. Und der Paul Stoddart [der Minardi-Boss, d. Red.] ist auch ein Haifisch. In dem Haifischbecken. Der kämpft ums Überleben, der braucht Kohle. Und wenn eine Rate nicht kommt und der, für den diese Rate gedacht ist, fährt nicht unbedingt vor den Jordans... - wenn der die Jordans überflügelt hätte, dann hätte man gesagt: "Naja, der Patrick ist gut, der ist ein Hammer, der steht vor den Jordans mit dem schlechteren Auto." Dann kann der Stoddart sagen: "Okay, dann warte ich." Aber offenbar ist das nicht passiert. Klar, der Patrick ist auf jeden Fall der Leidtragende. Er hatte dann auch Aussprachen mit dem Thommi Frank. [der Manager von Friesacher, d. Red.]

Da hat ja dann der Dr. Haider gesagt, dass er gegen Thomas Frank als Manager ist...

Helmut Zwickl: Das ist müßig, hier die wahren Hintergründe zu suchen. Was passiert ist, ist passiert und das hätte der Patrick abwenden können, wenn er dominiert hätte. Wie einst ein Mark Webber bei Minardi, oder wie ein Fernando Alonso - dann wäre alles leichter gewesen. Punkt.

Eine Frage, die sich aus der ganzen Affäre heraus ergibt, betrifft den Umgang der österreichischen Medien mit den Fahrern aus dem eigenen Land. Ich sage jetzt mal: Man will den Leuten ja nicht schaden. Zugleich gebietet der Journalismus eine faire und nicht geschönte Berichterstattung. Und dann gibt es diese Verwöhntheit in den Massenmedien, dass man jeden Neuen gleich an den Bestleistungen eines Lauda oder Rindt misst und dabei vergisst, dass auch ein Lauda nicht gleich Siege gefeiert hat. Da gibt es solche und solche Medien. Ich kann mich noch erinnern, wie du bei der Pressekonferenz im Winter vor dem Jahr 2004, als Christian Klien als Jaguar-Pilot bekannt gegeben wurde, gekommen bist und gesagt hast: "Wir dürfen jetzt keine zu hohen Erwartungshaltungen propagieren, keinen Druck aufbauen." Anderswo wird das sehr wohl getan. Was sagst du? Muss man die österreichischen Piloten schonen?

Helmut Zwickl: Unsere Formel 1-Piloten werden eh geschont. Das ist ja die - ich würde fast sagen Tragik des österreichischen Sportjournalismus - dass Leute, bevor sie noch etwas leisten, in den Himmel gehoben werden. Dann leisten sie ein bissl was und man überschlägt sich. Wenn du Formel 1-Pilot bist, dann bist du in den Schlagzeilen. Egal ob du als Letzter fährst oder an zehnter Stelle ins Ziel kommst. Du bist immer in den Schlagzeilen. Und wenn du rausfliegst aus einem Team, bist du wieder in den Schlagzeilen. Als wäre das die wichtigste Meldung: "Patrick Friesacher verliert den Minardi-Drive am Hockenheimring!" Also das ist so wichtig gespielt worden wie eine Tsunami-Katastrophe irgendwo in Sri Lanka. Das ist bei den Fußballern so, das ist in Österreich so. Es werden Leute hinaufgelobt, dann werden sie über Gebühren gefeiert. Und wenn sie dann aus irgendeinem Grund out sind - dann natürlich ist es klasse, wenn man über sie herfällt und noch drauf tritt.

Woran liegt das?

Helmut Zwickl: Ich weiß es nicht. Das war immer so. Seit ich in der Journalistik bin. Und das ist ja schon eine Zeit her. Es war schon immer so. Und es ist leider so, dass viel mehr Negativ-Schlagzeilen kommen. Man sucht immer das Negative. Ich möchte einmal eine ZIB 1 oder ZIB 2 erleben, wo es nur gute Nachrichten gibt. Und es passiert auf der Welt Gott sei Dank mehr Gutes! Aber das hörst du nicht, was alles Gutes passiert an einem einzigen Tag. Das ist auch in der Formel 1 nicht anders. Auch dort passiert viel Gutes, Spannendes, Aufregendes, technisch Hochstehendes.

Den zweiten Teil des Gesprächs mit Helmut Zwickl finden Sie am Mittwoch auf motorline.cc - über den "Petit Prix der USA" und die Grabenkämpfe im Haifischbecken Formel 1...

Morgen Montag finden Sie den vierten und letzten Teil des Gesprächs mit Gerald Enzinger (Sportwoche) - über die Entrückung von Siebenfachweltmeister Michael Schumacher...

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