
Formel 1: Pro & Kontra | 31.12.2007
Her mit dem Einheitsauto!
Die Abrüstung: Alle reden davon, aber keiner fängt damit an. Nein, wir sprechen nicht von der Politik. Oder doch – nämlich über die Formel 1.
Johannes Gauglica
Sing’s nochmal, Ross! Es muss immer einen Nörgler geben. Hier in der Motorline-Redaktion spielt der Verfasser dieser Zeilen eine solche Rolle, wenn es um die Formel 1 geht. Und das nicht erst seit dem jüngsten Stegreiftheater rund um vermeintlich staatstragende Spion-Affären. Jetzt bringt einer der klügsten Köpfe des eh schon furchtbar klugen F1-Zirkels wieder einmal ein beliebtes Schlagwort ins Spiel, nämlich „Kostensenkung“.
Na sicherlich. Davon hat man in der Formel 1 schon vor einem Vierteljahrhundert geträumt, als die ganze Sache erstmals so richtig teuer zu werden begann. Rückblickend kann man sagen: Es ist schiefgegangen.
Turbo war damals nicht nur der Kapitalismus, sondern auch die Motoren. Und damit alles wieder billig und schön und so wie früher wird, wurden die Turbos irgendwann verboten. Und dann wurden eben nicht mehr die aufgeladenen Hochdruck-Sternschnuppen, sondern die hoch-, höher-, höchstdrehenden Saugmotoren zum Dollar-Grab.
Gewerbsmäßige Betroffenheit
Damals prophezeiten sehr gescheite Leute dem Grand-Prix-Zirkus Siechtum und Tod, wenn nicht bald mit dem Sparen begonnen werde. Seit damals sind die Budgets Urknall-artig explodiert, und einige der damaligen Mahner haben daran kräftig mitverdient. Was immer man in der Formel 1 bislang zur Kostensenkung unternommen hat, ist gescheitert. Weil es, wie der Beobachter mutmaßt, bisher niemandem wirklich ernst damit war.
Die Teams sind heute mittelständische Unternehmen mit einer ins Unsägliche aufgeblähten Personalstruktur. Klar, dass sich die Teambosse gegen eine fundamentale Änderung des status quo auf die eine oder andere Art wehren. Wenn direkter Widerstand nichts fruchtet, dann eben hinten herum, über das Concorde Agreement, die papiergewordene Inzucht.
Wie lange noch?
Jetzt geht es also wieder los, und wir kennen schon den Text: Einem unerträglichen Tamtam über Wochen hinweg folgt dann als Lohn der Angst eine Änderung der Luftmengenbegrenzergröße um 0,8 Millimeter. Oder irgendeine andere Vortäuschung von Aktivität. Dann programmiert die „Abteilung Motormanagement, Untergruppe Luftmenge“ zwölf Minuten herum, und der Effekt ist wettgemacht.
Dass die Kostenfalle auch in vermeintlichen Low-Tech-Meisterschaften zuschlägt, beweist das Beispiel NASCAR. Dort sind die Regularien meistenteils strikt und lassen keinerlei Spielraum. Aber wo viele Regeln, dort noch mehr Ausnahmen. Nach jedem Schlupfloch wird geforscht, und sei es noch so klein. So leisten die großen Teams sich eben Metallurgen für die genau richtige Legierung und bauen eigene Autos für jede zweite Rennstrecke. Wenn man am Auto nichts verstellen kann, muss es eben von Haus aus genau passen.
Und jetzt das Horror-Szenario
Mit dem „Car of Tomorrow“ wird das zumindest etwas aufgelockert. Das ist auch nur ein Kompromiss, aber er geht in eine interessante Richtung. Wenn NASCAR sich im Sprint Cup (wie er ab 2008 heißen wird) ein de-facto-Einheitsauto gönnen kann, warum nicht auch die Formel 1?
Das Argument „Aber die Formel 1 ist die absolute Weltspitze der Technologie!“ stimmt schon lange nicht mehr. Viel zuviel Hirnschmalz und Geld wird auf technische Nebenschauplätze investiert, dabei kommen Lösungen heraus, die sich im wirklichen Leben in keiner Weise mehr sinnvoll anwenden lassen. Das hat mit technologischer Exzellenz nichts mehr zu tun, sondern ist nur mehr – sagen wir es jugendfrei – Selbstverliebtheit.
Die zusammengezählten Windkanal-Stunden der F1-Teams einer Saison reichen wahrscheinlich für den nächsten Airbus. Heraus kommt ein weiteres unattraktives Sprießerl oder Flügerl, das von der FIA in einem Riesenstreit verboten wird. Die bahnbrechende Entwicklung passiert dort nicht mehr.
No business but show business
NASCAR zeigt: Was die Werke wollen, ist die PR-Bühne. Unsereins kann sich dazudenken: Was die Werke wohl nicht zwangsweise wollen, sind die horrenden Kosten, wenn sie sie vermeiden können. Das Publikum wird im Zweifelsfall auf exzellente Technik pfeifen, wenn (unanständiger Gedanke!) wieder einmal überholt wird. Also her mit dem Einheitsauto!
Meisterschaften wie ChampCar machen es vor. Andere Serien (IndyCar, Formel 3) sind de facto schon Markenpokale. Sogar die FIA hat (mit der ihr mitunter eigenen Hoppertatschigkeit) die GP2-Meisterschaft auf Einheitsfahrzeuge umgestellt. Die Rennen haben nicht darunter gelitten – eher noch unter der unausgegorenen Ersatzteilversorgung und Qualitätskontrolle.
Hi tech, low twch, no tech
An technischer Vielfalt hat die Formel 1 heute bereits nichts mehr aufzuwarten, alle Autos haben denselben Hubraum und sehen, nebenbei gesagt, für den Zuschauer auch gleich aus. Also können sie genauso gut gleich aus einer Hand kommen.
Damit wäre dann schon einmal die härteste Kostenfalle geknackt, die Stagnation auf hohem Niveau beendet. Aber dann wären auch Leute wie Ross Brawn arbeitslos. Deshalb wird es ihm mit dem Spargedanken schlussendlich doch nicht so ernst sein,
denkt sich Ihr
Johannes Gauglica
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