Formel 1 | 02.12.2003
Klien auf den Spuren von Rindt, Lauda & Co
Christian Klien ist Österreichs vierzehnter Formel-1-Pilot, bei den dreizehn Vorgängern lag Triumph und Tragödie oftmals dicht beisammen.
Österreich gehörte eigentlich seit jeher zu den traditionellen Formel 1 Nationen. Doch der letzte Österreicher der sich in der F1 als Stammfahrer zeigte, war der heutige McLaren-Tester Alexander Wurz im Jahre 2000, weswegen Österreich seit geschlagenen 50 Grand Prix keine Lokalmatadoren an den Rennsonntagen anfeuern durfte. Der letzte österreichische Sieg in der Königsklasse des Motorsports liegt hierbei mittlerweile sogar schon sechs Jahre zurück, als Gerhard Berger 1997 mit Benetton in Hockenheim triumphierte.
Nach einem sensationellen Sieg beim Marlboro Masters in Zandvoort, einer überzeugenden Debütsaison in der Formel 3 Euroseries sowie einem beeindruckenden Formel Nissan Test für das Racing Engineering Team, sollte Christian Klien plötzlich auf der Kandidatenliste für das zweite Jaguar-Cockpit neben dem Australier Mark Webber auftauchen und einen F1-Test für die Raubkatzen bestreiten dürfen.
Und wie nicht nur die österreichischen Medien, die in den vergangenen Jahren mit F1-Großtaten bekanntlich nicht gerade überversorgt wurden und höchstens mit BMW-Motorsportdirektor Gerhard Berger mitjubeln durften, nach den beiden Testtagen des erst 20-Jährigen Klien jubilierend zu Protokoll gaben, war mit dem Vorarlberger Christian Klien endlich wieder ein Riesentalent aus der Alpenrepublik auf dem Sprung in die Königsklasse des Automobilrennsports – und dies passender Weise auch noch bei den springenden Raubkatzen aus Milton Keynes.
Doch obwohl Klien, der sich nach der offiziellen Bekanntgabe seiner Verpflichtung als zweiter Jaguar-Stammpilot für die Saison 2004 wie „der glücklichste Mann auf diesem Planeten“ fühlte, im nächsten März beim Saisonauftaktrennen im australischen Melbourne der erste österreichische F1-Pilot seit Alexander Wurz im Jahr 2000 werden wird, werden die 13 F1-Österreicher vor ihm keinesfalls in Vergessenheit geraten.
Die 14 Österreicher in der Formel 1: Von Rindt bis Klien
Jochen Rindt: Vorreiter und Weltmeister, posthum...Vor mehr als dreißig Jahren entfachte Jochen Rindt die Formel 1-Mania in Österreich. 1965 war er der erste Österreicher, der an einem Formel 1-Grand Prix teilnahm, auf Cooper-Climax. Tragischer Höhepunkt war das Jahr 1970. Rindt verunglückte in dem gebrechlichen aber schnellen Lotus-Ford beim Training für den GP von Italien in Monza – und wurde posthum Formel 1-Weltmeister...
Helmut Marko: Jähes Karriereende
Die Rindt-Nachfolge war alles andere als einfach. 1971 schaffte es Helmut Marko in die Königsklasse. Auf einem BRM konnte er 1971 und 1972 neun Rennen bestreiten. Doch auch Marko wurde vom Schicksal nicht verschont – ein Stein schlug durch das Visier ein, der heutige Red Bull-Betreuer und Drahtzieher des Klien-Transfers erblindete auf einem Auge und musste seine Karriere beenden, noch ehe sie so richtig begonnen hatte.
Niki Lauda: Messlatte & weltberühmter Rotkappenträger
Auch als ein junger Mann namens Niki Lauda 1972 mit einem March-Ford in der Königsklasse debütierte, sah es so aus, als wären die Fußstapfen des Jochen Rindt einfach eine Nummer zu groß. Doch als Lauda 1974 zu Ferrari wechselte, begann eine neue Ära. Lauda wurde 1975 Weltmeister.
1976 musste das begeisterte F1-Österreich abermals einen schweren Schlag hinnehmen – Lauda’s schrecklicher Feuerunfall auf dem Nürburgring war ein Schock. Doch ein Jahr später holte Lauda abermals den Titel für die Scuderia. Nach einem Wechsel zu Brabham-Alfa sorgte Niki „Nationale“ für Erregung, als er seinen Rücktritt mit den Worten, er wolle „nicht mehr im Kreis fahren“ erklärte.
Zwei Jahre später kehrte Lauda auf McLaren zurück und wurde noch einmal Weltmeister. Niki Lauda war, abgesehen von seiner Pause, von 1972 bis 1985 in der Formel 1 vertreten. Mit seinen drei WM-Titeln ist er der erfolgreichste Formel 1-Pilot aus Österreich...
Dieter Quester: Der rasende Jungbrunnen
Für junge Piloten war es schwierig, im Schatten von Niki Lauda gedeihen zu können. Ein großes Talent war auch Dieter Quester, doch der Wiener konnte nur ein einziges Rennen in der Königsklasse bestreiten, 1974 auf einem Surtees-Ford.
Quester konnte sich aber als Sportwagenpilot etablieren und ist heute noch im Einsatz...
Helmut Koinigg: Tod nach nur zwei Rennen
1974 musste das kleine Alpen-Land eine weitere Tragödie hinnehmen. Helmut Koinigg schaffte es in die Königsklasse, verunglückte aber nach nur zwei Rennen in Watkins Glen tödlich...
Otto Stuppacher: Nicht qualifiziert
Otto Stuppacher war zur Hochblüte des Niki Lauda in der Königsklasse unterwegs. Er hat 1976 bei drei Rennen versucht, sich zu qualifizieren, was jedoch nicht gelang...
Harald Ertl: 19 Rennen, keine Punkte
Von 1976 bis 1978 war auch Harald Ertl ein Formel 1-Pilot. Ertl hat an 19 Rennen teilgenommen, jedoch keine WM-Punkte erkämpfen können. 1982 verstarb Ertl bei einem Flugzeugabsturz.
Hans Binder: Rücktritt nach zwei Jahren
1977 debütierte Harald Binder auf einem Surtees in der Königsklasse, wechselte dann zu Ensign-Ford, fuhr 1978 auf ATS. 13 Rennen, keine WM-Punkte, Rücktritt.
Jo Gartner: Unvergessener Charismatiker
Jo Gartner war ein sympathischer, charismatischer und technisch versierter Rennfahrer. Mit dem eigenen Formel 2-Team war Gartner erfolgreich, 1984 lockte die Formel 1, Gartner verkaufte sein F2-Team, kaufte sich beim F1-Hinterbänkler Osella ein. Unvergessen der GP von Italien in Monza, als Niki Lauda siegte, Jo Gartner Fünfter und Gerhard Berger Sechster wurden.
Nach seinem ersten F1-Jahr ging Gartner das Geld aus und er wechselte zu den Sportwagen. Und wieder schlug das Schicksal mit aller Gewalt zu – Gartner verstarb 1986 nach einem schrecklichen Unfall bei den 24 Stunden von Le Mans...
Gerhard Berger: Sonniges Gemüt
1984 debütierte auch der Tiroler Gerhard Berger in der Königsklasse. 14 Jahre war Berger als Pilot in der Formel 1 vertreten, er fuhr für verschiedene Rennställe, darunter Siegerteams wie McLaren, Ferrari und Benetton.
Weltmeister wurde er zwar nie, was ihm im erfolgsverwöhnten Österreich den Titel eines „Hätt’ i, war’ i“ einbrachte. Doch Berger war alles andere als langsam, holte immerhin zehn Siege, 379 WM-Zähler und wurde dreimal WM-Dritter. Wegen seiner offenen und ehrlichen Art war Berger stets ein großer Sympathieträger in der Alpenrepublik...
Karl Wendlinger: Comeback war zu früh
Aus Tirol stammt auch Karl Wendlinger, der 1991 bei March/Leyton House sein F1-Debüt gab. 1993 wechselte Wendlinger ins Schweizer Sauber-Team, galt als schneller Nachwuchspilot. Doch im Horrorjahr 1994 ereilte ihn in Monaco ein katastrophaler Unfall.
Wieder bangte ganz Österreich um das Leben des sympathischen Landsmanns, der nach dem Unfall im Koma lag. Doch diesmal war das Schicksal gnädig, Wendlinger konnte genesen und 1995 sogar wieder in den Sauber steigen. Doch die Zeit war noch zu früh für dieses Comeback, Wendlinger konnte an seine vorherige Form nicht anschließen und musste das Cockpit wieder räumen. Wendlinger wurde danach FIA-GT-Weltmeister und war 2003 in der DTM am Start.
Roland Ratzenberger: Tod beim Horror-GP
Im Jahr 1994 erfüllte sich auch für Roland Ratzenberger der Traum von der Königsklasse. Doch im Training für den Schreckens-Grand Prix in Imola starb Ratzenberger nach einem schweren Unfall mit seinem Simtek-Ford. Es war jenes Wochenende, an dem auch Formel 1-Legende Ayrton Senna diese Welt verließ...
Alexander Wurz: Vom Kometen zum Edeltester
Im Jahr 1997 schlug dann ein Österreicher ein wie eine Bombe. Der bis dato unbekannte Alexander Wurz sprang bei Benetton für Landsmann Gerhard Berger ein und belegte bereits in seinem dritten Formel 1-Rennen den dritten Platz. 1998 übernahm Wurz direkt vom zurück getretenen Berger das Benetton-Cockpit und beeindruckte mit seinem harten und kompromisslosen Fahrstil.
Als Wurz in jenem Jahr in den Häuserschluchten von Monte Carlo sich ein Rad an Rad-Gefecht mit Weltmeister Michael Schumacher lieferte, sagten viele dem Niederösterreicher eine große Formel 1-Karriere voraus. Doch dann geriet Wurz in die Mühlen der Benetton-Teampolitik und sah plötzlich gegen seinen damaligen Stallkollegen Giancarlo Fisichella ziemlich alt aus.
2001 nahm Wurz bei McLaren-Mercedes die Rolle des Edeltestfahrers ein. War dies anfangs nur als Übergang zu einer Fortsetzung seiner GP-Karriere gedacht, scheiterte Wurz dann bei zahllosen Versuchen, wieder in die Startaufstellung zurück zu kehren. Wurz bleibt auch 2004 Testpilot bei McLaren.
Christian Klien: Der Neue
Am Dienstag Vormittag wurde es offiziell – Christian Klien ist der 14. Österreicher in der Königsklasse. Klien hat letzte Woche den Jaguar-Formel 1-Boliden getestet und dabei das Team von seinen Qualitäten überzeugen können.
Während Alex Wurz schon in der Mitte der Saison zu den Raubkatzen wechseln wollte und letztlich an der McLaren-Politik bzw. deren Ablöseforderungen gescheitert ist, hat ihn Klien mit Unterstützung von Red Bull ausgestochen.
Nach 50 Rennen ohne Österreicher darf man in der Alpenrepublik schon im März des kommenden Jahres wieder für einen Landsmann die Daumen drücken – für Jaguar-Pilot Christian Klien.