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Konsequent in die falsche Richtung

Max Mosley und die FIA möchten die Formel 1 verbessern. Doch sie gehen vehement den falschen Weg. Mit den neuen Vorschlägen erst recht...

Michael Noir Trawniczek

Lange Zeit war Funkstille, doch jetzt hat FIA-Präsident Max Mosley seine Vorstellungen für die Zukunft der Formel 1 auf den Tisch gelegt. Die Formel 1 ächzt wieder einmal unter der Dominanz der Scuderia Ferrari. Und Herr Mosley möchte wieder einmal die „Show verbessern“. Keine schlechte Idee – doch die FIA scheint eine feine Nase dafür zu haben, den falschen Weg einzuschlagen...

Das Dilemma hat schon viel früher begonnen, als man 1998 die Kurvengeschwindigkeiten mit den leidigen Rillenreifen in den Griff bekommen wollte, während die Aerodynamik nur halbherzig beschnitten wurde. Die Autos sind immer noch vom aerodynamischen Anpressdruck abhängig, das Fahren im Windschatten des Vordermanns bringt ein instabiles Fahrzeugverhalten, deshalb auch die recht seltenen Überholmanöver. In der heutigen Formel 1 muss man dann Rennstrecken wie Bahrain aus dem Boden stampfen, damit überhaupt wieder überholt werden kann.

Einen Ausweg wussten immer schon die Piloten. Ihre Formel ist denkbar einfach: Radikaler Diffusorbeschnitt, Aerodynamikreduktion und die rillenlosen Slick-Reifen. Mit seinem neuen Vorschlag hat Max Mosley einmal mehr die Pilotenstimmen ignoriert. Aber auch sonst wird sich Mosley mit seinen neuen Ideen wenig Freunde machen...

Zu den konkreten Punkten der geplanten FIA-Reform:

Haltbarkeitsmotoren. Schon jetzt fragen sich viele Formel 1-Fans, was eine Haltbarkeitsregel überhaupt im Motorsport zu suchen hat. Vor allem, wenn man die Folgen in Betracht zieht. Jetzt wird um jede einzelne Runde gegeizt. Junge Piloten kommen nicht zum Fahren – was im Grunde eigentlich ihr Job wäre und was sie auch liebend gerne tun würden. Und die zahlenden Zuschauer dürfen am Freitag den Ersatzpiloten zuschauen. Was macht Mosley? Ab 2008 sollen die F1-Aggregate gleich zwei Wochenenden halten. Warum? Weil das angeblich den Herstellern beim Sparen hilft.

V8-Motoren. Doch dass der Spargedanke wohl eher ein Vorwand ist, belegt Mosley gleich mit seiner nächsten Idee. V8-Motoren statt der bisherigen V10-Triebwerke. 2,4 Liter statt drei. Sehr sparsam. Die Neuentwicklung wird abermals Millionen verschlingen.

Überdrehungsschutz. Ein „manuelles Getriebe mit elektronischem Überdrehungsschutz“ schlägt Mosley vor. Brauchen die weltbesten Autofahrer tatsächlich eine Schutzvorrichtung, damit sie die Maschinchen nicht in die ewigen Jagdgründe befördern? Das ist lächerlich. Immerhin spricht sich Mosley für eine „manuelle Kupplung“ aus – was genau Mosley damit eigentlich meint, ist nicht bekannt.

Verbot der Servolenkung. Mosley dürfte aufgrund der zahlreichen empörten Fan-Emails zum Teil erkannt haben, was die Zuschauer wollen. Nämlich dass die Piloten wieder ihre puren Fahrkünste zum Besten geben, ohne elektronische Hilfsmittel. Die Traktionskontrolle hat er beibehalten, weil ihn die Hersteller davon überzeugt haben, dass dies billiger sei. Gut, dann verbiete ich halt die Servolenkung, wird sich Mosley nun gedacht haben. Nur bringt das herzlich wenig. Die körperliche Belastung der Piloten ist aufgrund der hohen Fliehkräfte bereits im kritischen Bereich. Mosley dürfte etwas falsch verstanden haben. Man möchte nicht, dass die Piloten wegen Krämpfen im Arm ihre Rennen frühzeitig beenden müssen, man möchte schlicht und einfach, dass das fahrtechnische Können wieder mehr zur Geltung kommt. Es geht nicht um die Muskelkraft.

Reifen. Eine Rille könnte sich noch ausgehen, selbst wenn die Vorderreifen ab 2008 noch schmäler werden sollen. Einheitsreifen – gerade der Reifenkrieg hat letztes Jahr ein wenig Spannung in die seit Jahren von der Scuderia beherrschte Formel 1 gezaubert. Also schnell weg damit. Den Vogel aber schießt Mosley mit dem Vorschlag ab, im Rennen künftig zwar Tankstopps zu erlauben, jedoch keine Reifenwechsel. Was soll das bringen? Bislang konnte jemand mit dem neuen Reifensatz eventuell Boden gut machen. Jetzt sollen die Piloten zwar weiterhin an die Box fahren, jedoch auf den abgenützten Reifen weiter dahinrutschen. Ist der Reifen einmal hinüber, kann man das Rennen vergessen. Zudem ist dieser Vorschlag ein krasser Gegensatz zu den Sicherheitsmaßnahmen der FIA. Ein Reifenplatzer bei Tempo 300 ist alles andere als sicher.

Parc Fermé. Max Mosley scheint in den Parc Fermé verliebt zu sein. Man erinnere sich nur, wie stolz er am Beginn des letzten Jahres war, als man auf der FIA-Website die in Mosley’s Parc Fermé herumstehenden Autos beäugen konnte. Jetzt sollen die Boliden gleich am gesamten Wochenende in diesem Raum verbringen. Die Teams sollen also zwar um teures Geld ihre Boliden zeichnen und bauen, am Rennwochenende aber sollen sie die Autos nur noch während der Trainingseinheiten zu Gesicht bekommen. Das bringt sicherlich die totale Spannung in die marode Königsklasse. Dann werden nicht nur die Piloten sondern auch die Mechaniker an den Race-Weekends tatenlos herumstehen. Eine grandiose Idee. Zudem ein Sicherheitsrisiko. Die Boliden müssen vorbereitet, gepflegt werden.

Verbot des Ersatzautos, Einheitsteile. Zählt zu den angeblichen Sparmaßnahmen. Wen interessiert das? Die weltgrößten Automobilkonzerne müssen nicht sparen. Vor allem tun sie es ohnehin nicht. Die Formel 1 ist die Königsklasse und kein Sparverein. Die Formel 1 braucht wieder mehr Charakter und Power, Spannung. Die Formel 1 braucht keine sparsamen Hersteller. Würde man den TV-Kuchen einfach in gleichen Anteilen an die Teams weitergeben, wäre das beispielsweise für die kleinen Teams eine immense Hilfe. Die Großen können ihre guten WM-Platzierungen in Sponsorenverträge umwandeln. Den TV-Kuchen sollte man nicht mehr nach Leistung verteilen. Denn: Der Aufwand ist der gleiche, ob Weltmeister, sprich Ferrari, oder Minardi.

Gebrauchtwagen in der Formel 1. Eine begrüßenswerte Idee. Kleinere Teams sollten mit Vorjahrsautos der Großen antreten dürfen. Dabei gilt es aber aufzupassen, dass letztlich nicht mehr nur noch vier Chassis in der Formel 1 vertreten sind. Eine Öffnung der Formel 1 ist erwünscht. Nicht nur zwölf Teams, es könnten auch mehr sein. Vorqualifikation. Eine Hürde ist immer noch die hohe Kaution, welche ein Bewerber bei der FIA hinterlegen muss. Will man tatsächlich neue Teams, muss man Kaution und TV-Kuchenverteilung überdenken.

Sonstiges. Mosley spricht von einem „Neuen Qualifying-System“. Konkretes ist nicht zu lesen. Einschränkung der Testfahrten. Alles schön und gut. Es stellt sich nur die Frage, ob man das gegenwärtige System tatsächlich bis 2008 behalten möchte. Nicht wenige Fans vermissen das alte Qualifying. Man hat den Eindruck, die Formel 1 würde zu Tode geändert – auf Biegen und Brechen. Und das alles nur, weil ein Team den anderen um die Ohren fährt wie noch nie. Eine Verzweiflungstat.

Was die Formel 1 brauchen würde...

Offenes Technikreglement + Aerodynamikreduktion + Elektronikverbot: Das Regelwerk muss einerseits geöffnet werden. Die Anzahl der Zylinder, die Art der Motoren, zum Teil auch die gesamte Form der Boliden müssen wieder freigestellt werden. Die Formel 1 muss eine Spielwiese für technische Innovationen sein. Ausnahme: Die Aerodynamik muss reduziert werden. Verbot des Diffusors. Flacher Unterboden. Flügelbeschnitt. Wiedereinführung der Slicks. Und: Keine elektronischen Fahrhilfen. Wer sich verschaltet, zahlt den Preis.

Fahren statt Sparen: Die Hersteller sind keine Hungerleider. Die Motorenregel hat den kleinen Teams gar nichts gebracht. Sie hat niemandem etwas gebracht. In der Formel 1 muss gefahren werden, die Leute zahlen einen unverschämt hohen Eintrittspreis, sie müssen etwas für ihr Geld geboten bekommen.

Piloten ins Technik-Komitee: Man muss endlich jene Menschen in die Regelerstellung einbeziehen, die tatsächlich mit und in diesen Autos leben müssen. Die Vorschläge der Piloten müssen in das neue Regelwerk einbezogen werden. Dass die FIA nicht in der Lage ist, ein zufriedenstellendes Regelwerk zu erstellen, hat sie bereits mehrfach bewiesen.

Publikums-Feedback: Die Formel 1 hat nur eine Daseinsberechtigung – jene durch die Fans. Ohne sie würde es keine Formel 1 geben. Daher sollte das Publikum in die Regelerstellung einbezogen werden. Und: Regelmäßige Feedbackeinholung via FIA-Website! Der Kunde ist König!

Die besseren Reglement-Vorschläge – jene der motorline.cc-Leser!

Vor einigen Wochen fragten wir unsere Leser, welche Maßnahmen sie für eine bessere Formel 1 vorschlagen würden. Das Feedback war gewaltig und hat gezeigt: Die Freunde der Formel 1 haben konkrete Vorstellungen, wie die Formel 1 der Zukunft auszusehen hat. In den Regelwerken unserer Leser sind weitaus inspiriertere Möglichkeiten zu finden als in dem neuesten Mosley-Brief. Sie finden diese in der rechten Navigation.

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