Formel 1: News | 01.12.2004
MidlandF1 Team: Auto, Motor & Fahrer
Mit einem von Gary Anderson gebauten MidlandF1 Dallara-Ferrari sollen 2006 Anthony Davidson und Mario Dominguez starten.
Foto (Dominguez): Steven Tee/LAT, Logo: Midland Group
Im Rahmen des stürmischen Großen Preises von Japan verkündete der Russe Alex Shnaider, dass er ab der Saison 2006 mit einem eigenen Formel-1-Team in der „Königsklasse des Motorsports“ an den Start gehen wolle. Nachdem es in den vergangenen Wochen etliche mehr oder minder wahrheitsgemäße Spekulationen, Gerüchte und Meldungen über die Entwicklung des MidlandF1-Teams gab, bringen wir etwas Licht ins spekulative Dunkel der Gerüchteküche.
Die Gruppe
Die Midland Group ist eine internationale Handels- und Investmentfirma in Privatbesitz, welche 1994 gegründet wurde und eigenen Angaben zu Folge eine „dynamische, innovative Gruppe“ darstellt, die in sehr unterschiedlichen Branchen wie z.B. Handel, Stahlherstellung, Transport, dem Baugewerbe und der Landwirtschaft aktiv ist.
Unternehmen im Besitz von Midland und seinen Partnern haben weltweit über 50.000 Mitarbeiter. Die Midland Group agiert in den Wachstumsmärkten der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS), Osteuropa, Türkei, China und Fernost. Marketing und Verwaltung befinden sich in der Schweiz, Kanada und Großbritannien. Die Gruppe agiert weltweit, mit Niederlassungen und Vertretern in 34 Ländern. Das prestigeträchtigste aktuelle Projekt Midlands ist ein beeindruckendes, hochmodernes und superluxuriöses Fünf-Sterne-Hotel samt Wohnkomplex im Geschäftsviertel von Toronto, das in Zusammenarbeit mit der Trump Organization erbaut wird.
Dennoch gibt es in der Formel-1-Szene berechtigte Zweifel daran, ob ein Unternehmen wie die Midland-Gruppe alleine ohne weitere finanzielle Unterstützung ein Formel-1-Team erfolgreich betreiben kann. Entsprechend wird davon ausgegangen, dass es einiger Sponsoren bedarf, um die immensen Kosten eines Formel-1-Projektes zu stemmen. Die ersten Gelder der Gruppe flossen bislang in den Bau von vier Prototyp-Chassis.
Das Auto
Dieses Auto wird wie bereits bei der Bekanntgabe des Formel-1-Einstiegs verkündet von der italienischen Rennwagenschmiede Dallara designed und gebaut. Während der Rest des Teams auf der grünen Insel stationiert sein und von Colin Kolles sowie Christian Geistdorfer geleitet werden wird, sollen die Autos von Ex-Jordan-Chefdesigner Gary Anderson entworfen werden.
„Gary überredete mich, beim Midland-Projekt mitzumachen, da er glaubt, dass es sehr gut aufgebaut und von einigen 'Big Players' unterstützt wird“, verriet man GP2004. „Der Vertrag zwischen Dallara und Midland beinhaltet vier Autos, die 4.000 Windkanalstunden hinter sich haben. Das Auto wird spätestens am 1. September 2005 bereit sein. Gary kümmert sich um das Design.”
Als Teamchef verpflichtete der 36jährige Shnaider den erfahrenen Formel-3-Teamboss Trevor Carlin, dessen Rennstall als UK-Basis für MidlandF1 agieren wird.
Der Motor
Ebenso wie die Reifenfrage ist auch die Motorenfrage bei MidlandF1 noch ungeklärt. „Es wäre gut, Ferrari-Motoren in den Midland-Autos zu haben“, erklärte Shnaider in der italienischen Gazzetta dello Sport. „Dies ist eine Möglichkeit. Ich warte noch auf einige Antworten – ebenso von Cosworth. Wir werden innerhalb der nächsten drei Monate eine Entscheidung fällen.“
Die neuesten Spekulationen, dass Ferrari seine Partnerschaft mit dem Schweizer Sauber-Team Ende 2005 nicht erneuern würde, könnten MidlandF1 dabei in die Karten spielen. Dies sieht man selbst auch so: „Was die Motoren betrifft, so ist dies natürlich nicht meine Entscheidung, aber ich glaube, dass die Gerüchte, welche die Runde machen, nah an der Wahrheit sind.“
Die Fahrer
Als weniger wichtig erachtet man bei MidlandF1 derweil die Fahrerfrage, welche man erst bis Sommer 2005 geklärt haben möchte. „Viele Fahrer haben ihre Dienste angeboten“, so Shnaider, „aber wir werden erst später eine Entscheidung treffen. Wir beginnen mit zwei erfahrenen Piloten sowie einem russischen Testfahrer. Hier gibt es zwei oder drei Fahrer, die vielversprechend sind.“
Im Hinblick auf die Einsatzcockpits rücken unterdessen zwei Namen in den Mittelpunkt: Einerseits der Brite Anthony Davidson, dessen Chancen auf ein Williams-Cockpit zuletzt dramatisch sanken, und der in seiner Formel-3-Zeit für das Team von Trevor Carlin aktiv war; andererseits der Mexikaner Mario Dominguez, der vor allem von seinem Manager Henri Luzet immer wieder ins Gespräch gebracht wird.
So erklärte dieser, dass Dominguez der Dallara-Fabrik einen Besuch abstatten würde, um dort – mit einigen Sponsorengeldern im Koffer – über ein Formel-1-Cockpit für 2006 zu verhandeln.
„Der Besuch bei Dallara ist der nächste logische Schritt“, wird der Manager von Autosport zitiert. „Mario Dominguez wird 2006 für MidlandF1 fahren, dass ist sicher.“
Weniger optimistisch sehen einige Experten die Leistungen des derzeitigen Champ-Car-Piloten, der 2002 zwar den Titel des Rookie of the Year abstaubte und insgesamt zwei Rennen gewann, im allgemeinen aber eher blass blieb. Da er bis Ende 2005 noch bei seinem Team Herdez Competition unter Vertrag steht, kommt ihm ein möglicher Formel-1-Einstieg 2006 natürlich gerade recht. „Midland hatte Interesse, Jaguar zu kaufen“, verriet Luzet, „was Probleme für Mario mit sich gebracht hätte, wenn er 2005 in der Formel 1 hätte fahren sollen. Aber letztlich ist dies nicht geschehen und alles hat sich beruhigt, was sehr gut ist.“