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Der, der vor Schumacher kam

Am 1. September 1985 verunglückte der große Kämpfer Stefan Bellof, Deutschlands größte Motorsport-Hoffnung, noch vor der Ära Michael Schumacher.

Michael Noir Trawniczek
Fotos: stefanbellof.de

"Ich bin überzeugt: Der deutsche Motorsport hätte das Schumacher-Wunder wohl schon zwei Jahrzehnte früher erlebt, wenn Stefan Bellof in Spa-Francorchamps nicht tödlich verunglückt wäre", erklärt TV-Kommentator Manfred Janke in der Zeitschrift Motorsport Aktuell. Janke war damals Sport- und PR-Chef bei Porsche - er konnte Stefan Bellof, die große Hoffnung des deutschen Motorsports in den frühen Achtzigerjahren, aus nächster Nähe erleben.

Damals fuhren die Formel 1-Stars auch in anderen Serien, Bellof war ab 1983 im Porsche-Werksteam in der Gruppe C unterwegs - 1984 räumte "Stibbich", wie ihn seine Freunde nannten, gehörig ab: Langstrecken-Weltmeister der Gruppe C und Deutscher Rennsportmeister.

Im selben Jahr ließ er auch in der Formel 1 auf unterlegenem Material sein Talent aufblitzen. Am 1. September 1985 kollidierte Stefan Bellof im Brun-Porsche in der berüchtigten Eau Rouge-Senke von Spa mit dem Werkswagen von Jacky Ickx. Vor genau zwanzig Jahren verlor der deutsche Motorsport seinen bis dahin größten Hoffnungsträger. Wenige Tage zuvor musste man den Tod von Manfred Winkelhock hinnehmen - die Stimmung war am Tiefpunkt angelangt.

Schneller Aufstieg

Begonnen hat Stefan Bellof mit dem Kartsport, sein Bruder Georg war ebenfalls Rennfahrer, und laut Stefan wäre der noch schneller gewesen, hätte er nicht den Motorsport aufgegeben. Ein rasanter Aufstieg: 1980 Deutscher Formel Ford-Meister. In die deutsche F3-Meisterschaft steigt Stefan in der laufenden Saison ein und gewinnt dennoch beinahe die Meisterschaft, wird Vizemeister. Als BMW-Schützling steigt er bei Maurer in der Formel 2 ein, gewinnt auf Anhieb zwei Rennen. Teamchef Willy Maurer übernimmt sein Management.

Unvergessen der erste Formel 1-Test, 1983 bei McLaren. Ron Dennis ließ Bellof gegen einen anderen verdächtig schnellen Jungspund antreten, einen gewissen Senna da Silva. Bei diesem Test konnte Bellof beeindrucken. Ayrton Senna und Stefan Bellof - ihre Karrieren zeigten Parallelen. Senna kam 1984 bei Toleman unter, Bellof bei Tyrrell. Beide hatten unterlegenes Material - doch beim verregneten Grand Prix von Monaco konnten sie ihr Talent beweisen - in einem Jahrhundert-GP!

Monaco 1984 - der Jahrhundert-GP!

Senna auf Startplatz 13, Bellof auf Platz 20. Vorne zog Prost im McLaren davon, der Franzose wurde nach 10 Runden von Nigel Mansell überholt, doch der Brite warf sechs Runden später sein Auto in die Planken. Wieder lag Prost vorne, dahinter Senna und Niki Lauda im zweiten McLaren. Bellof arbeitete sich vor, schnappte sich Fabi, Laffite, Winkelhock und Rosberg. Dann verlor auch Lauda im strömenden Regen die Kontrolle über sein Auto, vor Bellof lag Arnoux im Ferrari. Auch den konnte er bezwingen, nach 32 Runden wurde der GP abgebrochen, die Reihung lautete Prost, Senna und Bellof. Doch der Abbruch ist heute noch umstritten, wie es auch der tödliche Unfall von Bellof in Spa war - in beiden Fällen spielt der Belgier Jacky Ickx eine Rolle. Er fungierte in Monaco als Rennleiter - hätte er nicht abgebrochen, hätten Senna und Bellof wohl Prost gebügelt, sagen viele Zeitzeugen. Und auch die Rundenzeiten sprechen Bände: Die beiden Youngstars waren pro Umlauf rund vier Sekunden schneller als der McLaren-Star - wobei Bellof stets einige Zehntel schneller als Senna war. Der Rennabbruch wurde von der FIA als ungerechtfertigt eingestuft - Ickx wurde für ein Jahr die Lizenz entzogen.

Immer wieder konnte Stefan Bellof im Sauger-Tyrrell die Turbos aufmischen. "Der Stefan ersetzt jeden Turbo", sagte Ken Tyrrell stolz. Nach einer Tankaffäre, ähnlich der jüngsten von BAR-Honda, wurden dem Team 1984 alle bis zum England-GP eroberten WM-Punkte gestrichen. 1985 erhielt Tyrrell den Renault-Turbo, Bellof blieb im Stall, fuhr noch neun Rennen - und angeblich hatte bereits der große Enzo Ferrari die Fühler nach ihm ausgestreckt, es soll ein Angebot für 1986 gegeben haben.

Todesfalle Eau Rouge

Stefan Bellof war bei vielen Kollegen beliebt, abseits des Cockpits soll er sehr humorvoll und umgänglich gewesen sein, das bestätigen alle, die mit ihm zu tun hatten. Nur zwischen Bellof und Jacky Ickx hat es Reibungen gegeben, der Belgier wurde von dem jungen Deutschen im Porsche-Werksteam in den Schatten gestellt. Und es gab Stimmen, die davon sprachen, Ickx habe Bellof in dem Schicksalsrennen 1985 in eine Falle gelockt, sei am Ende der Zielgeraden (nicht die F1-Zielgerade) vor der Eau Rouge-Senke einladend nach rechts gezogen. Andere, wie Hans Joachim Stuck, sagen: "An dieser Stelle überholt man nicht."

Wie dem auch sei - Bellof wollte es wissen, rundenlang fuhr er bereits hinter dem Belgier. Und Bellof war im Auto einfach in einem Ausnahmezustand, der nette Bursche wurde zum Kämpfer, der nicht nachgeben wollte. Man könnte auch ganz einfach sagen: Bellof war ein echter Racer. Doch am 1. September 1985 wollte Bellof dann doch zu viel - die Autos kollidierten in der Senke, damals stand dort leider ein Betonsockel, es gab noch keine Kiesbetten, nicht einmal ordentliche Reifenstapel. Jochen Mass lief quer durch das Fahrerlager zur Unfallstelle, versuchte eigenhändig, den Kollegen aus dem übel hergerichteten Wrack zu schneiden. Doch es war zu spät: Deutschland verlor die größte Motorsporthoffnung vor der Ära Schumacher.

Herzlichen Dank an stefanbellof.de - eine liebevoll gestaltete Website zu Ehren "Stibbichs".

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