24h von Le Mans | 15.06.2005
Das Ende der Audi-Dominanz?
Am 18. und 19. Juni ist es wieder soweit: zum 73. Mal fährt man in Le Mans zweimal rund um die Uhr, der Fight um den Gesamtsieg könnte spannend werden.
Johannes Gauglica
„Die Formel 1 ist für Kinder, in Le Mans fahren die Erwachsenen.“ (Michele Alboreto)
Auch ein halbes Jahrhundert nach dem großen Crash von 1955 gibt es ihn noch, den Grand Prix d’Endurance auf dem Circuit de la Sarthe in Le Mans. An internationaler Bedeutung hat das Rennen einiges eingebüßt, und die letzten Jahre waren eine einzige Audi-Show, unterbrochen vom Aufflackern der Audi-Konzerntochter Bentley.
Weder die Pleitiers von MG noch ein recht ungeschickt gehandhabtes Projekt von Cadillac vermochten die Herren der Ringe einzubremsen. Auch heuer stellt sich kein anderes Werk der Auseinandersetzung. Dennoch könnte dieses Rennen das spannendste seit langem werden.
LMP1: Audi gegen...?
Mit nächstem Jahr ändern sich (wieder einmal) die Regeln, die Audi R8 müssen Ballast schleppen und atmen durch Luftmengenbegrenzer; somit wittern die Privatiers ihre Chance. Beim offiziellen Testwochenende in Le Mans kamen die schnellsten Autos nicht aus dem Audi-Lager, sondern vom französischen Nationalhelden Henri Pescarolo.
Seine Autos mit Judd-V10 schafften auf der berühmten Hunaudiéres-Geraden den höchsten Topspeed. Der neue Spieler im französischen Wunderteam, Rallyestar „Super Seb“ Loeb gönnte sich nur wenige Testrunden. Schafft der ehemalige Weltklassegymnast den Spagat zwischen Rallyeauto und Prototyp?
Audi schläft natürlich nicht: die Ehre der Ingolstädter wird heuer vom amerikanischen Champion Racing Team (mit zwei Autos) und von der französischen Supermannschaft ORECA verteidigt. Champion ist das beste Sportwagenteam Amerikas, und die Audi-Werkfahrer lösen einander in den Cockpits ab; ORECA hat bereits 1991 mit Mazda hier gewonnen.
Zwischen diesen beiden Lagern wird der Sieg vermutlich ausgefochten; dahinter steht Courage Competition bereit, etwaiges Pech der Konkurrenz auszunützen: einer der beiden C60H reiht sich an die dritte Stelle der Speed-Wertung ein.
Aus Japan kommt die Rennwagenfirma Dome, sie hat zwei Autos im Rennen: das Werksteam „Jim Gainer International“ und die japanischen Fahrer sind in ihrer Heimat Topstars der unglaublich beliebten „Super GT“-Meisterschaft; die Erfahrung in Le Mans fehlt hier noch.
Das zweite Dome-Eisen im Feuer ist Haudegen Jan Lammers und sein Team Racing for Holland, der Chef fährt selbst. Auf das kleine, leichte Zytek-Chassis vertrauen die britischen Teams von Creation Autosportif und Jota; letztere haben auch den Motor von Zytek an Bord. Das Zytek-Werksauto wurde übrigens von den Veranstaltern nicht zum Rennen eingeladen, eine kurzsichtige Entscheidung.
Schließlich gilt es Rollcentre Racing zu beachten, die Autos kommen von Dallara aus Italien, in einem der beiden werkt ein Turbomotor von Nissan: erstes Zeichen eines japanischen Comeback? Nissan-Werksfahrer Michael Krumm ist jedenfalls mit an Bord, ebenso wie Jacky Ickx’ Tochter Vanina.
LMP2: Überlebenskampf
Die Klasse der kleinen Prototypen (kleinere Motoren, aber auch weniger Gewicht als die LMP1) war in den letzten Jahren eine Sache des Durchhaltens: wer am Schluß noch rollt, gewinnt. Die Autos werden jedoch immer besser, und heuer streiten sich die Kundenteams von Courage (mit dem C65) und Lola um den Sieg.
Die legendäre britische Firma Lola hat gleich zwei Modelle im Feld: das schottische Team von Ray Mallock bringt einen „experimentellen“ EX264 mit MG-Turbo (von dort ist allerdings keine Hilfe mehr zu erwarten), Intersport aus Amerika hat das reguläre Kundenauto, den brandneuen B05/40.
Diese beiden waren beim Test die Klassenschnellsten, mit dem Courage C65 von Kruse Motorsport aus Deutschland stets in Schlagdistanz. Aber wie gesagt – zuerst müssen sie durchhalten.
GT1: Corvette gegen Aston Martin
Was man sich eigentlich von den Prototypen erwarten würde, findet in der GT-Klasse statt: ein klarer Schlagabtausch zweier Werksteams. Riesenbudgets, Top-Fahrer, keine halben Sachen.
In Wahrheit geht es hier um den Kampf der Konzerne: General Motors gegen Ford. Die Mannen von Corvette Racing fahren in ihrer Klasse seit 2000 alles in Grund und Boden, und die neue C6.R macht genau dort weiter, wo ihr Vorgängermodell aufgehört hat. Umso mehr schmerzt die Niederlage gegen den neuen Aston Martin DBR9 zuhause in Sebring – dafür ist Rache angesagt.
Hinter Aston Martin Racing steht Prodrive, eine der Elitefirmen des Rennsportes. Auch hier gibt es einen Rallye-Überläufer: Stephane Sarrazin ist Werksfahrer bei (Prodrive-)Subaru. Ansonsten sieht diese Klasse heuer recht ärmlich aus, einige ältere Ferrari F550 und ein einziger, vermutlich chancenloser F575 füllen das Feld. Der umstrittene Über-GT Maserati MC12 bleibt aus Reglement-Gründen zuhause.
GT2: Porsche, Porsche, Porsche
Reden wir zuerst von den anderen, denn es gibt sie auch in dieser Klasse, nur werden wir von ihnen nicht viel sehen. Drei Kleinstmarken stellen sich der Stuttgarter Übermacht gegenüber: Panoz, Spyker und TVR. Nie gehört?
Panoz kommt aus Amerika, und der Name spielt in der jüngeren Sportwagengeschichte eine große Rolle. Wäre Dr. Don Panoz nicht gewesen, gäbe es heute vermutlich die 24 Stunden von Le Mans nicht mehr. Sein Enthusiasmus (und sein Geld) haben vor allem in Amerika die Sportwagenszene am Leben gehalten.
Seine Autos stehen allerdings noch ganz am Anfang, die Fahrer gehören zweifellos zu den besten, aber wie weit werden sie kommen? Dieselbe Frage stellt sich für den Spyker C8 aus Holland; für die „Spyker Squadron“ wäre die Zielankunft bereits ein Triumph.
TVR ist eine britische Sportwagenschmiede mit Tradition, und seit neuestem mit russischem Eigentümer; das frische Geld sorgt für frischen Wind auch in der Rennsportabteilung. Racesports Peninsula heißt das Team, das den Tuscan T400R mit 4l-Sechszylinder an den Start bringen wird, und ein Stockerlplatz wäre eine echte Überraschung.
Zwei Ferrari spielen auch noch mit, vor allem das Auto von Scuderia Ecosse kann vorne mitspielen, aber wer weiß wie lang. Somit also zu den Porsche: die Qualität der acht Nennungen reicht vom Renntaxi zum Werksauto.
Die Porsche AG geht nicht unter eigener Flagge an den Start, man hat in den verschiedenen Meisterschaften seine „preferred customers“, denen man die Werksfahrer anvertraut. Die Teams Petersen/White Lightning und Alex Job Racing aus Amerika haben diese Rolle in Le Mans, und sie sind die klaren Favoriten.
Während sich der „Pöbel“ um den letzten verbliebenen Podiumsplatz raufen wird, wäre alles andere als ein Sieg einer dieser Mannschaften eine Sensation. Bei den GT2 ist auch der einzige Österreicher im Rennen: Horst Felbermayr Sr. startet im Porsche 996 GT3-RSR von Seikel Motorsport.
Eintönigkeit versprechen heuer also vor allem die kleineren Klassen. Um den Gesamtsieg könnten wir heuer endlich wieder einmal ein einigermaßen aufregendes Rennen sehen.
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