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"Das Fahren alleine reicht heute nicht!"

Nachwuchs-Tipps für Jungrennfahrer - Teil 2 des motorline.cc-Gesprächs mit Dieter Quester. Die Stars von morgen müssen sich etwas einfallen lassen...

Michael Noir Trawniczek
Fotos: Christoph Aschauer für motorline.cc

"Denen spricht man ja eigentlich alles ab", sagte Rennfahrer-Legende Dieter Quester im ersten Teil unseres Gesprächs (unter "Teil 1" in der Navigation rechts). Er meinte damit die Formel 1-Piloten, die vertraglich geknebelt Worthülsen von sich geben. Lesen Sie hier Teil 2 des Gesprächs.

Wobei Red Bull ja da schon ein bisschen anders ist?

Dieter Quester: Red Bull ist anders, weil dort ein ganz anderer Geist herrscht. Es ist eben dort so, dass man nicht Rennen fährt, um Geld zu verdienen - natürlich auch, um Geld zu verdienen - sondern, um das Produkt zu verkaufen. Und das ist ein Riesenunterschied - ob ich jetzt mein Team erhalten muss, wie Ron Dennis oder Frank Williams, der von BMW viele Millionen zugeschossen bekommt, weil der muss ja auch 250 Leute erhalten oder mehr, der muss einfach auf einer kommerziell erfolgreichen Basis arbeiten.

Und das ist bei Red Bull nicht der Fall. Sicherlich, der Mateschitz wird auch nicht sagen: Ich schieß dort die nächsten zehn Jahr nur Geld zu. Sondern das ist eine kühle Rechnung - um wie viele Dosen verkaufe ich mehr? Und daher kann er es sich auch leisten, seine Aufkleber vom Auto zu nehmen und Star Wars drauf zu kleben.

Wenn das ein anderes Team macht, haben sie die Klage vom Sponsor auf dem Hals. Also so gesehen hat Mateschitz viel mehr Möglichkeiten, er kann viel flexibler arbeiten, er kann auch sein Umfeld ganz anders gestalten. Er hat ein Riesenglück, dass er ein Produkt hat, das er zwangsläufig mit seinem Schriftzug und seinem Logo bewirbt.

Und so etwas ist ja schon etwas Neues. Mateschitz könnte überall Werbung machen, könnte ganz andere Methoden anwenden, aber er fördert mit seiner Werbearbeit Sportler, vielen von ihnen wird der Sport dadurch erst ermöglicht.

Dieter Quester: Das ist ja die tolle Balance dort, dass eigentlich der Großteil seiner Sportler sagen muss: 'Dankeschön, dass Sie mir ermöglichen, Sport zu betreiben.' Aber auf der anderen Seite ist es klarerweise auch ein Selbstzweck. Es ist eben dort ganz anders wie überall sonst.

Eines ist schon klar: Egal ob das jetzt irgendein Extremsport in den USA ist, oder welche Sportart auch immer - das sind Sportler, die sich bei Red Bull bedanken dafür, dass sie subventioniert werden. Das, so finde ich, ist eine tolle Sache, dass es diese Möglichkeit gibt. Ich sag auch zum Mateschitz: 'Super, dass ich für euch fahren kann!'

Sehe ich auch so. Es gibt ja immer die Leute, die dann sagen: Der macht das doch nur, weil er mehr Dosen verkaufen will. Dann sag ich immer: Ja, das stimmt schon - aber es hat jemand etwas davon, es wird zugleich jemand unterstützt.

Dieter Quester: Sie könnten ihre Werbung auch ganz anders gestalten, aber es ist nicht die Philosophie des Hauses, nur über die Medien zu gehen. Oder nur über Print oder andere Medien. Es steht dort einfach der Sportler im Mittelpunkt. Es ist immer der Sportler der Werbeträger, sonst nichts.

Einer dieser Sportler ist der Patrick Friesacher. Der hat schon einiges erlebt - zuerst der schwere Kartunfall, dann verlor er sein Red Bull-Ticket, dann kam er doch noch in die Formel 1 - und jetzt ist er draußen. Das ist doch für einen Sportler eine Katastrophe?

Dieter Quester: Für ihn ist es sicherlich eine schlimme Geschichte. Ich muss dazu sagen - aus meiner Sicht, ohne genau die Hintergründe zu kennen: Er dürfte sich nicht im Klaren gewesen sein, wie es mittelfristig weitergeht. Oder langfristig - wenn ich sage langfristig, meine ich ein, zwei Jahre.

Ob es sich da nur um einen Scheck gehandelt hat, entzieht sich meiner Kenntnis - aber es muss da doch Möglichkeiten für die Sponsoren gegeben haben, zu sagen: 'Aus, Schluss, wir machen nicht mehr weiter.' Denn wenn ich bindende Vereinbarungen habe, dann darf so etwas nicht passieren.

Das ist für ihn ja auch Image schädigend - er steigt bei der Geschichte sicher als Einziger mit einem Negativimage aus. Möglicherweise auch der Haider, man weiß ja nicht, wie das weitergeht...

Gut, der Dr. Haider und das Negativimage...(Gelächter)

Dieter Quester: Ja, das kann kein Problem mehr für ihn sein. Vielleicht gibt es da auch noch ein Nachspiel. Aber für den Patrick ist das auch ein psychisches Problem - wenn ich da auf diese Art wieder vom Fenster wegserviert werde. Es liegt halt in der Natur der Sache, dass es kolportiert wird als Rausschmiss.

Der Stoddart hat sein Geld nicht erhalten und hat den Patrick halt gekündigt. Dieser Vorgang ist nachvollziehbar und verständlich, weil der das Geld braucht, um fahren zu können. Was ich damit sagen möchte: Ich weiß nicht, ob der Patrick da nicht ein bisschen zu blauäugig war und ob er die Sache wirklich so abgewickelt hat, wie man normalerweise so einen Millionendeal handeln muss. Um eine Kontinuität drinnen zu haben.

Das Problem mit den Bezahlfahrern ist, dass sie sehr schnell die Spitze des Motorsports erreichen und dann aber auch sehr schnell wieder raus fallen. Von den Rookies der letzten Jahre ist ja fast keiner geblieben in der Formel 1. Ist da nicht die Gefahr, dass kein wirklicher Nachwuchs mehr kommt? Dass die Schnellen auf der Strecke bleiben?

Dieter Quester: Das ist ja überall so, auch im Fußball, da werden Sportler verschachert. Und wenn sie nicht schnell genug sind, fliegen sie wieder raus.

Man vergisst, dass früher jeder ein paar Jahre gebraucht hat, auch ein Stirling Moss, ein Niki Lauda oder ein Jochen Rindt - keiner war auf Anhieb ein Topstar.

Dieter Quester: Das ist heute nicht mehr so, offensichtlich ist es für die Teams heute nicht mehr machbar, dass sie - überspitzt formuliert - sagen können: 'Wir machen mit einem Fahrer ein paar Jahre eine Fahrschule.' Das kann sich der Mateschitz leisten, weil er eben eine ganz andere Philosophie hat.

Der kann sagen: 'Okay, den Klien oder den Liuzzi - die formen wir heran.' Aber Teams wie Williams oder McLaren - die können das nicht. Die können nicht sagen: 'Ich lass den jetzt ein oder zwei Jahre fahren und schauen wir, wie er wird.' Der kommt dann einfach zu irgendeinem anderen Team, wird abgeschoben, und wenn er sich profiliert, so wie ein Heidfeld, na dann nimmt man ihn vielleicht. Das ist heute Gang und Gäbe und das ist in der Formel 1 so komplex...

Kommen wir zurück zum Ausgangspunkt: Wenn jemand heute mit dem Rennsport beginnen möchte, welche Ratschläge würden Sie dem geben?

Dieter Quester: Zuerst sollte er es sich gut überlegen, ob er wirklich anfangen will. Und: Es ist heute ohne Sponsor unmöglich, wirklich unmöglich, Motorsport, ich rede gar nicht von der Formel 1, zu betreiben. Ich habe da jetzt unlängst mit einem jungen Buben gesprochen, der Kart fährt. Der ist 15 Jahre alt.

Ich habe mit seinem Vater gesprochen - der gibt für den Kartsport 60.000 Euro aus! 60.000 Euro in der Saison! Ich mein, selbst wenn es nur 30.000 kosten würde - wo soll denn ein 16jähriger 30.000 Euro hernehmen? Das heißt: Aus meiner Sicht kann man nur mit einem Mäzenatentum beginnen. Oder es sind die Eltern dahinter. Oder wer auch immer.

Ein 15- oder 16jähriger hat keine Chance, eigeninitiativ - was sag ich, eigeninitiativ kann er schon sein, muss er sogar sein - aber ohne die finanziellen Mittel da rein zu kommen und Fortschritte zu machen. Seine Kraft muss sich dann eben derartig gestalten, dass er eben einen Einsatz, einen fahrerischen Einsatz bringt.

Du musst halt heute - wie soll ich sagen - für Sponsoren Ideen entwickeln können. Man muss in der Lage sein, den Leuten in den Werbeabteilungen etwas anzubieten, sodass diese Leute sagen: Ah, der macht sich Gedanken darüber, wie er uns weiterhelfen kann! Mit flankierenden Maßnahmen. Du musst eine Kreativität haben - das Fahren alleine reicht heute nicht!

Also gleich ein kleines Werbekonzept mitbringen...

Dieter Quester: Das muss Hand und Fuß haben. Aber es ist ja heute so, dass 17jährige mit Managern daherkommen und blöd daherreden. Ich bin unlängst am Nürburgring beim 24 Stunden Rennen gefahren und da ruft mich ein Deutscher an und fragt mich, ob ich noch einen Platz freihabe.

Sage ich: Naja eigentlich nicht. Sagt er: Naja er würde uns sonst seinen Manager schicken. Sag ich: Okay du, kommt eh nicht in Frage. Die Burschen sind heute extrem verwöhnt, der hat seinen Dienstwagen, der kriegt all seine Spesen bezahlt, seine Flüge und Reisekosten - das gab es früher alles nicht.

Das Problem für einen jungen Burschen ist ja, dass man da überhaupt mal irgendwie reinkommen muss. Ich habe den Dr. Marko in Sachen Motorsportakademie gefragt, warum man da nicht gleich an der Basis beginnt?

Also dass ich eine Kartbahn mache, und die Burschen dort - sagen wir zehn Euro oder halt ein bisschen mehr - bezahlen und dort schaut man, ob jemand auffällt - und wenn der schnell ist, schnapp ich ihn mir für die Motorsportakademie. So wie man im Fußball angeblich im Beserlpark nach Talenten Ausschau hält. Warum macht man das nicht so?


Dieter Quester: Was soll ich sagen? Das ist dann doch zu tief unten beginnend. Das wäre wahrscheinlich auch ein zu mühsamer Weg. Weil die Leute, die heute vom Kartsport in den Motorsport aufsteigen und dort Karriere machen - bis auf wenige Ausnahmen - das waren Europameister, Weltmeister, also schon fertige Kartleute.

Ob das jetzt ein Morbidelli oder Riccitelli oder wer auch immer ist - das waren alles Weltmeister, Europameister - das sind nicht die Beserlparkbuben, die Fetzenlawerlkicker gewesen. Das gibt es im Motorsport nicht. (Gelächter)

Ein abschließendes Wort?

Dieter Quester: Ich bin gerade bei den Vorbereitungen für die kommende Saison. Und ich mache mir immer Gedanken: Was kann ich für meinen Sponsor tun? Denn ich will nicht irgendwann einmal hören: 'Wir machen nichts mehr. Die Quelle ist versiegt.'

Dann sage ich danke für das Gespräch, danke für Ihre Bereitschaft, jungen Piloten Tipps zu geben - und gutes Gelingen bei den Vorbereitungen.

Starthilfe: Fragen an Dieter Quester! Tipps für Jungpiloten.

Dieter Quester hat sich bereit erklärt, die Fragen junger RennfahrerInnen oder solcher, die es werden wollen, zu beantworten. Wer in den Motorsport einsteigen will und dazu eine Frage hat, schreibt eine Mail, wir leiten sie an Dieter Quester weiter.


Teil 1 des Gesprächs mit Dieter Quester finden Sie in der Navigation rechts.

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