Motorsport: US-News | 29.08.2005
Die Top-News aus dem US-Motorsport
Volles Programm in Nordamerika: NASCAR in Bristol, GrandAm in Mid-Ohio, die IRL in Sears Point und die ChampCars auf dem Formel-1-Kurs von Montreal.
Johannes Gauglica
NASCAR Nextel Cup: Sharpie 500, Bristol Motor Speedway
Aus für den „Nextel Cup“? Die Mobiltelefonbetreiber Nextel und Sprint fusionieren nächstes Jahr, der Name „Nextel“ wird verschwinden. Für 2007 hieße die NASCAR-Serie dann, wenig beeindruckend, „Sprint Cup“ - sofern die cleveren NASCAR-Manager sich nicht noch etwas Originelleres einfallen lassen.
Der Bristol Motor Speedway ist eine richtige Arena: das nur eine halbe Meile lange Oval mit seinen hohen Steilkurven wird von Tribünen für insgesamt über 160.000 Zuschauer komplett umschlossen, und wenn der Nextel Cup vorbeikommt, sind die Ränge dicht besetzt. Denn man bekommt einiges zu sehen: in Bristol ist immer „Rush Hour“. Auch dieses Mal gab es vierzehn „Yellows“ wegen Unfällen. Der beste Platz in einem Stau ist ganz vorne, dies weiß auch Matt Kenseth. Nach eineinhalb sieglosen Jahren und einer bislang glanzlosen Saison 2005 langte er zu: von der Pole Position aus gestartet, gab er die Führung eigentlich nur ab, wenn er gerade an den Boxen zu tun hatte. Von insgesamt 500 Runden war Kenseth 415 in Front.
Einige Dramen spielten sich in seinem Rückspiegel ab. Dale Jarrett bekam nach dem „Revanchefoul“ an einem Konkurrenten zwei Strafrunden aufgebrummt. In diesen Unfall wurde Kevin Harvick verwickelt; er schleppte sich an die Box, wo die Crew von Richard Childress Racing den Chevrolet halbwegs zusammenflickte. Harvick weigerte sich dann aber, wieder ins Auto einzusteigen, und spielte beleidigt. Damit kann Harvick die „Chase“ abschreiben.
Hinter Kenseth platzierten sich mit Jeff Burton, Greg Biffle (vom letzten Startplatz) und Ricky Rudd drei weitere Ford; Biffle ist jetzt genauso fix für die „Chase“ qualifiziert wie der fünftplatzierte Rusty Wallace auf seiner Abschiedstour. Kenseth als Gesamt-Elfter hat jetzt auch noch eine Chance.
Übrigens: „Sharpie“ ist ein Filzstift. Nächstes Rennen: Das Sony HD 500 am California Speedway, 4. September.
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Grand American Road Racing Series: EMCO Gears Classic, Mid-Ohio Sports Car Course
Fahrer der zweiten Generation tun sich manchmal schwer. Alex Gurney war da keine Ausnahme. Als Sohn von Dan Gurney mit einem der erfolgreichsten amerikanischen Rennfahrer und Teamchefs aller Zeiten verglichen zu werden war sicher eine schwer zu tragende Last, und sie wirkte sich bislang offenbar auf seine Leistungen aus. Nach dem Sieg in Watkins Glen ist für den kalifornischen Neo-Teamchef offenbar „der Knopf aufgegangen. Zum zweiten Mal in Folge war Gurney der schnellste Fahrer im Qualifying, und er führte mit dem Riley-Pontiac von Blackhawk Racing die ersten, von vier Gelbphasen zerrissenen 40 Runden des Rennens an. Aufgrund verschiedener Probleme, eines davon Teamkollege Bob Stallings, war die Nr. 99 alsbald aus den Top 5 verschwunden.
In der GT-Klasse waren anfänglich die BMW der Prototype Technology Group dominant, bevor die werksunterstützten Pontiac GTO.R der Racers Group das Kommando übernahmen. Der GTO wird jetzt immer konkurrenzfähiger, leider wird General Motors die gesamte Modellreihe einstampfen. Der Däne Jan Magnussen kämpft in seinem Heimatland um den Tourenwagentitel, deshalb sprang Corvette-Meister Ron Fellows für ihn ein, zusammen mit Paul Edwards etablierte er sich als GT-Leader, beschattet vom Schwesterauto mit Chris Bunting/Andy Lally. Der verbliebene BMW in Reichweite war das PTG-Auto von Kelly Collins, bis 2004 noch selbst GM-Werksfahrer. Zwanzig Minuten vor Schluß fiel der führende Pontiac mit einem Aufhängungsdefekt aus, Collins übernahm die Führung und gab sie bis ins Ziel nicht mehr ab.
30 Minuten vor Rennende waren die fünf führenden Autos innerhalb von zwei Sekunden. Terry Borcheller im Doran-Pontiac rutschte innerhalb einer Runde vom ersten auf den vierten Platz ab, Scott Pruett im Riley-Lexus des omnipräsenten Ganassi-Teams übernahm die Spitze, verfolgt von Butch Leitzinger (Crawford-Pontiac) und Formel-1-Veteran Stefan Johansson im zweiten Ganassi-Auto. Borcheller und Max Angelelli rauften hart um den vierten Platz, als der Italiener endlich an Borcheller vorbeiging, tauschten die beiden einige freundliche Gesten aus. Wenige Runden vor Schluß mußte Johansson für einen letzten Schluck Sprit an die Box, Angelelli im Suntrust-Riley fand sich am dritten Platz. Bemerkenswert: dieses Auto war nach einem Feuer im Qualifying eine Ruine. Der Sieg ging aber an Howard-Boss Motorsports und Elliot Forbes-Robinson/Butch Leitzinger.
Nächstes Rennen: Das Phoenix 250 in – genau – Phoenix, Arizona.
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Indy Racing League: Argent Mortgage Indy Grand Prix, Infineon Raceway
Die Strecke in Sears Point taucht unter den verschiedensten Namen in der Presse auf, zuletzt beim ALMS-Rennen als „Grand Prix of Sonoma“. Die offizielle Bezeichnung ist „Infineon Raceway“ – nach den Schwierigkeiten bei der namensgebenden Firma fragt man sich, wie lange noch.
Bei diesem ersten „richtigen“ Straßenrennen der IRL gab es vor dem Qualifying einige Unbekannte in Bezug auf Setup und Reifenverschleiß. Einige Fahrer haben außerdem sehr wenig Erfahrung auf den „Road Courses“. Deshalb gab es zwei Einspringer: Sportwagenfahrer Jeff Bucknum ersetzte A.J. Foyt IV., Giorgio Pantano gastierte bei Ganassi Racing. Der letztere verhaute sein Qualifying schändlich, dafür sprang Ryan Briscoe ein und erfreute Chip Ganassi mit seiner ersten Pole Position. Viel mehr Erfreuliches gab es für Chip aber nicht.
Briscoe war fest entschlossen, sich hier für eine bislang miserable Saison schadlos zu halten. Vielleicht etwas zu entschlossen: für ihn, Helio Castroneves und Danica Patrick war der Tag nach einem Crash zu Ende, F1-Flüchtling Pantano kam mit dem Schrecken davon - fassungsloses Kopfschütteln bei Roger Penske und Patricks Teamchef Bobby Rahal über ein sinnloses Manöver von Briscoe. Nach Sam Hornishs Ausfall in Runde 1 gab es eine schmerzhafte Nullnummer für Penske.
Die Gelbphase brachte einige Tankstrategien durcheinander. Dan Wheldon fiel nach einem Mißgeschick beim Nachtanken ans Ende des Feldes zurück. Bryan Herta, Scott Dixon, Pantano und Dario Franchitti (vom letzten Platz gestartet!) ersparten sich den ersten Boxenstop und nahmen vorübergehend die ersten Plätze ein, dahinter der frisch betankte Tomas Enge. In Runde 33 ging Enge in Führung. Aber der komfortable Vorsprung war schon in Runde 37 wieder weg: bei einem Dreher bewies der Tscheche Nervenstärke und fing den Dallara-Chevy wieder ein. Jetzt hatte er seine Gegner direkt im Nacken und mußte beim letzten Boxenstop die Führung an Tony Kanaan im Dallara-Honda abgeben.
Tabellenführer Dan Wheldon übernahm für genau eine Runde die Spitze (rechtzeitig für einen 10.000-Dollar-Bonus), dann blieb er ohne Sprit liegen. Beim Verlassen der Box hatte Enge ein „Treffen“ mit einem anderen Auto; Kanaan behauptete sich vor Überraschungsmann Buddy Rice und Alex Barron, zwei heuer bislang erfolglosen Fahrern. Rice mit dem Panoz-Honda war Kanaan dicht auf den Fersen, mußte aber wegen Methanolknappheit in den letzten Runden zurückstecken. Kanaan gewann sein zweites Rennen des Jahres vor Rice und Barron, Tomas Enge wird immerhin noch Fünfter, Dan Wheldon bleibt weiterhin Tabellenführender.
Heuer steht noch ein Straßenrennen in Watkins Glen auf dem Programm, aber zuerst geht es wieder im Kreis herum: Beim Chicagoland Indy 300 am 11. September.
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ChampCar World Series: Molson Indy, Circuit Gilles Villeneuve, Montreal
Frage: Wer war der bislang letzte Österreicher in einem IndyCar bzw. ChampCar? Der Tiroler Norbert Siedler arbeitet ja an einem Einstieg in die Champ Car World Series nächstes Jahr. Vielleicht entzaubert er den französischen Wunderknaben Sebastien Bourdais. Auf der Isle Notre-Dame in Montreal hatte der Mann aus Le Mans im Training alles unter Kontrolle, im Rennen dann nicht mehr.
Die längste Zeit sah es nach einem weiteren Start-Ziel-Sieg für Bourdais aus, das Rennen plätscherte zumindest an der Spitze recht ruhig dahin. Die Hauptdarsteller waren Bourdais und sein Teamkollege bei Newman-Haas, der Spanier Oriol Servia (vor langer Zeit Teamkollege von Philipp Peter in der Indy Lights Series), und die beiden RuSport-Autos von Justin Wilson und AJ Allmendinger. Dahinter bemühte sich Paul Tracy, den Anschluß zu halten. Erst mit dem letzten Boxenstop kam Spannung auf.
Zuerst bringt eine Gelbphase das Ende für Allmendingers Siegchancen: Ricardo Sperafico küßt die Mauer vor der letzten Schikane, es gibt eine „Yellow“, die Boxen werden geschlossen – und Allmendinger fängt sich von einem Wrackteil einen „Patschen“ ein. Er muß einen neuen Reifen ausfassen, wird aber (weil die Box geschlossen war) ans Ende des Feldes zurückversetzt. Tragisch: Eine Runde später werden die Boxen geöffnet. Tracy, mittlerweile Dritter, verhaut diesen Stop völlig und fährt seine eigene Crew nieder, er fällt auf den 13. Platz zurück. Der Deutsche Timo Glock im Rocketsports-Auto hat bereits vor der Gelbphase getoppt, er springt vom zehnten Platz in Führung. Bourdais kommt schlecht weg, er ist nur mehr Fünfter, mit Allmendingers Strafe dann Vierter. Von da an gibt es bis ins Ziel ein packendes Duell der vier Europäer: Glock/Deutschland, Wilson/England, Servia/Spanien, Bourdais/Frankreich. Letzterer spielt im Kampf um den Sieg keine Rolle mehr.
Servia legt sich dafür umso mehr ins Zeug und überholt Wilson. In 95 ChampCar-Starts bis zu diesem Zeitpunkt sieglos, setzt der Spanier den jungen Deutschen unter gewaltigen Druck. Zweimal kürzt Glock notgedrungen in der Schikane vor Start und Ziel ab, beim zweiten Mal entscheidet die Rennleitung: Er muß Servia vorbeilassen. Das ist in der 78. und vorletzten Runde; zu diesem Zeitpunkt hat Glock seinen gesamten „Power to Pass“-Overboost aufgebraucht (75 Sekunden für dieses Rennen), Servia hat noch sechs Sekunden über. Und das genügt: Acht Jahre nach seinem letzten Sieg holt Oriol Servia in Montreal sein erstes ChampCar-Rennen vor Glock und Wilson.
Antwort auf die obige Quizfrage: Hubert Stromberger wurde 1995 (also noch vor der IndyCar-/ChampCar-Scheidung) Sechzehnter in Road America.
Am 24. September ist für die ChampCars „Showtime“ in Las Vegas, beim zweiten und letzten Ovalrennen der diesjährigen Meisterschaft.
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