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Priaulx ist WTCC-Champion 2005!

Mit zwei zweiten Plätzen hinter den Laufsiegern Farfus jr. und Huisman gewann BMW-Pilot Andy Priaulx nach der EM nun auch die Tourenwagen-WM.

Der Guia Circuit ist unbarmherzig: Im Warm Up zum Motorradrennen am Samstag kam es zu einem tödlichen Unfall. Der 45jährige Franzose Bruno Bonhuil zog sich bei einem Sturz in der Curva do Mandarin, an der schnellsten Stelle der Strecke, schwere Verletzungen zu, an denen er trotz sofortiger medizinischer Hilfe im Krankenhaus verstarb.

Die Tourenwagenfahrer haben bei ihren Unfällen für gewöhnlich „nur“ mit einer Menge verbogenem Blech und verletztem Stolz zu rechnen. Es geht um viel, und trotz aller Risiken und Widersprüchlichkeiten eines solchen „alten“ Stadtkurses gibt es wahrscheinlich keinen würdigeren Ort für die Entscheidung einer Weltmeisterschaft als Macao.

Situation vor dem neunzehnten Rennen der Saison 2005: Der Tabellenzweite Andy Priaulx im BMW auf der Pole, um ihn herum die Alfa-Meute: Couto, Farfus und – nein, nicht Gabriele Tarquini. Autodelta hat den Alfa Romeo Nr. 2 zurückgezogen, nach dem Trainingscrash war das Auto irreparabel. Die anderen rücken nach; Priaulx’ Hauptrivale Dirk Müller im Schnitzer-BMW (Meisterschaftsführender mit einem Punkt Vorsprung) somit auf dem fünften Startplatz, Alfa-Hoffnung Giovanardi nur auf P8.

Aufatmen am Ende des Feldes, Crashpilot Ao Chi Hong durfte mangels gezeiteter Runde nicht am Rennen teilnehmen. Jörg Müller, der Sieger des letzten Jahres und F3-GP-Sieger 1993, war der Schnellste im Warm Up. Dahinter Alain Menu im Chevy Lacetti; erstaunlicherweise zum ersten Mal in Macao dabei, findet er sich aber auf Anhieb tadellos zurecht. Jordi Genés Seat León mußte nach einem Ausrutscher per Kran geborgen werden, der Auftakt eines minderprächtigen Renntages.

Nach einem turbulenten Rennen der Formel Renault und einem (schrottfreien!) Thriller um die Entscheidung im asiatischen Porsche Cup war es bei sonnigem Wetter Zeit für die WTCC-Show. Und die ersten Spezialeffekte gab es schneller als erwünscht.

1. Lauf:

Priaulx gelang ein guter Start, aber Couto im ballastfreien Alfa übernahm im „drag race“ in Richtung Lisboa die Führung. Die ersten Zehn kamen klaglos durch die berüchtigte Rechtskurve, aber Jörg Müller wurde angeschoben und fädelte ein. Das Resultat war ein Crash mit Rob Huff und ein Massenstau. Einzig mögliche Entscheidung: Rennabbruch. Für Jörg Müller war das Wochenende damit vorbei. Ebenfalls out: Tom Coronel, der damit seine Chancen auf den Privatier-Titel abschreiben konnte.

Nach einer Safety-Car-Runde gab es den Neustart und eine zusätzliche Rennrunde als Draufgabe. Gleich in Runde 3 segelte der Führende Couto, der ehemalige Doppelsieger im Formel-3- und Tourenwagenrennen, in Anfängermanier ungespitzt in die Lisboa-Reifenstapel. Die Alfa-Taktik war damit vorderhand gescheitert. Priaulx in Führung, aber bewacht von Farfus. Der „Mann fürs Grobe“ im Alfa-Werksteam ging dann ebenfalls im Vollgasstück der Uferpromenade am belgisch-britischen BMW vorbei.

Mit dem Rest des Feldes verlor auch Giovanardi den Anschluß auf seinen Hauptkonkurrenten, Farfus versuchte das Tempo zu drosseln. Dirk Müller war zu diesem Zeitpunkt auf dem vierten Platz. Priaulx ließ Farfus keine Ruhe und attackierte die nächsten Runden von Lisboa über den San Francisco Hill bis hinauf zur Maternity Bend, und sogar auf der Anfahrt zur Melco-Haarnadel. Mittlerweile befaßte Nicola Larini sich eingehend mit Dirk Müller, die Chevirolets spielten überaus gut in der Spitzengruppe mit.

In Runde 8 dieses Rennens beendete Fabrizio Giovanardi die Weltmeisterschaftskampagne der Firma Alfa Romeo mit einem epochalen Einschlag in die Leitschienen in der Curva Dona Maria, Priaulx´ Teamkollege Duncan Huisman war wohl nicht ganz unbeteiligt. Der Italiener versuchte seinen völlig zerfetzten 156er noch zur Box zurückzuschleppen und verteilte dabei großzügig Öl auf der Strecke, aber die 15 Minuten Reparaturpause hätten für den Alfa-Zombie niemals gereicht. Die Entscheidung fiel also zwischen Andy Priaulx und Dirk Müller, den Rivalen der Europameisterschaft 2004.

Letzte Runde: Dirk Müller hatte Nicola Larini im Rückspiegel und suchte seinerseits einen Weg am Seat León von Rickard Rydell vorbei. Wieder wurde es bei Lisboa äußerst eng, aber das Drama passierte erst auf der Zielgeraden: Während Farfus sich vor Priaulx und Rydell seinen ersten Macao-Sieg holte, kam Müller in langsamer Fahrt durch die Curva dos Pescadores, etliche Autos zogen an ihm vorbei.

„Vielleicht kommt Nicola zu mir und entschuldigt sich“, meinte Müller später. Larini touchierte Müller im Überholverbot der Melco-Haarnadel, das zog die Aufhängung des BMW in Mitleidenschaft - Good News für Priaulx. In der Privatier-Wertung fixierte Marc Hennerici mittlerweile für das Team Wiechers-Sport nach dem Ausfall von Tom Coronel endgültig den Titel, einen Pokal hatte BMW damit fix in der Tasche. Proteam-Fahrer Stefano d’Aste war der siegreiche Independent des Laufes.

Auch in der Fahrer-WM würde ein BMW-Pilot gewinnen, aber welcher? Dirk Müllers Mechaniker vom Schnitzer-Team stellten den 320er wieder auf die Räder, aber Müller mußte jetzt vom zehnten Startplatz auf P1 oder P2 und auf Pech von Priaulx hoffen. Alles Routine dagegen bei Priaulx und der Mannschaft von Bart Mampaey, dem Briten genügte jedenfalls ein siebenter Platz zum Meistertitel.

2. Lauf:

Seat-Fahrer Peter Terting und Alfisto James Thompson bildeten die erste Reihe fürs den letzten Lauf des Jahres, dahinter stellten sich Duncan Huisman im zweiten Mampaey-Auto und Alain Menu im Chevrolet Lacetti auf. Mit Menu und Larini, unter Beobachtung wegen der Aktion gegen Dirk Müller, waren zwei Chevy in den Top 8.

Huisman und Thompson stürmten vorneweg, Priaulx kam an Larini vorbei und hatte den Schreck des Rennens wieder in der bewußten heiklen Rechtskurve, als Menu sich an ihm vorbeischwindelte und an den gemarterten Lisboa-Reifenstapeln entlangschrammte. In Runde 2 tat er dies nochmals, Chevrolet und das Team von Ray Mallock wollten ohne Zaudern endlich ihren überfälligen Podiumsplatz holen. Auch Privatier d’Aste verabschiedete sich von der Weltmeisterschaft 2005 in der Lisboa Bend, Rydell faßte eine „Drive Through“-Strafe wegen Frühstarts aus, und Dirk Müller war Siebenter.

Eine Runde später war er weg. Tatort, natürlich: Lisboa. Auf dem großflächig aufgebrachten Ölbindezement rutschte der Schnitzer-BMW ungespitzt in die Barriere. Die Weltmeisterschaft war damit entschieden. Es ging also nur mehr um den Sieg im Rennen, darum bemühten sich Menu und Larini noch sehr, Larini hatte seinerseits Peter Terting im Seat abzuwehren.

In Runde 6 war de facto das sportliche Ende der Veranstaltung gekommen. Nach einem Crash blockierten vier Fahrzeuge die Curva dos Pescadores, erst die letzten zwei Runden (eine Runde wurde von der Rennleitung draufgelegt) war die Strecke wieder frei. Priaulx lancierte auf der Start-/Zielgeraden eine letzte Attacke gegen Huisman, gleich wieder abgebremst durch eine lokale Gelbphase: Lisboa forderte mit Nicola Larini ihr letztes Opfer. Gaststarter Huisman war somit der letzte Laufsieger des Jahres 2005, dahinter überquerte Andy Priaulx, der letzte Tourenwagen-Europameister, als neuer Tourenwagen-Weltmeister die Linie.

Veteran Alain Menu aus der Schweiz verhalf der Marke Chevrolet – vorderhand – zum ersten Stockerlplatz. Ende der Meisterschaft, Erleichterung rundum: Menu duschte BMW-Sportchef Dr. Theissen bei der Siegerehrung gleich einmal ordentlich mit Champagner ab; mit einem BMW-Werksvertrag wird es auf die Art natürlich nix.

Bitterer Nachgeschmack: Menu wurde wegen Unterschreitung der vorgeschriebenen Restmenge Treibstoff (im Tank jedes Fahrzeuges müssen nach dem Rennen drei Liter Sprit für Proben übrig sein) ausgeschlossen, damit wird das letzte Alfa-Aufgebot Farfus jr. noch Dritter.

Fabrizio Giovanardi verweigerte lächelnd die Aussage zu seinem möglichen Deal mit Vauxhall für die Britische Tourenwagen-Meisterschaft 2006. Dirk Müller bemühte sich um eine fröhliche Miene, die Enttäuschung über den zweiten knapp verpaßten Titel nach 2004 war ihm trotzdem anzusehen. Für Priaulx gab es Gratulationen von allen Seiten, auch von Alex Zanardi, von Champ zu Champ.

Zanardis heutiger Teamchef Roberto Ravaglia war 1987 der erste und bislang letzte Tourenwagen-Weltmeister, damals ebenfalls für BMW. Die Bayerische Motoren Werke räumten groß ab: Fahrer-, Marken- und Privatier-Titel gehen nach München. Und Guernsey, eine kleine Insel im Ärmelkanal, hat ab sofort ihren eigenen Weltmeister.

Stimmen zum Rennen

Andy Priaulx, Tourenwagen-Weltmeister 2005:

“Es ist wirklich ein seltsames Gefühl momentan: Macau ist so etwas Besonderes. Hier auf der Pole zu stehen hat mir viel bedeutet, aber damit waren nur 10% der Arbeit getan. Nach dem Ende von Lauf 1, als ich hörte daß Dirk Zehnter war und Giovanardi nicht im Ziel, sah es für mich gut aus, aber der Druck war noch immer da. Es war toll, als ich während des Rennens hörte, daß ich der Weltmeister bin. Dieses Jahr war härter als das vorige, es ist wirklich eine schwierige Saison gewesen aber ich habe mich immer nur ans Endresultat konzentriert. Mein Eindruck ist, daß wir dann schnell waren, wenn es wichtig war, und das war der Schlüssel zum Erfolg.“

BMW-Sportchef Dr. Mario Theissen

„Bis jetzt hat es nur zwei Tourenwagen-Weltmeister, und ich bin sehr glücklich daß beide BMW-Fahrer waren und daß Andy einer von ihnen ist. Als Andy letztes Jahr die Europameisterschaft gewonnen hat, haben wir ihm einen Test in einem Formel-1-Auto geschenkt; jetzt müssen wir, glaube ich, eine ganze Serie für ihn erfinden weil man das nicht überbieten kann.“

Augusto Farefus jr., Sieger Lauf 1:

“Es freut mich wirklich, meinen ersten Sieg geschafft zu haben. Ich war zum ersten Mal hier, und bevor wir hierhergekommen sind haben alle anderen Fahrer gesagt: wart nur, wie schwierig es dort ist. Ich glaube schon, daß es die schwierigste Strecke in der Meisterschaft ist, aber ich habe sie schnell gelernt und meine Arbeit gemacht. Ich habe dieses Wochenende viel Spaß gehabt.“

Duncan Huisman, Sieger Lauf 2:

„Es freut mich, wieder in Macau zu sein. Daß ich keinen Ballast im Auto gehabt habe, war, sagen wir, kein Nachteil. Ich glaube ich habe auch ein bißchen Pech gehabt: im Qualifying war es wegen der roten Flaggen sehr schwierig, eine freie Runde zu erwischen, und im ersten Rennen habe ich Giovanardi bei seinem Crash getroffen. Es war ein Glück, daß ich ins Ziel gekommen bin, und dann gleich in einer Position, die mir die Chance auf den Sieg in Lauf 2 gegeben hat.“

Resultat Lauf 1 | Resultat Lauf 2
Endstand Fahrerwertung | Endstand Markenwertung | Endstand Independents

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