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B wie bauen, S wie Sparen - A wie Augenauswischerei

Das "kleine private" Spyker-Team baut eine B-Version und beglückt Stardesigner Gascoyne mit einem neuen Windkanal - die Moral von der Geschicht': auch die "Kleinen" sparen nicht.

Michael Noir Trawniczek, noir@motorline.cc

Liebe motorline.cc-Freunde/innen,

das "kleine private" Spyker-Team hat es derzeit gar nicht leicht - man arbeitet in zwei Windkanälen, einer steht in Italien, der andere in England, allerdings ist man dort nur ein zahlender Kunde - doch machen Sie sich bitte keine allzu großen Sorgen um den kleinen Rennstall: bald schon hat das Elend ein Ende.

Bald schon kommt ein eigener, brandneuer Windtunnel - dieser werde dann "24 Stunden am Tag und 7 Tage die Woche" in Betrieb gehalten, kündigte Spyker-Technikdirektor Mike Gascoyne an.

Und weil das "kleine private" Spyker-Team ein Auto gebaut hat, dass trotz Ferrari-Motor nur für die letzte Startreihe gut genug ist, wird das "Privatteam" bald schon ein neues Auto einsetzen, eine so genannte B-Version.

Denn Gascoyne konnte beim aktuellen Boliden noch nicht so recht Einfluss nehmen und schließlich ist der britische Stardesigner nicht billig und die Investition soll sich ja auch auszahlen und daher führt kein Weg an dieser B-Version vorbei. Bis dieser Wagen einsatzbereit ist, werden die Windkanäle noch ein paar Aerodynamik-Updates für den aktuellen Boliden ausspucken.

Wie kann sich dieses "kleine private" Spyker-Team all das leisten? Wo sich doch die Sportbehörde FIA extra wegen der armen Privatiers immer wieder neue und oft den Sport entstellende Sparmaßnahmen ausdenkt? (und dann leider trotzdem der eine oder andere oder auch der letzte private Motorenbauer Cosworth die F1 verlässt). Oder die Piloten auf viele Fahrkilometer verzichten, weil die F1-Teams bei den Testfahrten in der laufenden Saison nur mehr ein Auto pro Tag einsetzen dürfen, weil damit ja sicher Millionen eingespart werden.

Das "kleine private" Spyker-Team jedenfalls kann sich den beschriebenen Luxus deshalb leisten, weil die Firma Spyker exklusive und teure Luxus-Sportwägen herstellt und dabei sehr erfolgreich ist. Die Firma Spyker Cars N. V. verlautbarte im März stolz, dass man 2006 den Jahresumsatz von 8 auf satte 36 Millionen Euro erhöhen konnte. Außerdem konnte man für das F1-Team die Airline der United Arab Emirates, "Etihad Airways" als Sponsor an Bord holen.

Und wer weiß? Vielleicht wird Spyker dem geliebten Stardesigner bald schon den nächsten Wunsch erfüllen? Gascoyne konnte zumindest seinen letzten Arbeitgeber Toyota davon überzeugen, dass ein eigener Windkanal alleine längst nicht mehr ausreicht. Ich kann mich noch gut an den Gesichtsaudruck des Ausnahmetechnikers erinnern, als er Anfang 2006 bei Testfahrten in Montmelo bei einer Journalistentischrunde in der Toyota-Hospitality von dem neuen, dem zweiten eigenen Tunnel erzählte und er geradezu ins Schwärmen geriet und triumphierend berichtete, dass dann also zweimal drei Schichten pro Tag gefahren werden, natürlich 7 Tage die Woche, versteht sich von selbst...

Herr Gascoyne wirkte ein bisschen wie ein "Dagobert Duck der Aerodynamik" - ganz so, als ob noch nie jemand in diesem F1-Zirkus von der Notwendigkeit von Sparmaßnahmen gesprochen hätte. Sparmaßnahmen? Da zuckt Herr Gascoyne, der sich in den Toyota-Zeiten jedes Wochenende per Hubschrauber von Köln in die britische Heimat fliegen ließ, mit den Schultern, nimmt noch einen Schluck aus der Bierdose und lächelt milde.

Wer weiß? Weil ab 2008 Standard-Elektronik eingesetzt werden muss, wird da wohl ein Budgetposten frei - vielleicht gelingt es Mike Gascoyne, einen dritten Windkanal durchzusetzen. Das wären dann nämlich unvorstellbare dreimal drei Schichten pro Tag, 7 Tage die Woche. Wahnsinn!

Übrigens habe ich Gascoyne damals gefragt, welche Folgen es hätte, würde man die Aerodynamik auf ein oder zwei Updates pro Saison reduzieren. Er sagte lapidar: "Dann würden die Windtunnels erst recht heiß laufen - denn wenn ich nur noch einmal im Jahr einen Update machen darf, muss ich sicher gehen, dass ich bei diesem Update die effizienteste Lösung zur Anwendung bringe."

Daher traue ich mich Ihnen gegenüber versichern: Was immer Sie auch im großen weiten Medienwald lesen mögen, eines ist sicher: In der Formel 1 wird nicht gespart. Das Geld wird trotzdem ausgegeben, es wird dorthin verlagert, wo man den nächstbesten Vorteil herausholen kann. Restriktive Regeln, die im Sinne des Spargedankens von der FIA erschaffen wurden, werden umgehend umschifft - wenn nötig mit sauteuren Methoden.

Und aus diesem Grund ist es umso ärgerlicher, wenn beispielsweise ein Testpilot wie Christian Klien wegen einer Sparmaßnahme wie der Ein-Auto-Regel in diesem Jahr viel weniger zum Fahren kommt - weil diese ganze Sparerei in Wahrheit nichts anderes ist als die reinste Augenauswischerei.

Daher sollte man entweder diesem ganzen Sparwahnsinn mit seinen komplizierten Einfrierungs- und Haltbarkeitsparagraphen ein Ende bereiten oder aber sich Gedanken über ein wirkliches Sparmodell machen.

Der frühere Formel 1-Pilot Andrea de Cesaris hat mir vor ein paar Jahren (ja, schon jahrelang wird die F1 jährlich mit neuen Sparefrohregeln beglückt) in einem Interview seine Idee geschildert, die zunächst abgehoben klang: "Limitiere die F1-Teams auf eine gewisse Anzahl von Angestellten und führe ein Budgetlimit ein." Doch gar so irreal ist diese Version eigentlich nicht. Will man wirklich sparen und zudem einen fairen Wettkampf, auch was die Entwicklung betrifft, wäre das wahrscheinlich eine zwar auch nicht leicht umsetzbare/kontrollierbare aber wenigstens sinnvolle Variante,

findet Ihr
Michael Noir Trawniczek

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