Formel 1: News | 27.11.2007
Zauberwort KERS
Während das Motorenreglement an sich für zehn Jahre eingefroren wird, soll die Energierückgewinnung schon bald in den F1-Sport einziehen.
Eigentlich sollte man meinen, dass in der Königsklasse des Motorsports die Motoren der am meisten weiterentwickelte Bereich sind, doch dem ist keineswegs so - im Gegenteil: Die FIA hat beschlossen, die Motorenhomologierung auf die nächste Stufe anzuheben und die Entwicklung für die nächsten zehn Jahre einzufrieren.
Hintergedanke dieses Beschlusses ist es einerseits, die Kosten weiter einzudämmen, gleichzeitig aber auch die in der Formel 1 engagierten Automobilhersteller dazu zu bewegen, ihre Prioritäten zu verschieben. Künftig sollen BMW, Mercedes und Co. nämlich nicht mehr ganze Arbeitsgruppen dafür abstellen, die Einlasspumpe zu modifizieren, sondern sie werden dazu ermutigt, ihre Ressourcen für die Entwicklung neuer Technologien zu bündeln, die auch für die Straßenproduktion relevant sind.
Das Zauberwort heißt in diesem Zusammenhang KERS: Kinetic Energy Recovery System (zu Deutsch: System zur Rückgewinnung von kinetischer Energie). Bei KERS handelt es sich im Wesentlichen um ein Konzept zur Rückgewinnung von Energie, die ansonsten nicht mehr genutzt werden würde - etwa die Abwärme der Bremsen oder des Auspuffsystems. Diese Energie wird durch KERS umgewandelt und gespeichert und kann vom Cockpit aus abgerufen werden.
Dies sieht im Motorsport so aus, dass der Fahrer via Knopfdruck für einen kurzen Zeitraum mehr Leistung freisetzen kann, indem die KERS-Batterie geleert wird. Anschließend wird sie beim nächsten Bremsvorgang wieder aufgeladen. In der Serienproduktion macht indes eine stufenlose Abgabe der KERS-Energie mehr Sinn, weil so der Verbrauch gesenkt werden kann. Eine kurzfristig erhöhte Leistung spielt auf der Straße ja keine Rolle.
"In fünf Jahren oder so..."
"Die Autohersteller", erklärt FIA-Berater Tony Purnell, "arbeiten bereits daran, emissionsarme Motoren zu entwickeln, aber dazu können die Entwicklungsprogramme in der Formel 1 wenig beitragen. In fünf Jahren oder so wird sich die Aufmerksamkeit daher mehr auf Systeme wie die Energierückgewinnung richten. Durch das Öffnen dieses Bereichs kann die Formel 1 in Bezug auf diese wichtige Facette der Autotechnologie einen echten Unterschied machen."
Die zehnjährige Homologierungsphase sei also ein richtiger Schritt gewesen, schließlich haben die Automobilhersteller nun viele Mitarbeiter, die an akutem Beschäftigungsmangel leiden: "Einige Hersteller hatten Projektgruppen, in denen viel Geld für die Weiterentwicklung von Wasserpumpen, Auspuffrohren, Einlasskrümmern und anderen Dingen, die man verändern durfte, ausgegeben wurde", so Purnell. Logische Konsequenz: Die Homologierung muss weiter forciert werden.
Offenes Reglement in punkto KERS
"KERS ist etwas, was das Publikum relativ einfach verstehen kann", gibt Purnell zu Protokoll. "Die technische Herausforderung ist gigantisch und es wird diesbezüglich nur sehr geringfügige Auflagen geben. Das ist ein großer Unterschied zu den gegenwärtigen Motoren- oder Chassisregeln, die mit massiven Auflagen verbunden sind. Dieses Projekt wird mit der freieste Entwicklungsbereich sein, den die Formel 1 in den vergangenen 15 Jahren gesehen hat."
Purnell betont ferner, dass "30 Prozent der verfügbaren Energie direkt aus dem Auspuff" strömen, also sei das Potenzial für Energierückgewinnung enorm. Zwar wäre es wohl noch einfacher, KERS mit speziell darauf abgestimmten Motoren noch effizienter zu nutzen, doch eine solche Weiterentwicklung sei nicht zwingend notwendig. Vielmehr müsse man versuchen, die KERS-Entwicklung selbst voranzutreiben, wofür man viele neue Firmen gewinnen möchte.
Folgen auf die Worte auch Taten?
KERS steht damit im Mittelpunkt der ökologischen Revolution der Formel 1, denn die Königsklasse des Motorsports zeigt sich momentan sehr darum bemüht, die weltweiten Klimaschutzbemühungen zu beherzigen. Offensichtlichstes Beispiel dafür ist die Earth-Car-Lackierung des Honda-Teams, für das der Rennstall mit dem Umweltpreis der Vereinten Nationen belohnt wurde. Auch sonst wird "grün" immer mehr zu einem Schlagwort für Max Mosley und Co.
Allerdings fielen aus dieser Richtung schon öfter solche "grünen" Schlagworte - in der Praxis hat die FIA bislang wenig bis gar nichts in diese Richtung fertig gebracht, zumindest nicht im Motorsport. Ein Beispiel: Immer noch ist es eher eine Belastung, mit einem Erdgasantrieb in der Rallye-ÖM anzutreten - ein Grund dafür sind auch die internationalen Regeln der FIA...