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Andy Soucek im motorline.cc-Exklusivinterview

Der in Spanien lebende Österreicher Andy Soucek steht vor seinem ersten Jahr in der GP2-Serie. Und das wird beinhart, erzählt er im motorline.cc-Gespräch.

Michael Noir Trawniczek

Im sonnigen Spanien sitzt Andy Soucek an seinem Schreibtisch, brütet über den Ergebnislisten der jüngsten GP2-Testfahrten. "Ich erstelle für mein Team eine Analyse", verrät der Austro-Spanier. Der 21-jährige seufzt: "Ich bin ziemlich enttäuscht, ich habe wirklich mehr erwartet." Der Hintergrund: Während Landsmann Andreas Zuber die Bestzeit in den Asphalt z(a)uberte, musste sich Soucek mit einem 16. Platz begnügen - für einen, der im Vorjahr zu den Titelaspiranten zählte (in der von den Autos her nicht unähnlichen World Series by Renault), ist das besonders hart.

Dass sich Andy Soucek in seinem Debütjahr in der "kleinen Formel 1" wohl mit kleineren Brötchen begnügen muss, hat verschiedene Gründe. Sein Team, DPR, zählt nicht gerade zu den Spitzenkräften der Serie. "Andi Zuber fährt bei isport International, einem absoluten Topteam", weiß Soucek. Hinzu kommt: die vorjährigen Piloten konnten kein optimales Setup für den Boliden finden, zudem ist deren Fahrstil nicht mit jenem von Soucek vergleichbar. Und auch der zweite DPR-Pilot, Christian Bakkerud, weist keine hilfreichen Ähnlichkeiten auf - so ist Soucek in Sachen Fahrzeugabstimmung auf sich alleine gestellt.

Das Problem dabei: "In der GP2 kommst du im Vergleich zur World Series sehr wenig zum Fahren. Wenn ich da an das Vorjahr zurückdenke - an den Donnerstagen konnten wir vier Stunden trainieren - ein Traum", sehnt sich der in Spanien geborene Österreicher an vergangene, unbeschwerte Tage zurück. In der World Series war Soucek recht schnell bei der Musik dabei. Auch in der GP2 war Soucek, bei Testfahrten im Herbst, auf Anhieb schnell unterwegs, führte den ganzen Tag lang die Zeitenliste an und rutschte erst als der Test um 15 Minuten verlängert wurde auf Rang vier ab - allerdings saß er da im Boliden des Topteams ART Grand Prix. Als Serien-Greenhorn war es jedoch unmöglich, in einem der Spitzenteams unterzukommen. Andy Soucek muss froh sein, ein Cockpit in der GP2-Serie erhalten zu haben.

"Du musst in der GP2 mit einem Minimum an Zeit alles aus dem Auto herausholen. Zudem sind die Einheitsreifen ehrlich gesagt ein Witz - sie bauen nach zwei Runden ab. Du kannst also nur zwei Runden optimal fahren - danach weißt du nie, ob es an den Reifen liegt oder ob du am Setup Änderungen vornehmen musst", sagt Soucek offen.

Die Veranstalter wollen in der GP2 möglichst viel Action sehen - die kurzlebigen Reifen und auch ein instabiles Heck des Einheitsboliden nimmt man offensichtlich ganz bewusst in Kauf. Ein krasser Widerspruch zur Formel 1 - wo die Elektronik fahrerische Unregelmäßigkeiten korrigiert.

"Die GP2 ist mehr oder weniger eine Showserie, der Timetable an den Grand Prix-Wochenenden ist dicht gedrängt - wenn du ein Problem hast, verlierst du unweigerlich Zeit. Vier Zehntelsekunden können bedeuten, dass du nicht auf Rang acht, sondern eben auf Rang 16 liegst", berichtet Soucek.

"Die Aerodynamik ist unbefriedigend - das Heck ist instabil, du musst bei diesen Autos höllisch aufpassen", beschreibt der 21-jährige. Dass die herumrutschenden Boliden auch eine Gefahr für die Piloten darstellen, bestätigt Soucek indirekt: "Da kracht es oft. Und oft auch deshalb, weil den Piloten einfach die Erfahrung fehlt, weil sie sich in ihren Autos nicht wirklich wohl fühlen, weil sie eben in Wahrheit mehr Trainingsrunden benötigen würden."

Je höher nach oben, desto weniger Training

Die Problematik, die Soucek offen anspricht: Da schafft es ein junger Fahrer, sich von einer Serie in die nächste empor zu hanteln, doch je weiter er nach oben gelangt, desto weniger kommt er zum Fahren. Währenddessen jedoch werden die Autos mit jeder Serie immer stärker und schneller. Absurd: da werden Milliarden in die Technik, die Entwicklung investiert - aber bei der Rundenanzahl geizt man, als würde jede "unnötig" gefahrene Runde den Bankrot der Investoren zur Folge haben.

Andy Soucek fürchtet, seinen Sponsoren in seinem GP2-Lehrjahr nicht jene Ergebnisse liefern zu können, die "man einfach gut verkaufen kann - denn über einen 16. Platz schreibt niemand etwas". Zudem sind seine Geldgeber die Topresultate aus den Vorjahren gewöhnt.

"In der GP2 hast du auch ehemalige oder auch aktuelle Formel 1-Piloten dabei, die bereits ausreichend Erfahrungen gesammelt haben", erklärt Soucek. "Weil du als Rookie so wenig Fahrpraxis erlangen kannst, sind jene Fahrer klar im Vorteil, die entweder schon Formel 1-Errfahrung gesammelt haben oder bereits im Vorjahr in der GP2 gefahren sind - und wenn ich mir die Zeitenliste der letzten Testfahrten ansehe, dann sind das insgesamt 13 von 26 Piloten - wie soll man da also auf das Podest fahren?", fragt Soucek.

Hoffnungträger Andi Zuber

Der in Spanien geborene und aufgewachsene Österreicher weiß ganz genau, dass die Luft an der Spitze des Motorsports dünn ist und man ein mühsam erarbeitetes Cockpit schnell wieder verlieren kann. Landsmann Zuber stellt so etwas wie einen Hoffnungsträger für Soucek dar - in eigener Sache: "Der Andi hatte im Vorjahr, in seinem ersten GP2-Jahr auch seine Probleme und er hat auch eine Zeit lang gebraucht, bis er dann bessere Resultate einfahren konnte. Jetzt sitzt er in einem Spitzenteam und gilt als einer der Titelkandidaten." Zuber konnte im Sommer das lang ersehnte Topresultat einfahren, holte in der Türkei den Sieg im Sprint.

Der Teufelskreis besteht darin, dass man erst dann vorne mitfahren kann, wenn man mit dem Material vertraut ist. So lange man nicht vorne mitfährt, erhält man jedoch in den meisten Fällen kein Topmaterial. Obwohl es sich bei der GP2 um Einheitsboliden handelt, gibt es große Unterschiede - es sind die Ingenieure, die den Unterschied ausmachen - und natürlich auch das Budget. Andy Soucek weiß, dass er durch diese harte Schule muss. Er muss sich damit anfreunden, dass die im Vorjahr selbstverständlichen Top-Platzierungen in diesem Jahr, wenn überhaupt, nur durch harte Arbeit erzielt werden können.

Es bleibt aber die Hoffnung, dass einer der GP2- oder F1-Teamchefs dennoch das Talent des Austro-Spaniers erkennt. Soucek: "Die wissen, worauf sie achten müssen, nicht immer ist nur das Ergebnis wichtig. Es geht auch darum, wie ein Pilot eine schwierige Situation meistert."

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