MOTORSPORT

  • Motorline auf Facebook
  • Motorline auf Twitter
Tests auf dem Hungaroring

„Der heutige Motorsport ist wie ein bewaffneter Raubüberfall“

Walter Grubmüller senior spricht über die Karriere seines Sohnes – der Motorsport sei viel zu teuer geworden, Testverbote seien mitunter gefährlich…

Michael Noir Trawniczek & Sven Haidinger
Fotos: Daniel Fessl

Walter Grubmüller senior hat den Hungaroring exklusiv gemietet. Sein Sohn Walter Grubmüller junior wurde mit dem eigenen HiTech Racing Team heuer Vizemeister in der britischen Formel 3, der 20-jährige testet zum ersten Mal einen Boliden der World Series by Renault, wo Grubmüller im kommenden Jahr fahren wird.

Vorerst ist es ein angemietetes Fahrzeug – denn das neue Team P1, welches Grubmüller senior ebenso gekauft hat wie das Formel 3-Team, in dem sein Sohn fuhr, musste nach einem Großbrand in der Werkshalle bei Null wieder beginnen. Im Jahr 2008 wurde P1 mit Giedo van der Garde Meister in der World Series.

Noch im Oktober bestreitet Walter Grubmüller wohl sein letztes Formel 3-Rennen – im Rahmen des Formel 1-Grand Prix von Brasilien in Interlagos.

Im Gespräch mit motorline.cc spricht Walter Grubmüller senior über die weitere Karriere seines Sohnes, über die schlechten Entwicklungen im Motorsport. Kurz vor dem Gespräch wurde ein rigoroses Testverbot in der World Series publik, sodass der Vater nicht mehr ausschließen konnte, im kommenden Jahr eventuell doch in einer anderen Rennserie anzutreten.

Nächstes Jahr soll Walter in die World Series by Renault wechseln – doch das ist jetzt nicht mehr hundertprozentig sicher, weil es zu wenige Tests geben wird?

Ja, da gab es eine Ausschreibung - ich weiß nicht, wem das eingefallen ist – dort stand, dass man auf den Rennstrecken, auf welchen die World Series Rennen abhält, mit überhaupt keinem Auto testen darf. Nicht einmal mit einem Straßenauto. Das ist ein Unsinn – und wir bekämpfen das zurzeit. Sollte die Stimmung ein bisschen relaxter werden, dann fahren wir 2010 in der World Series. Das ist glaube ich für uns die beste Alternative.

Welche Alternative würde es sonst zur World Series geben?

GP2, möglicherweise.

In welcher Form würde das dann passieren? Mit einem eigenen Team?

Da sind alle Möglichkeiten offen, es bieten sich auch GP2-Teams an…

Da haben einige finanzielle Probleme…

Ja, da haben einige finanzielle Probleme. Aber es ist in dieser Woche ein GP2-Test in Jerez absolviert worden, den haben wir also bereits ausgelassen. Das wäre also eine schlechte Alternative, weil wir diesen Test bereits versäumt haben.

Aber wir würden versuchen das aufzuholen und mit ähnlichen Autos irgendwo zu testen, bis zum ersten Rennen. Und es gibt ja auch die GP2 Asia – das sind vier Rennen, die könnten wir dann auch fahren. Aber das ist nicht unser Ziel – unser Ziel heißt World Series by Renault.

Wäre es sinnvoll, GP2 Asia und World Series zu kombinieren?

Ja, das wäre eine Möglichkeit. Das haben wir uns auch überlegt und wir erhielten auch schon Angebote. Aber das sind Rennen mit sehr vielen jungen Piloten, wo es in den freien Trainings rote Flaggen gibt. Da lernst du möglicherweise nicht so viel wie wir es machen wollen, dass wir eben die Bahnen mieten. Exklusiv, so wie heute. Da gehe ich hin, bin dort zwei Tage und kann mein Programm abspulen, ohne einen Störfaktor durch irgendwelche anderen Fahrer.

Es ist ganz allgemein ein Problem der jungen Fahrer, dass sie weniger testen können, oder?

Das ist eine Budgetfrage. Der Motorsport hat sich in den letzten Jahren sehr zum Negativen entwickelt. Es ist so teuer geworden, dass es sich wirklich nur noch wenige leisten können. Die Bahnmieten sind extrem teuer….

Ein Schwimmer muss fünf Tage in der Woche im Becken sein, ein Radfahrer sitzt jeden Tag auf dem Rad und ein Leichtathlet geht jeden Tag laufen oder was auch immer – nur im Motorsport gibt es Testverbote und man darf ja nichts unternehmen, damit man schneller wird.

Was ja auch zu einer Sicherheitsfrage werden kann.

Natürlich. Da werden Fahrer in Serien gesteckt – ich will da keine Namen nennen – aber die haben nicht getestet und wenn sie zu einem Test kommen, ist die halbe Zeit die rote Flagge draußen. Das könnte man verhindern, wenn man die Fahrer langsam dort hin führt.

Ist das Testen wirklich so teuer im Vergleich zu anderen Dingen, sodass man es derart beschneiden muss?

Das Testen ist natürlich teuer. So wie sie es in der Formel 3 machen, was ja wirklich abartig ist: Dass man mit einem Zweilitermotor fährt, der ohne weiteres 300 PS bringen könnte. Dem gibt man einen Air-Restriktor, sodass er gedrosselt wird auf 210 PS – doch auf der anderen Seite tunt man diesen Motor derart ans Limit, sodass der bei einmal Überdrehen kaputt ist. Das kostet ein Mördergeld.

Warum macht man das so?

Ich weiß es nicht, ich bin kein Psychiater. Ich glaube, die Leute, die solche Entscheidungen treffen, denken nicht nach. Wir fahren in Brasilien im Rahmenprogramm der Formel 1 – dort fahren wir mit einem Motor, der kostet 25.000 Dollar und hat 260 PS. Wir haben heuer 100.000 Dollar Miete für einen Motor bezahlt, der hat 210 PS und hält maximal 4.500 Kilometer. Man will mit dem Restriktor mehr Sicherheit schaffen, doch zugleich wird aufgetunt, sodass der Motor nichts mehr aushält. Und deshalb haben wir auch so wenige Piloten – weil das einfach viel zu teuer geworden ist.

Was hat eigentlich bei eurer Entscheidung für die World Series und gegen die GP2 gesprochen?

In der GP2 gibt es an einem Rennwochenende eine halbe Stunde freies Training, dann kommt das Qualifying und dann das Rennen. In der World Series hat du zweieinhalb Stunden freies Training und zwei Qualifyings zu je dreißig Minuten.

Die Formel 2 war keine Alternative?

Nein, wirklich nicht. Ich habe mich nicht extrem mit der Formel 2 befasst, aber sie liegt mit der Kurvengeschwindigkeit unter der Formel 3. Sie ist zwar günstiger – aber die Fahrer kommen sehr wenig zum Fahren. Man ist mit dem Auto erst spät fertig geworden. Nächstes Jahr wird die F2 etwas besser sein, weil das Auto ausgereifter ist – vom Budget her hat das sicher Zukunft.

Wie viel die Fahrer dort lernen, wenn sie immer mit einem anderen Ingenieur zusammenarbeiten, sei dahin gestellt. Oder wenn sie wenige Kilometer zusammenkriegen, weil die Autos unzuverlässig sind – was sich aber auch bessern wird. Heuer war das für uns keine Alternative, weil es eine neue Serie war – und im ersten Jahr hat jede Serie Probleme. Das ist auch eine Sicherheitsfrage – es gab ja auch einen schlimmen Unfall, was ja bekannt ist – das ist gerichtsanhängig, ich nehme an, dass sie daraus gelernt haben.

Dass es keine Teams gibt, ist schon ein Vorteil – denn damit ist es nicht so teuer. Vielleicht ist die Formel 2 aus diesem Grund ja doch die Serie der Zukunft, man wird es sehen. Denn man kann auch alles zu Tode sparen.

Die GP2 fährt meist im Rahmenprogramm der Formel 1 – die World Series fährt alleine?

Ja, die fährt alleine, das wird von Renault veranstaltet, sie haben im Durchschnitt 100.000 Zuschauer pro Rennen. Die Serie ist erprobt, das Auto gibt es schon eine Zeit lang, die machen keine großen technischen Sprünge. Das ist eine ausgereifte Serie.

Welches Ziel setzt ihr euch für den Fall, dass ihr in der World Series fährt?

Ich glaube schon, dass wir in Podiumsnähe fahren können, in der vorderen Hälfte sollte Walter schon sein. Wir werden alles dafür machen und viel testen.

Dass man noch mal die britische Formel 3 fährt und den Titel erringt, war keine Option?

Nein, nicht unbedingt. Wir sind drei Jahre gefahren und wir sind Zweiter geworden. Das Risiko, dass wieder ein anderes Team besser ist, das ist immer vorhanden.

Warum war das andere Team besser?

Naja, der Carlin gewinnt fast jedes Jahr. Er verfügt über eine riesengroße Erfahrung, wir sind neu dazu gestoßen und wir waren die einzigen, die ihn gefordert haben. Ohne uns hätte er gemeinsam mit Volkswagen die Plätze ein bis drei in der englischen Meisterschaft geholt. Das ist ein extrem gutes Team, das in allen Klassen gewinnt.

Was macht er anders als die anderen?

Aerodynamik, Fahrzeug-Setup – die können das Auto binnen kürzester Zeit abstimmen. Wenn man zu so einem Rennen hinkommt – man kennt das Wetter nicht, man kennt den Grip-Level nicht. Die reagieren einfach schneller.

Arbeiten die auch mit einem Seven Post Rig?

Ja, das haben wir natürlich auch getan.

Also eine ziemliche Rüstungspartie eigentlich, oder?

Ja, logisch, Carlin hat einen eigenen Windkanal. Wir haben uns bei Brawn GP eingemietet. Vorher an der Universität in Southampton. Also wir arbeiten auch so – aber Carlin war ganz einfach besser.

Ganz allgemein ist die ‚Rüstung’ weniger schlimm als in der Formel 1, weil nur Originalteile verwendet werden. Wir hoffen, dass es in der World Series by Renault einfacher wird – obwohl: Das Setup musst du überall erstellen.

Wie viel ist durch diesen Brand jetzt tatsächlich vernichtet worden?

Alles.

Die Datenaufzeichnungen auch?

Ja, aber die sind nicht weg, weil Renault nach jedem Rennen die Daten absaugt. Die Daten erhalten wir – der Rest ist in den Köpfen der Ingenieure, die werden das sicher schaffen.

Was die Fans natürlich ganz besonders interessiert: Ist Walter Grubmüller der nächste Österreicher in der Formel 1?

Es gibt natürlich einige Österreicher, die in verschiedenen Formeln sind und in die Formel 1 wollen – natürlich hofft man, dass er es ist. Nur: Ob es überhaupt einer wird, ist die Frage. Wir sind als Österreicher mit Red Bull Racing und Toro Rosso sehr gut in der Formel 1 aufgestellt – jetzt werden wir sehen, wer der nächste Fahrer ist. Wir werden dran arbeiten. Und wir werden nichts unversucht lassen.

Wäre jetzt, angesichts von so vielen neuen Formel 1-Teams, nicht die beste Gelegenheit, in die Formel 1 aufzusteigen?

Wir hatten Angebote aus dieser Richtung, aber das waren eher Angriffe auf mein Bankkonto. Es wäre meiner Meinung nach zu früh – der Jaime Alguersuari ist schon mit uns im Gokart-Team gefahren, er ist ein Freund von uns – und er war im Vorjahr Meister in der Britischen Formel 3, beim besseren Team. Möglicherweise wäre uns das heuer auch gelungen, mit dem Carlin-Team.

Ist Alguersuari zu früh in die Formel 1 gekommen?

Es gibt immer wieder Leute, die das behaupten – nur wissen kann es in Wahrheit niemand, Das wird die Zukunft zeigen. Im Moment schaut es nicht so rosig für ihn aus, weil er wieder zwei Unfälle hatte – aber er stürzt sich eben nach oben, denn durch das Testverbot ist er total gehandicapt. In Suzuka fuhr er auf einer schwierigen Strecke, die er nicht kannte, in einem Auto, das er noch nicht sehr gut kannte – und er fährt gegen die Besten der Welt.

Die Rennen sind manchmal nicht so spannend, obwohl – oder vielleicht gerade weil? - es die Besten der Welt sind…

Die Rennen macht das Fernsehen spannend, an der Strecke bringt es nichts, sich ein Rennen anzusehen. Je besser es das Fernsehen aufbereitet, desto interessanter ist es.

Die World Series by Renault wird über Eurosport gezeigt…

Ja, es ist live auf Eurosport, sie bemühen sich sehr, aber es ist nicht der totale Event. Wenn wir jetzt nach Wien fahren und wir steigen im Zentrum von irgendeinem Bezirk aus und fragen jemanden, ob er die World Series kennt, dann werden wir keinen finden.

Wie kam es zu der Entscheidung, immer alles mit einem eigenen Team zu machen?

Als Walter begonnen hat, waren wir leider beim schlechtesten Team. Das war ein Schweizer Team – da habe ich so viel Schmutz und Schund gesehen, wie die arbeiten. Da dachte ich: Das mache ich selbst noch besser – und wenn ich es nicht ganz so gut mache, dann kann ich mich zumindest bemühen.

Wir haben uns bemüht, ein Carlin-Team zu kopieren, wir wollten uns die guten Dinge von den guten Teams abschauen.

Nur: Wenn du irgendwo hinkommst, dann wird nur endlos Geld genommen – und umso mehr sie bekommen, desto weniger machen sie. Der heutige Motorsport ist wie ein bewaffneter Raubüberfall.

News aus anderen Motorline-Channels:

Tests auf dem Hungaroring

Weitere Artikel:

Ferrari-Sonderlackierung

"Blauer" Ferrari in Miami

Ferrari setzt in Miami erneut auf eine Sonderlackierung - Wie auch schon im Vorjahr handelt es sich aber nur um neue Farbakzente, Rot bleibt die dominierende Farbe

Die Formel-1-Kommission hat erneut über Änderungen am Motorenreglement 2026 diskutiert - Welche Entscheidungen am Donnerstag außerdem getroffen wurden

GP von Bahrain: Qualifying

Piastri holt Pole vor Russell

Das war knapper als gedacht: Lando Norris im Sachir-Qualifying nur auf P6, Mercedes stärker als gedacht - aber Oscar Piastri liefert auf den Punkt ab und fährt auf P1

DTM-Rennen Oschersleben 2

Güven feiert seinen ersten DTM-Sieg

Ayhancan Güven feiert im spannenden Strategie-Poker in Oschersleben den ersten DTM-Sieg vor Mercedes-Pilot Jules Gounon & Manthey-Teamkollege Thomas Preining

V10-Gipfel in Bahrain

Erstmal kein V10 Comeback

Was wir über das Powerunit-Meeting wissen: Der V10 wird in der Formel 1 erstmal kein Comeback feiern, weil es dafür nicht die notwendige Mehrheit gibt

Zwischen Fortschritt und Nostalgie

Die V10-Debatte aus Fahrersicht

Die Gespräche über eine Rückkehr der Formel 1 zu V10-Motoren ebben nicht ab - Für einige Fahrer geht es dabei vor allem um leichtere und agilere Rennwagen