
Porsche rüstet auf: In Le Mans gegen Audi? | 19.11.2010
Kampf der Konzepte
Porsche stellt in großem Stil Techniker ein - Hinweis auf einen "Bruderkrieg" um den Gesamtsieg in Le Mans - Diesel gegen Benzin-Hybrid?
Mit bisher 16 Gesamtsiegen ist Porsche nach wie vor die erfolgreichste Marke beim traditionsreichen 24-Stunden-Rennen von Le Mans. Wir erinnern uns: Den ersten Sieg steuerte das Team Porsche Salzburg im Jahr 1970 mit dem 917K bei.
Ein Jahr später gewann Dr. Helmut Marko und legte einen Distanzrekord vor, der bis 2010 ungebrochen war. 1996 siegte Alexander Wurz mit einem TWR-Porsche des Teams Joest. Den bislang letzten "großen" Erfolg feierte man 1998 mit dem 911 GT1.
In den vergangenen Jahren hat Audi unter der Leitung des Österreichers Dr. Wolfgang Ullrich das Zepter in Le Mans übernommen. Audi und Porsche sind seit der Eingliederung des Kleinserienherstellers in den VW-Konzern sozusagen Geschwister.
Dies wurde als Hindernis für einen LMP1-Auftritt von Porsche gesehen. Denn weshalb sollte ein Konzern sich selbst direkte Konkurrenz machen? – Aber die Konzernspitze dürfte anders denken.
Einen ersten Hinweis auf eine mögliche Neuausrichtung der beiden Motorsportprogramme gab der neue Porsche-Geschäftsführer Matthias Müller beim Autosalon in Paris.
Nur wenige Tage nach seinem Amtsantritt stellte er in Aussicht, dass man mit einer Marke in Le Mans, mit der anderen in der Formel 1 fahren möchte. Diese Äußerungen sorgten für Erstaunen und weitere Gerüchte.
Alternative zur Formel 1
Fortan stellte sich die Frage "wer fährt wo". Die Antwort lautet: In der F1 wahrscheinlich niemand. Hintergrund ist das neue Motorenreglement der Formel 1 ab 2013. Der VW-Konzern hoffte auf den "Weltmotor". Aber derzeit sieht es so aus, dass die Formel 1 auch in Zukunft bei den aktuellen V8-Triebwerken bleiben wird.
Vor allem Mercedes stemmt sich aktuell vehement gegen eine kurzfristige Umgestaltung der Motorenregeln. Deshalb ist VW nicht interessiert. Damit bleiben bei Audi, wo man vermutlich das F1-Engagement übernommen hätte, weiter Ressourcen für Le Mans frei.
Auch in der Rallye-WM war man eine Zeit lang mit Skoda und Seat doppelgleisig unterwegs, gab dies aber aus Kostengründen wieder auf; die spanische Marke wandte sich der Tourenwagen-WM zu.
Meinung von ganz oben: "Ich würde Porsche und Audi in Le Mans fahren lassen", sagt VW-Aufsichtsratchef Ferdinand Piëch eigentlich wenig überraschend im Gespräch mit 'auto motor und sport'.
Diesel gegen Benzin
"Ich bin immer für eine Doppelstrategie. Der eine fährt mit Diesel, der andere Benziner. Aber jeder fährt um den Gesamtsieg", stellt Piëch in Aussicht. Damit propagiert die VW-Gruppe den Wettbewerb der Konzepte.
Dass Audi in Zukunft weiterhin bei den Sportwagen angreifen wird, steht fest. Der neue LMP namens R18 ist seit Monaten in der Entwicklung. Den Prototypen, Gerüchten zufolge mit einem 3,7-Liter-Dieselmotor, wird man heuer erstmals zu Gesicht bekommen.
Offizielles Statement von Porsche zum Thema: "Im Rahmen von Vorentwicklungsprojekten beschäftigen wir uns, ausgelöst durch Reglementänderungen und generelle Technologietrends, mit verschiedenen Themen. Dabei geht es darum, mögliche Alternativen hinsichtlich ihres Potenzials zu bewerten, neue technologische Ansätze (zum Beispiel Hybridisierung) zu verstehen und diese im Hinblick auf die Eignung für zukünftige Motorsportaktivitäten beurteilen zu können."
Bei dieser doch intensiven "Potenzialbewertung" zündet man jetzt allerdings die nächste Stufe. "Porsche stellt mehr als 100 Ingenieure ein" lautet der Titel einer Presseerklärung vom 18. November. Für das Entwicklungszentrum in Weissach sucht man Fachleute unter anderem "für Leichtbau, Energiemanagement sowie Motor- und Fahrwerkskonstruktion" - all dies Kenntnisse, die für ein Engagement in Le Mans gefragt sein könnten.
Dort ist in den letzten Jahren unter anderem der erfolgreiche LMP2-Prototyp RS Spyder entstanden, dessen letztes Exemplar noch heuer in der American Le MAns Series für Gesamtsiege gut war.
Als konkrete Aufgabe für das neue Personal nennt man die "Weiterentwicklung und Optimierung alternativer Antriebskonzepte", die unter anderem in das Hybrid-Projekt 918 Spyder einfließen soll. Der könnte die Basis für einen zukünftigen Le-Mans-Einsatz bilden. Uns kann es nur recht sein, denn damit ergäbe sich eine weitere Chance auf österreichische Fahrer am "Stockerl" beim größten Rennen der Welt.