
WTCC: Okayama | 31.10.2010
Huff & Farfus siegen, Muller bleibt WM-Leader
Zwei turbulente Regenrennen, ein klarer WM-Favorit, und leider auch nach Protest ein vorläufiges Resultat: Das war die WTCC in Japan!
Es kam, wie es kommen musste: Auch beim dritten Besuch der WTCC in Okayama wurden die 27 Fahrer mit einer nassen Strecke konfrontiert - pünktlich zum ersten Rennen öffnete der Himmel seine Schleusen und sorgte für vollkommen neue Vorzeichen. Rob Huff (Chevrolet) machte sich diesen Wetterwechsel am besten zunutze und rang Andy Priaulx (BMW Team RBM) spektakulär nieder.
Die beiden britischen Piloten lieferten sich ein sehenswertes Duell über mehrere Runden, wobei Huff im Regen einige Vorteile zu haben schien. Der Chevrolet-Pilot ging schließlich in Umlauf fünf an Priaulx vorbei und war anschließend nicht mehr zu halten. Auch die beiden anderen Titelkandidaten punkteten: Yvan Muller (Chevrolet) wurde starker Dritter, Gabriele Tarquini (SR) erzielte Rang sieben.
Viele turbulente Szenen
Für die Fahrer hinter der Spitze verlief das erste Rennen von Okayama allerdings weitaus weniger harmonisch: Nachdem das Safety-Car nach zwei langsamen Einrollrunden in die Boxengasse abgebogen war, stürmten die Piloten auf den vorderen Rängen davon, während es im Hinterfeld aufgrund der Gischt zu einigen Scharmützeln kam. Prompt landeten einige Fahrer im Kiesbett.
Franz Engstler geriet mit Tiago Monteiro (SR) auseinander, kreiselte von der Bahn und rutschte in die Auslaufzone, konnte das Rennen aber glücklicherweise fortsetzen. Fredy Barth (Sunred) und Kristian Poulsen (Poulsen) wurden sich im hinteren Streckenteil nicht ganz über den Vorrang einig und kollidierten - für Barth war der erste Japan-Lauf an Ort und Stelle vorbei. Poulsen geriet ins Schlingern und touchierte Tom Coronel (SR), der seinerseits Stefano D'Aste (Proteam) abräumte und in die Reifenstapel schickte. Die erste Runde hatte es also in sich!
Ganz vorne ging es zwar nicht derart turbulent zur Sache, doch schon auf den ersten Metern tat sich Entscheidendes: Priaulx und sein Teamkollege Augusto Farfus (BMW Team RBM) hatten den Start gewonnen und rasten als Duo um den Kurs, bis Huff den ersten BMW kassieren und sich auf Rang zwei platzieren konnte. Nur wenige Runden später firmierte der Brite erstmals als Führender.
Allerdings nicht ohne auf spektakuläre Art und Weise am BMW-Rivalen Priaulx vorbeizugehen: Seite an Seite bogen die beiden britischen Rennfahrer in die erste Kurve ein und keiner von beiden wollte im ersten Sektor der 3,703 Kilometer kurzen Rennbahn kleinbei geben - Huff hielt trotz eines leichten Drifts seinen Kurs und blieb neben Priaulx, der sich letztendlich hinter dem Cruze-Piloten einordnete.
Im Windschatten der Spitze war Colin Turkington (WSR) unterwegs, der erst Tarquini und kurz darauf auch Norbert Michelisz (Zengõ) und Muller ziehen lassen musste - die Titelanwärter machten speziell in der Anfangsphase sehr viel Druck. Tarquini wurde diese Taktik allerdings zum Verhängnis, als er in Runde sechs einen Angriff auf Farfus wagte, wobei er sich ins Kiesbett verabschiedete.
Muller auf dem Podium, Tarquini im Kiesbett
Der Italiener manövrierte seinen SEAT aber zurück auf Kurs und kehrte nach einem Leitplanken-Kuss wieder zurück auf die Strecke - seine Position im Vorderfeld hatte Tarquini damit aber eingebüßt. Statt dem amtierenden Weltmeister erhöhte jetzt dessen Vorgänger den Druck auf Farfus: Muller wollte am Brasilianer vorbei und überholte seinen Konkurrenten in Runde acht auf souveräne Art und Weise.
Damit waren die Platzierungen in der Topregion bezogen: Huff fuhr auf dem ersten Platz einem klaren Sieg entgegen, Priaulx und Muller folgten dahinter. Farfus, Michelisz, Turkington und Tarquini holten sich die Ränge vier bis sieben, wobei der Titelverteidiger vom markendienlichen Verhalten von Michel Nykjaer (Sunred) profitierte: Der Däne schenkte Tarquini Platz sieben und wurde selbst Achter.
Alain Menu (Chevrolet) brachte einen unauffälligen neunten Rang über die Linie und landete damit vor dem großen Überraschungsmann von Okayama: Robert Dahlgren (Polestar) fuhr mit dem Volvo C30 von Startplatz 24 auf den zehnten Platz nach vorne (!) und bescherte den Schweden ein Top-10-Ergebnis. Punktberechtigt ist Dahlgren als Gaststarter aber nicht, sodass ein Lokalmatador profitierte.
Yukinori Taniguchi (Bamboo) war der vielumjubelte Sieger der Privatfahrer, nachdem er sich über weite Strecken der 16 Runden messenden Distanz mit Coronel duelliert hatte. Gleich zweimal hätte sich Taniguchi fast in die Botanik verabschiedet, kam bei seinen missglückten Überholversuchen aber stets zurück auf die Bahn und quetschte sich unterm Strich doch noch am Niederländer vorbei.
Dieser leistete sich schließlich noch einen Fehler und fiel hinter die Privatier-Verfolger zurück. So feierte Taniguchi in Japan einen lupenreinen Klassen-Heimsieg vor Darryl O'Young (Bamboo), Sergio Hernández (Proteam), Nobutero Taniguchi (Proteam) und Engstler, der immerhin noch auf Platz 15 über die Linie kam. Poulsen und Mehdi Bennani (Wiechers) fuhren hinter Coronel auf 17 und 18 ein.
Lauf 2: Debakel für Priaulx
Aufgrund des anhaltenden Regens schickte die Rennleitung das 27 Fahrer messende Starterfeld erneut hinter dem Safety-Car auf die Reise, weshalb der eigentliche Start erst in Runde drei erfolgte. Polesetter Nykjaer machte sich diese Situation zunutze und bog vor Tarquini und Turkington in die erste Kurve ein, wobei dieses keine größeren Kollisionen auftraten.
Dafür überschlugen sich in den 16 Rennrunden allerdings die Ereignisse in regelmäßigen Abständen, denn schon nach wenigen Augenblicken musste sich Priaulx auf Position sechs gegen Muller und Huff zur Wehr setzen. In Runde drei übten die Chevrolet-Piloten einmal mehr sehr viel Druck auf den Briten aus und Muller konnte ihn überholen, Huff fand in Umlauf vier ebenfalls einen Weg vorbei an Priaulx.
Es folgte der Super-GAU für die Ambitionen von BMW: Priaulx verlor beim Anbremsen der Haarnadel die Kontrolle über seinen 320si, kreiselte von der japanischen Piste und strandete im Kiesbett von Okayama. Seine Hinterräder gruben sich in die Auslaufzone und der BMW steckte fest - der erste Titelkandidat hatte sich aus dem Rennen verabschiedet. Muller und Huff gasten aber weiter an.
Norbert Michelisz (Zengõ) war das nächste Opfer des Duos, das zur Halbzeit des Rennens bereits am Siegertreppchen schnuppern konnte. Gleichzeitig ging es auch für Farfus voran, denn der Brasilianer überholte seinen Markenkollegen Turkington und manövrierte sich dadurch auf den dritten Platz nach vorne. Der Vorwärtsdrang der Werkspiloten wurde allerdings jäh gestoppt: Das Safety-Car rückte aus.
Gastpilot Kevin Chen (Proteam) hatte seinen BMW 320si derart ungeschickt auf dem Kurs abgestellt, dass die Ideallinie blockiert war und freies Fahren ein zu hohes Risiko dargestellt hätte. Pech für Nykjaer an der Spitze des Feldes, denn der Däne war seinen Verfolgern bis Runde acht bereits um fünf Sekunden enteilt. Es sollte aber noch schlimmer kommen für den WM-Neuling - in Runde neun.
Nach nur einem Umlauf in langsamer Fahrt gab die Rennleitung den zweiten Lauf von Japan wieder frei, doch Nykjaer konnte nicht mehr an seine Leistung aus der ersten Rennhälfte anknüpfen: Mit zwei Ausritten verabschiedete sich der 31-Jährige aus dem Kreise der Siegaspiranten, ordnete sich aber auf den hinteren Punktepositionen wieder ein. Tarquini sprang nur zu gerne in die Bresche.
Tarquini patzt, Farfus profitiert
Doch auch dem Italiener sollte die Führung nicht gut bekommen, denn schon in Runde elf war auch er außen vor: In der vorletzten Kurve kam der amtierende Weltmeister auf regennasser Fahrbahn von eben dieser ab und schlug mit der linken Frontpartie seines SEAT León TDI in den Reifenstapeln ein. Das zweite Okayama-Rennen sah daraufhin in Farfus den dritten Spitzenreiter binnen dreier Runden.
Der BMW Pilot eiferte seinen SEAT-Rivalen allerdings nicht nach, sondern meisterte die restliche Distanz auf abgeklärte Art und Weise, um schlussendlich seinen ersten Saisonsieg einzufahren. Selbst eine späte, zweite Safety-Car-Phase konnte Farfus nicht mehr bremsen - Gastfahrer Henry Ho hatte seinen BMW 320si in der vorletzten Runde ebenfalls zu einer gefährlichen Schikane umfunktioniert.
Das Safety-Car bog vor der Zieldurchfahrt allerdings in die Boxengasse ab, womit Farfus tatsächlich als Erster über die Linie kam - vor Turkington und dem Chevrolet-Trio um Muller, Huff und Alain Menu. Robert Dahlgren (Polestar) profitierte von den Fehlern seiner Konkurrenten und landete mit dem Volvo C30 auf dem hervorragenden sechsten Rang, spielt bei der Vergabe der WM-Punkte aber keine Rolle.
Die Top 10 des zweiten Laufs wurden komplettiert durch Pechvogel Nykjaer, dem mehrfach im Kiesbett gesichteten Michelisz, Tom Coronel (SR) sowie Darryl O'Young (Bamboo), der seinem Team in Okayama bereits den zweiten Klassensieg bescherte. Franz Engstler (Engstler) belegte in Japan den elften Gesamtrang und holte Rang zwei bei den Privatiers vor Kristian Poulsen (Poulsen).
Damit reist Muller als Favorit auf den WM-Titel nach Macao und hat dort in drei Wochen lediglich einen Konkurrenten zu fürchten: Muller weist aktuell 295 Punkte auf und rangiert damit satte 37 Zähler vor Priaulx. Tarquini (242) muss seine Titelhoffnungen in Okayama genauso begraben wie Rob Huff (Chevrolet/233).
Neuer WM-Fünfter ist Farfus mit 186 Punkten. Tiago Monteiro (SR/158) und Coronel (126). Turkington (86) und Michelisz (62) komplettieren die Top 10. Chevrolet führt bei den Herstellern mit 636 Zählern klar vor BMW (564) und SEAT Customers Technology (560).
In der Privatier-Rangliste hat Sergio Hernández (Proteam/124) die Nase vorne. O'Young (103) ist neuer Zweiter vor Poulsen (97), Engstler (95) und Stefano D'Aste (Proteam/88). Das Proteam belegt mit 210 Zählern den ersten Platz in der Teamwertung vor Bamboo (181) und Engstler (126). Die Rookietabelle wird von Michelisz (147) angeführt. Barth (130) und Nykjaer (129) folgen dahinter.