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Colin Kolles im Gespräch mit motorline.cc – Teil 1

Colin Kolles spricht im ersten Teil des Interviews über seine Rolle als Überlebenskünstler der F1 - keiner konnte als Teamchef so viele Teameigner „überleben“…

Michael Noir Trawniczek

Colin Kolles ist der Überlebenskünstler der Formel 1. Als Teamchef überlebte er bereits mehrfach und in zwei verschiedenen Rennställen einen Eigentümerwechsel – ein Unikum in der Königsklasse des Automobilrennsports.

Der 1967 im rumänischen Timisoara geborene Ingolstädter Zahnarzt hat sich bereits 1985 mit dem Motorsportvirus infiziert, doch erst ab der Jahrtausendwende stieg er professionell in den Sport ein, zunächst als Teilhaber eines Formel 3-Rennstalls, wenig später mit einem eigenen F3-Team.

In die Formel 1 gelangte Kolles im Jahr 2005 gemeinsam mit dem russsisch-kanadischen Millionär Alexander Shnaider, als dieser den Rennstall von Eddie Jordan übernahm. Als das Team unter dem Namen Midland und wenig später MF1 Racing antrat, wurde Kolles zum Teamchef ernannt.

Schon während der Saison 2006 wurde das Team an Spyker verkauft, Colin Kolles blieb als Teamchef an Bord. Auch als nur ein Jahr später der indische Multimillionär Vijay Mallya das Team übernahm und in Force India umbenannte, hieß der Teamchef weiterhin Colin Kolles.

Nach einer Meinungsverschiedenheit trennte sich Mallya Ende 2008 von Kolles – doch mit seinem eigenen, im bayrischen Greding ansässigen Rennstall war der Ingolstädter zu diesem Zeitpunkt bereits erfolgreich in der DTM und auch in der Le Mans Series unterwegs, stets in enger Kooperation mit Audi. Der Abschied von Force India bedeutete daher nicht das Ende der Motorsportkarriere des Colin Kolles…

Anfang 2010 jedoch kehrte Kolles blitzartig wieder als Formel 1-Teamchef zurück. Nachdem der spanische Unternehmer José Ramon Carabante kurz vor dem Saisonstart das neue, jedoch darniederliegende Formel 1-Team von Adrian Campos übernommen hatte, setzte dieser Kolles als Retter in der Not ein. Dieser übernahm wenige Tage vor dem Saisonstart mit seinem Gredinger Team das operative Geschäft von Hispania, welches damals Dallara-Chassis zum Einsatz brachte.

Im Juli dieses Jahres wechselte der Rennstall erneut den Besitzer. Carabante verkaufte seine Anteile an Thesan Capital, ein spanisches Investmentunternehmen. Als Teamchef fungiert weiterhin Colin Kolles, die Boliden werden im bayrischen Greding aufgebaut…

Als Kolles plötzlich in der Formel 1 als Teamchef auftauchte, wurde er wohl von einigen Kollegen belächelt – mittlerweile hat der Deutsche als „Überlebenskünstler“ Formel 1-Geschichte geschrieben, denn keiner konnte bislang als Teamchef derart viele Teambesitzer „überleben“.

Weil im Fahrerlager der Formel 1 bekannt ist, wie schwer es ist, ein kleines Team am Leben zu halten, empfinden immer mehr Insider tiefen Respekt vor dem Quereinsteiger.

So kommt es nicht von ungefähr, dass Gerüchte kursieren, wonach Kolles von niemand geringerem als Sir Frank Williams als einer seiner möglichen Nachfolger hofiert werden soll…

Im Gespräch mit motorline.cc spricht Colin Kolles jedoch nicht über diese Gerüchte oder das Tagesgeschäft von HRT – vielmehr geht es um seine Arbeitsweise, seine Rolle im Paddock, als Überlebenskünstler der Formel 1…

Colin, es gibt keinen Teamchef, der diese Funktion unter derart vielen Teambesitzern ausgeführt hat – das ist einzigartig in der Geschichte der Formel 1…

Es ist einzigartig. Aber was soll ich dazu sagen? Es ist nicht so, dass ich mir das ausgesucht habe. Aber es stimmt: Jene Teams, bei denen ich tätig war, haben alle überlebt, sie sind alle noch da.

Hast du einen gewissen Stamm von Menschen rund um dich? Also Mitarbeiter, die seit deinem Formel 1-Debüt an deiner Seite waren?

Ja, die gibt es - das sind zwei Mitarbeiter, sie waren von Anfang an dabei – das ist sozusagen einmal meine rechte Hand und einmal meine linke Hand.

Kann man so ein kleines Team mit einem Floß im Meer vergleichen?

Ja, so kann man das durchaus sehen. Wie ein kleines Floß im Meer, wo sehr hohe Wellen auf dich zukommen - während die anderen eine Superjacht haben, welche die Wellen einfach durchbricht.

Ist es in so einer Lage dann besonders wichtig, dass man voraus denkt, um die möglichen Gefahren frühzeitig zu erkennen?

Man muss immer vorausdenken. Und du musst stets andere, alternative Pläne parat haben. Verschiedenste Pläne. Wenn ein Plan nicht funktioniert, musst du sofort eine andere Lösung in petto haben. Man hat keine Zeit, um da zu sitzen und zu sagen: ‚Jetzt muss ich mal schauen, wie es weiter geht‘. Das geht einfach nicht.

Die anderen Teamchefs – ich nehme an, dass sie dich zuerst vielleicht ein wenig schräg angesehen haben und dass sie mittlerweile einen großen Respekt vor dir haben?

Das ist alles relativ. Ich denke, dass mich manche sehr respektieren und andere wiederum meinen, der Kolles ist verrückt.

Ich denke, dass mich Bernie Ecclestone respektiert – und er weiß, wie sehr ich ihn respektiere. Und das zählt.

Warum denken manche, der Kolles ist verrückt?

Naja…[denkt nach, d. Red.]

Weil ich Eier habe. Weil ich sage, was ich denke und weil ich die Sachen durchziehe. Und viele dieser Herrschaften sind ja nur Verwalter und haben keine Eier. Die sind wie Bankangestellte.

Das ist der Unterschied. Und für die bin ich halt ein Verrückter, oder ein Wahnsinniger, oder was auch immer. Ich weiß es ja nicht genau – aber ich kann mir vorstellen, dass sie sagen: ‚Der Kolles schon wieder!‘ oder etwas in dieser Richtung.

Aber ich habe ganz klare Linien, die ich verfolge.

Würdest du dich als Racer bezeichnen?

Ich will mich selbst nicht als irgendwas bezeichnen – aber ich glaube, dass viele Leute gemerkt haben, dass ich ein Racer bin.

Andere zumindest bezeichnen mich als Racer. Weil es sich die Leute gar nicht vorstellen können, dass jemand das über eine Periode von sieben Jahren so durchziehen kann, wie ich es getan habe.

Weil sie sagen: ‚Das kann man sich ja nicht antun, dass man jeden Tag ums Überleben kämpfen muss!‘.

Wie vorhin gesagt: Es ist ein Floß im Meer - und da musst du halt paddeln. Es ist keine Superjacht oder die Queen Mary II, die gerade eine Atlantiküberquerung macht…

Du wirst dann wahrscheinlich auch nicht mehr nervös, wenn hohe Wellen auf dich zukommen – denn sonst würdest du es wahrscheinlich nicht aushalten, vermute ich mal…

Ich werde nicht nervös, aber es klingeln dann in mir die Alarmglocken – man muss immer auf der Hut sein.

Was ist deiner Meinung nach das Geheimnis hinter dem Erfolg von Red Bull Racing?

Man muss respektieren, was der Herr Mateschitz geschafft hat. Aber es gibt nicht viele Leute, die erstens so viel Erfolg haben und zweitens so viel Geld in die Formel 1 stecken.

Das ist definitiv ein Weg, aber er ist nicht für jeden machbar – und deswegen muss man schauen, dass man andere Wege nimmt, wo man weniger Geld investieren muss und trotzdem nach vorne kommt.

Was ist schwieriger – mit dem Budget von Mateschitz Weltmeister zu werden oder ein kleines Team am Leben zu erhalten?

Da gibt es wahrscheinlich verschiedene Meinungen. Aber ich denke, dass die Mehrheit der Menschen der Meinung sein wird, dass es die schwierigere Aufgabe ist, ein kleines Team am Leben zu erhalten.

Wenn du einen gewissen finanziellen Background hast, musst du methodisch arbeiten, du musst gewisse Schlüsselfiguren im Team haben – dann funktioniert es. Das ist dann nur noch eine Frage der Zeit.

Ein Team am Überleben zu erhalten und jeden Tag zu schauen, wie du deine Rechnungen bezahlen kannst – da hat der Großteil der Leute die Meinung, dass dies die schwierigere Aufgabe ist.

Und schließlich kannst du nicht Weltmeister werden, wenn du das Team nicht am Überleben halten kannst.

Teil 2 des Exklusivinterviews mit Colin Kolles finden Sie am Mittwoch auf motorline.cc.

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