MOTORSPORT

  • Motorline auf Facebook
  • Motorline auf Twitter

Die siegreichen Reifen in der Grünen Hölle

Beim 24h Rennen auf dem Nürburgring stehen die Reifenhersteller ganz besonders im Fokus des Interesses – Medien, Fahrern, Teams und die beteiligten Fahrzeughersteller analysieren die Performance des „schwarzen Goldes“ ganz akribisch, da hier noch echter Wettbewerb unter den beteiligten Herstellern angesagt ist. Bei der 49. Auflage nahmen alle Podiumspositionen Michelin-Piloten ein

Bernhard Schoke

Und damit ist Michelin auch der erfolgreichste Pneu der Gesamthistorie. Auf den französischen Reifenhersteller vertrauten seit 1970 exakt 21 Mal die Gesamtsieger des Langstrecken-Klassikers durch die bekannte „Grüne Hölle“, davon entfallen allein auf die Jahre seit 2000 genau 17 Titel.

Dunlop mit 18 und Goodyear mit zwei Erfolgen haben als Konzern beinahe eine ebensolche Geschichte. Pirelli konnte bisher sechsmal die oberste Position auf dem Stockerl einnehmen und Yokohama zwei Titel einfahren auf der mit 25,378 Kilometern längsten permanenten Rennstrecke der Welt.

Die Historie im Einzelnen:

Jahr Marke Reifen
1970 BMW Dunlop
1971 BMW Dunlop
1972 BMW Dunlop
1973 BMW Dunlop
1976 Porsche Dunlop
1977 Porsche Dunlop
1978 Porsche Dunlop
1979 Ford Dunlop
1980 Ford Dunlop
1981 Ford Goodyear
1982 Ford Dunlop
1984 BMW Pirelli
1985 BMW Pirelli
1986 BMW Pirelli
1987 Ford Pirelli
1988 Porsche Goodyear
1989 BMW Yokohama
1990 BMW Pirelli
1991 BMW Yokohama
1992 BMW Michelin
1993 Porsche Pirelli
1994 BMW Dunlop
1995 BMW Michelin
1996 BMW Dunlop
1997 BMW Dunlop
1998 BMW Michelin
1999 Chrysler Michelin
2000 Porsche Michelin
2001 Chrysler Michelin
2002 Chrysler Dunlop
2003 Opel Dunlop
2004 BMW Michelin
2005 BMW Michelin
2006 Porsche Michelin
2007 Porsche Michelin
2008 Porsche Michelin
2009 Porsche Michelin
2010 BMW Dunlop
2011 Porsche Michelin
2012 Audi Michelin
2013 Mercedes-AM Dunlop
2014 Audi Michelin
2015 Audi Michelin
2016 Mercedes-AM Michelin
2017 Audi Dunlop
2018 Porsche Michelin
2019 Audi Michelin
2020 BMW Michelin

Das 24h-Rennen auf der Nordschleife ist dabei eine der wenigen Klassiker, bei dem noch echte „Competition“ zwischen viele Marken stattfindet. Michelin rüstete bei der 49. Ausgabe insgesamt 55 der 122 gestarteten Renner aus – von den um den Gesamtsieg fahrenden GT3 Renner über die KTM X-Bow bis hinein in die Serien-nahen Klassen.

Bei den 24 Std. von Le Mans beispielsweise waren in den letzten 20 Jahren Michelin und Dunlop die beiden Marken, die die unterschiedlichen Klassen ausrüsteten. Teilweise waren auch Yokohama und Pirelli vertreten. Goodyear ist inzwischen auch wieder auf der internationalen Motorsportbühne vertreten.

Die 49. Ausgabe des Eifelklassikers stand – vor allem bei den Reifen – unter dem Eindruck der gern als Wetter-Mischbedingungen titulierten äußeren Bedingungen. Regen, Gewitter, nasse Strecke, trockene Abschnitte stellten alle Beteiligten vor große Herausforderungen. Welcher Reifen wann einsetzen war – teilweise glichen die Entscheidungen einem Lotterie-Spiel. Dafür waren insbesondere die beiden größten Hersteller optimal vorbereitet. Michelin hatte rund 30 Trucks vor Ort und rüstete 55 Teams aus – auf Goodyear setzten 26. Rund 10.000 Pneus bei den „Franzosen“ und circa 3000 bei den „Amerikanern“ zeigt auf, welche Anstrengungen unternommen werden. Auch personell: Das Goodyear Team umfasste ungefähr 40 Personen.

Als weitere Hersteller rüsteten Hankook, Falken, Yokohama, Pirelli, Nexen, GiTi und Toyo darüber hinaus in kleinerem Rahmen ihre Partner-Teams aus. In der Regel genau jene, die sie zuvor bereits in der Nürburgring Langstrecken Serie und beim Qualifikationsrennen vor vier Wochen betreut hatten.

Das erste Auftritt der Renner am Feiertag war bereits die Blaupause für die anstehenden weiteren Tage. Thomas Baltes, der vor-Ort verantwortliche Reifen-Ingenieur bei Hankook fasste das 1. Qualifying zusammen:

Zu Beginn waren auf der Nordschleife die profilierten Heavy Wets erforderlich, obwohl es auf der Grand Prix Strecke bereits abtrockente. Wir wechselten dann den Lamborghini unseres Team FFF Racing zügig auf Intermediates, um dann im Verlauf die Fahrer auch noch mit Slicks auf die Strecke zu schicken, damit sie ihre Pflichtrunden absolvieren konnten. Und Position neun ist eine gute Ausgangsposition für das zweite Qualifying. Davor steht jetzt die Analyse der Sektorzeiten ebenso auf dem Programm wie die Auswertung der Infos von den Piloten.

Das zweite – am Donnerstagabend – wurde zur großen Show vom in Wien lebenden Mirko Bortolotti. Im Hankook „Lambo“ markierte er kurz vor dem Ende die Schnellste Zeit. Zweiter wurde Klaus Bachler im Falken Porsche mir der Startnummer 33 rund 1,5 Sekunden zurück und Kevin Estre im Manthey-Porsche – Michelin-bereift mit der Nr. 911 mit weiteren 6 Zehnteln Abstand. Kurz gesagt: Die zuvor bereits allseits prognostizierte große Schlacht um Zehntel Sekunden.

Das dritte Qualifying stand dann im Zeichen eines weiteren „Lambos“: Der vom gebürtigen Österreicher Franz Konrad mit Michelin Pneus. Er konnte die Zeit von Bortolotti, im Hankook bereiften FFF Lamborghini Huracan GT3 Evo letztendlich um rund 3 Zehntel Sekunden unterbieten. Eindeutiger Beleg für die Schlüsselrolle, die den Reifen bei den 24 Stunden in der Eifel wirklich zukommt.

Der zweite und entscheidende Teil des Top Qualifying fiel buchstäblich ins Wasser – Gewitter und dann strömender Regen in der Eifel. Dabei zeigten sich die Regen-Spezialisten. Nick Yelloly im Vorjahressieger-BMW brachte bei den widrigen Bedingungen die Michelin Regen-Pneus am besten zum Arbeiten und holte die Pole Position. Axcil Jeffries, Team Kollege des Lochauers Tim Zimmermann, im Konrad-Lambo war – ebenfalls Michelin bereift – nur zwei Sekunden langsamer. Er war es auch, der die Auswahl der Reifen als Lotterie bezeichnete. Dritter wurde Manuel Metzger im Mercedes-AMG GT3, die auch Michelin Regen-Pneus einsetzten – mit weiteren rund zwei Sekunden Abstand.

Maxi Götz in einem weiteren Mercedes-AMG fokussierte zuvor einen weiteren Punkt: „Wieviel Risiko gehe ich ein bei dem zu erwarteten Sprint Rennen ein – voll oder mit gebremsten Schaum und dann mit vielleicht 8 oder 10 Sekunden Abstand. Vor allem bei wechselnden Bedingungen ist das wirklich brutal, vor allem wenn es beginnt abzutrocknen.“ Fehlerfrei, welche Reifen, welche Strategie – das sind die Eckpunkte die jetzt wichtig sind. Alles sind heiß, alle wollen sich beweisen – egal wie das Wetter wird.

Luca Engstler – mit Goodyear unterwegs – pflichtete ihm bei: „Bei den unterschiedlichen Asphaltstücken kannst du nie einschätzen, ob und wie nass ein Stück wirklich ist. Dann ist es besser einen Regen-Reifen zu haben, den du auch noch ein Stück weiterfahren kannst. Das A und O bei den Bedingungen ist, das Auto auf der Strecke zu halten -heil durchkommen, nichts kaputt machen, dass ist die halbe Miete.“

Markus Oestreich, langjährig erfahrener Pilot und aktuell im KTM X-Box mit der Startnummer 75 unterwegs, brachte seine Reifen-Erfahrung in drei Sätzen auf den Punkt: „Wenn Michelin auf dem Auto ist, dann mache ich mir überhaupt keine Gedanken. Die Reifen halten und haben eine Performance bis zum Ende des Stints. Und dies nicht erst seit heute oder gestern, sondern schon seit 30 Jahren.“ Die Eifel hatte dann wieder besondere Herausforderungen parat.

Der Motorsport-Chef Deutschland, Österreich und Schweiz von Michelin, Martin Maffert, brachte einen der wesentlichsten Faktoren auf den Punkt: „Das Rennen wird nicht in der ersten Runde gewonnen. Vielmehr gilt der bei allen Langstreckenrennen gern zitierte Satz: If you want to finish first – you first have to finish." Und er sollte Recht behalten.

Im Rennen konnten dann – positiv formuliert – die Hersteller, Teams und Fahrer auf die in den Tagen zuvor gesammelten Erfahrungen zurückgreifen. In der Startphase begann bereits die erste große Wasserschlacht. Nach einigen wenigen Runden begannen die Regengötter der Eifel mit ihren Umtrieben. Die Bandbreite: Zwischen Stark- und Nieselregen war in den ersten Stunden alles dabei. Und die Regenreifen aller Hersteller – Yokohama, Pirelli, Nexen, GiTi und Toyo waren ebenfalls mit ihren Motorsport-Teams wie in den Vorjahren dabei - die Pneu-Variante der ersten Wahl – die sogenannten „Heavy Wet Versionen natürlich.

Zu Beginn der Abendstunden trocknete es dann langsam ab. Mischbedingungen bestimmten das Geschehen auf der Strecke. Zuerst war die hellere Ideallinie für die Piloten erkennbar. Aber dementsprechend schwierig waren die Überholvorgänge, die dann ins Nasse und wieder zurück gingen. Dreher waren die Folge.

Dann hatte das Eifelwetter eine weitere Variante parat: Es begann – als Folge des Regens am Nachmittag, der Nebel aufzuziehen, zuerst im Bereich des Fahrerlagers und der Grand Prix Strecke – dann sich immer weiter ausbreitend. Um 21.30 Uhr kam dann die rote Flagge. Renn-Unterbrechung, weil die Streckenposten die Signale ihrer Kollegen 200-300 Meter weiter nicht mehr erkennen konnten. Frühestens um 7.00 Uhr sollte es weiter gehen. Doch es wurde erheblich später.

Erst nach 11 Uhr wurde bekannt gegeben, das 11:40 Uhr die Einführungsrunde und um 12.00 Uhr das Rennen quasi neu gestartet werden sollte. Die Bedingungen: Immer noch neblig, aber fahrbar. Die Top-Teams machten dort so weiter, wie sie auch tags zuvor unterwegs waren: Auf der letzten Rille. Entsprechend wechselten die Platzierungen im Rhythmus von Tankstopps, Reifen- und Fahrerwechsel. Hinzu kamen einige Leitplanken-Kontakte. Im Ziel hatte in der Gesamtwertung „Reifen-seitig“ Michelin gleich dreimal – ergo alle Podiumspositionen – die Nase vorn.

Die 49. Auflage des Langstreckenklassikers stand damit erneut – wie bereits im letzten Jahr – unter den Vorzeichen der Eifelwetter-Kapriolen. Und darauf bereiten sich nicht nur die Reifenhersteller ab morgen für das runde -50jährige Jubiläum- bereits wieder vor, das am letzten Mai-Wochenende 2022 stattfinden wird.

News aus anderen Motorline-Channels:

Weitere Artikel:

Max Verstappen erteilt Wechselgerüchten keine 100-Prozent-Absage, auch wenn er sich bei Red Bull noch wohlfühlt - Doch wie lange passen alle Faktoren noch?

Sebastian Vettel hat seinen ersten ernsthaften Test im LMDh-Boliden von Porsche aus der WEC hinter sich - Er und das Team sprechen über den Test und Le Mans