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Gedanken zu Roland Firtinger
Foto: Erber

Verletzlicher eiserner Ritter des Querformats

Begegnungen mit Roland Firtinger: Zunächst als „Unsichtbarer“ - danach als interessierter, aber auch skeptischer Zuhörer, als mir Roland seine eigene Welt zu erklären versuchte...

Noir Trawniczek

Absurd wie vieles im Leben: Im nördlichen Vorhof von Wien wurden jahrzehntelang zwei wesentliche Motorsport-Magazine produziert - die beiden Herausgeber wollten ursprünglich gemeinsam ein Konzept umsetzen und mutierten dabei zu Erzfeinden, die nur wenige Kilometer voneinander entfernt mit ihren Teams.ihre Magazine produzierten Nach bereits jahrelanger Arbeit bei motorline.cc habe ich zusätzlich bei einem der beiden Magazine angeheuert. Roland Firtinger würde jetzt wohl knochentrocken sagen: „Und zwar beim falschen!“

Insgesamt noch recht neu in der Szene häuften sich die Pressekonferenzen -ich gab jedem die Hand, stellte mich vor - nur einer verwehrte mir schweigend den Handschlag. Erst danach erfuhr ich, dass dies DER Roland Firtinger war, der „Erzfeind“ meines Arbeitgebers. Mit dem Bewusstsein darüber, nun zu wissen, wer er ist, hab ich es beim nächsten Termin erneut probiert, ihn freundlich begrüßt - doch es kam noch schlimmer, nun ging er mit einem angewiderten Gesichtsausdruck von dannen. Fortan also ließ ich ihn natürlich in Ruhe, die Jahre vergingen im Flug...

2010 hat der Herausgeber des damaligen Rally & more (die lt. Roland „falsche“ Zeitschrift) die Racingshow ins Leben gerufen,naturgemäß war ich als einer von drei Show- & Presse-Managern dabei. Irgendwann später kam eine Aussendung, die eine Show im Riverside ankündigte, veranstaltet vom Motorsport Insider, sprich Roland Firtinger, dem Erzfeind einer meiner Arbeitgeber. Als damals bei motorline.cc für Motorsport-Inhalte Hauptverantwortlicher und zeitgleicher Rally & more-Chefredakteur und Racingshow-Mitarbeiter war das nur auf den ersten Blick ein Interessenkonflikt. Denn meine Aufgabe im Dienste von motorline.cc war es, die motorline-Leserschaft über die gut besetzte Firtinger-Show zu informieren. Als damals für zu viele Arbeitgeber nie unter 60-80 Wochenstunden arbeitender ehemaliger Selbstausbeuter weiß ich heute nicht mehr genau, ob das Folgende persönlich oder via Telefon passierte - jedenfalls kam Roland Firtinger auf mich zu und bedankte sich ausdrücklich für die Bewerbung seiner Show auf motorline.cc, das sei nicht selbstverständlich, sagte er. Ich war kurz erstaunt und sagte ihm, dass ich das für die Leser gemacht habe und dass ich aus eigener Erfahrung weiß, wie wichtig Publikum für so eine Show ist. Er lud mich zur Show ein, dort war er naturgemäß im Dauerstress, ein näheres Kennenlernen des Erzfeinds meines Arbeitgebers war also - noch - nicht möglich - wieder verging Zeit...

Der Mut zum Eigenartigsein

Irgendwann kam eine der Einladungen zu einem WRC-Lauf. Ich weiß nicht mehr genau, zu welchem. Aber ich sehe eine große Tischrunde mit vielen Motorsport- aber auch Autotest-Journalisten und ich höre Roland, wie er sagt: „Ich lebe jetzt gesünder - ich trinke nur noch fünf Bier statt 20 am Tag.“ Ich dachte: „Wow! Der Typ ist ja völlig schmerzbefreit!“ Und, bitte richtig verstehen: „Schmerzbefreite“ oder „Angstbefreite“ sind in meinen Augen mutige und wie der Name schon sagt freiere Menschen - mit dem Mut zum Eigenartigsein, meist aber auch dem (oft mit Geld oder Kompetenz erkämpften) Freiraum dafür.

In der Folge ergaben sich immer wieder Gelegenheiten zu echten persönlichen Dialogen - im Bus, am Weg zum Zuschauerpunkt, mitunter recht lange Wanderungen - und da habe ich in aller Gemütlichkeit einen Teil des „ungeschützten“ Roland Firtinger kennengelernt., denn mich hat der Mensch hinter dem „eisernen angstbefreiten Ritter des Querformats“ interessiert. Und das war einer, der offenbar viele schmerzhafte Erfahrungen machen musste, oftmals hintenrum. Einer, der irgendwann einmal keinen Bock mehr darauf hatte, es allen Recht zu machen und sich dabei auch noch sehr viel gefallen lassen zu müssen. Stattdessen begann er quasi mit dem Errichten einer eigenen Welt. Das Querformat seiner Zeitschrift ist mehr als nur ein Druckformat - es ist quasi die Philosophie der von ihm errichteten Welt.

In unseren Gesprächen fanden wir schnell das Gemeinsame, das uns überhaupt erst dazu brachte, uns auszutauschen: Es ging um den Anspruch, so sein zu wollen wie man ist und darum, dass man sich das (wenn kein Geld vorhanden) auch mit guter Arbeit erkaufen muss. Und wir hatten beide bereits das Thema Selbstausbeutung auf dem Radar - im Motorsportjournalismus gibt es keine Wochenenden, keinen Feierabend, aber sehr wohl den Montag, Dienstag nach den Rennen, den Druckabgabetag, die Tage vor den nächsten Rennen und so weiter sodass man unbemerkt schon mal Wochen durcharbeitet - ohne jede Regeneration.

Wohlmeinende Dikatur mit Schutzwall

Darüber hinaus versetzte mich Roland ins Staunen, zeigte sich zum einen als sehr sensibler, eigentlich scheuer und verletzlicher Mensch (dass ich ein von ihm komponiertes Musikstück hören durfte, hat mich berührt) - zum anderen jedoch hatte Roland hohe moralische, großteils erzkonservative Ansprüche. Gewisse Dinge wollten ihm einfach nicht mehr passieren - Illoyalität zum Beispiel. Er verlange von engen Mitarbeitern und nahestehenden Menschen, dass sie ihm nicht vor anderen Menschen in den Rücken fallen, hat er mir erzählt. Das ist durchaus verständlich. Es gibt neben dem ausführlichen, dem Schaffen des Roland Firtinger gewidmeten Nachruf des Sportpressedienst noch einen kurzen, auf den Punkt gebrachten Nachruf vom Automobilsportclub RRC13 WIen, in diesem heißt es: „Er kannte nur Freund oder Feind, dazwischen war nicht viel Platz! Seine Meinung zählte, Kompromisse gab es kaum!“ Dass man das in einem Nachruf schreibt, liegt daran, dass Roland Firtinger wohl auf genau diese Zeilen stolz wäre - denn das war seine, auch mir gegenüber mit vollster Leidenschaft deklarierte Lebenseinstellung.

Als schizoid denkender Mensch fällt es mir leicht, zwei divergierende Meinungen nachvollziehen zu können - damals hab ich zu Roland gesagt, nachdem er „Diktator“ Ecclestone als Beispiel nannte: „Irgendwie hast du schon Recht - ich spiele auch in einer Band, wo es ‚Demokratie‘ geben soll, dort geht mangels Entscheidungen am wenigsten weiter.“ Doch die von ihm errichtete eigene Welt, umgeben von einem Schutzwall, der aus „Regeln“ und Ausschlussgründen bestand - degradiert das nicht Mitarbeiter und nahestehende Menschen zu Befehlsempfängern? Und da sagte Roland sinngemäß: die Menschen, welche sich darauf einlassen seien welche, die genau darin sich wohl fühlen, die ihm vertrauen würden, dass er die richtigen Entscheidungen treffe und keine Sorgen haben bräuchten. Es ist also nicht so, dass da einer einfach nur sagte: „Ich bin das Gesetz!“ sondern es steckt eine - sagen wir - sehr alt-konservative Auffassung von „Familie“ oder “Gemeinschaft“ dahinter, völlig gegen jeden „Zahn der Zeit“ und in der Geschichte nicht selten mit fatalem Ausgang endend, die aber im Falle von Roland Firtinger sehr wohl von Empathie und Verantwortung für deren Mitglieder getragen wurde. Als wird darüber sprachen, wurde mir klar, warum Roland für mich immer ein Bisschen wirkte, als würde er aus einer ganz alten Zeit zu uns gekommen sein. Und nicht alles, was aus alter Zeit her stammt, ist per se grundböse. Der „Grade Michl“ im Nachruf des Sportpressedienst hat seinen Grund - Roland Firtinger hat zwar mitunter unglaublich hart gegen „Feinde“ agiert, aber, so glaube ich, nicht hinterrucks, sondern straight forward. Denn in dieser „alten Welt“ gehörte es zum Anstand, einen Feind Auge in Auge zu bezwingen und ihm nicht in den Rücken zu fallen.

Ausknipsen

Wer nicht in die Welt von Roland Firtinger passte, wer ihr sich gar entgegenstellte, wurde zur „Persona non grata“, zu einem „Feind“, den Roland in der Folge auf „unsichtbar“ stellte und zwar für alle sichtbar. Als ich mit einem Fotografen durchs Fahrerlager spazierte und dabei Roland grüßte, ignorierte er mich. Hernach, wieder allein, grüßte er mich. Was da vorher war, wollte ich wissen - und er sagt seelenruhig: „Nichts. Nur der falsche Fotograf an deiner Seite.“ Er hat Menschen, die er als „Feinde“ sah, einfach ausgeknipst, durch sie hindurch geblickt. Ich habe ihn gefragt, ob das nicht zu stressig sei, sich die - gar nicht so wenigen - Leute zu merken. Er meinte nein, es sei einfacher - mit dieser radikalen Einteilung in Freund und Feind erspare man sich unschöne Erlebnisse mit vermeintlichen Partnern und wisse bei den verbliebenen Freunden immer, woran man sei. Auch dem kann man im Grunde wenig entgegensetzen - außer, dass dabei doch einigen Leuten Unrecht getan wurde, weil Roland im Ärger zu etwas mutieren konnte, das man mit „Häferl“ nur mäßig beschreiben kann, eher schon mit „Klappmesser“. Einige „Unsichtbare“ dürften bis heute nicht wissen, was sie eigentlich in Rolands Augen falsch gemacht haben. Wer sich solchermaßen über die Gemeinschaft stellt, sich das Recht heraus nimmt, Menschen einfach nicht mehr wahrzunehmen, ohne jede Evidenz oder Anhörung, muss damit leben, dass ihn manche nicht „für voll“ nehmen. Im Grunde hat sich hier jener Fehler eingeschlichen, dem auch die alten Denkweisen erlegen sind - in noch jedem autoritären System wurde Menschen Unrecht angetan. Für ihn selbst und seine sich ihm Anvertrauenden mag es funktioniert haben - für eine moderne Gesellschaft ist so etwas schlicht untragbar. Nicht nur die Vergangenheit, auch die Gegenwart (Spaltung) belegen das.

Dass er „Unsichtbare“ wieder auf „sichtbar“ schaltete, dürfte nur ganz selten vorgekommen sein. Da war ich wahrscheinlich einer von wenigen, wobei ich ja als „Unsichtbarer“ begonnen hab und wie ich glaube, ein paar Mal auf des Messers Schneide stand, wieder „ausgeknipst“ zu werden. Etwa als er als Sponsor zu einer Veranstaltung hinzukam und meinen „Deal“ als Pressemann irgendwie aufdröseln, modifizieren oder was auch immer wollte und ich das einfach nicht akzeptiert habe. Oder als ich ihm gesagt habe, dass ich bei ihm/für ihn nicht arbeiten könnte weil ich mehr Freiheit brauche und wir bald streiten würden.Was ich damit sagen will: Ganz so radikal war Roland Firtinger auch wieder nicht - man konnte schon dagegenhalten - wenn man es begründen konnte und sich nicht in Floskeln verrannte oder ihn „schonen“, mit der Wahrheit verschonen wollte. Oder wenn man die ersten „Häferlminuten“, den ersten Groll darüber, dass man eine Idee von ihm weniger gut fand - wenn man da einfach ruhig blieb und nicht an Schärfe zulegte.nur weil er eben zunächst mal Dampf ablassen musste. Denn er schätzte das Geradlinige, auch wenn es ihn für kurze Zeit auf die Palme brachte.

Mehr Geradlinigkeit

Traurig ist: Das, was sich Roland in einer nicht abzustreitenden gewissen Verbittertheit erst mit „strengen Regeln“ zusichern musste, wäre in einer besseren Welt eine Selbstverständlichkeit. Was ich damit meine ist die Güte, Menschen mit anderen Verhaltensmustern nicht in eine Form des „Anstands“, in eine vermeintliche Norm pressen zu wollen, sondern zu versuchen, sie zu verstehen und gewisse „Macken“ einfach einzubeziehen anstatt zum hundersten Mal empört rumzutun. Denn auch Verhaltensweisen haben nicht nur ein Äußeres, sondern auch einen Inhalt. Und um den geht es doch.

Enge Freunde waren der Erzfeind meines langjährigen Arbeitgebers und ich nie - aber ein gegenseitiges Akzeptieren gab es und die Gespräche mit ihm waren interessant - gerade vom Andersdenkenden kann man noch was lernen. Wir können ein paar Scheibchen aus der Gedankenwelt des Roland Firtinger mitnehmen: Etwas weniger (mitunter verlogene) Diplomatie, viel mehr Geradlinigkeit, weniger „Rumeiern“ und mehr Mut bei Entscheidungen würde uns allen nicht schaden. Machs gut, Roland.

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