F1 News | 05.02.2002
Ferrari-"Wundergetriebe": Ging die F1-Welt einer "Geschichte" auf den Leim?
Ferrari-Konstrukteur Rory Byrne spricht einen Tag vor dem Launch den Spekualtionen über die Motor-Getriebe-Einheit der Scuderia jeglichen Realitätsgehalt ab...
Michael Trawniczek
Rory Byrne: Ich weiß nicht, woher die Geschichte mit der Motor-Getriebe-Einheit stammt, wir bauen eine solche EInheit jedenfalls nicht...
In den letzten Monaten wurde in sämtlichen Medien über die neue, angeblich revolutionäre Motor-Getriebe-Einheit von Ferrari spekuliert, und auch diverse Statements aus Maranello deuteten darauf hin, dass es dieses Wundergetriebe tatsächlich gibt. Erst kürzlich betonte Ferrari's Präsident Montezemolo in einem Interview mit der Zeitung "Corriere della Sera": "Die größte Veränderung ist das neue Getriebe."
Motor und Getriebe, so war an der Gerüchtebörse zu vernehmen, sollen bei Ferrari erstmals eine einzige bautechnische Einheit bilden, die Schaltvorgänge würden damit optimiert, die Einheit operiere ohne herkömmlichem Schwungrad.
Einen Tag vor der Präsentation des neuen Ferrari für 2002 hat jetzt der Chefdesigner der Scuderia, Rory Byrne, in einem Interview mit der Fachzeitschrift "Motorsport aktuell" diese Motor-Getriebe-Einheit als Fata Morgana der Medien abgetan. Der Südafrikaner erklärt: "Ich weiß nicht, woher die Geschichte stammt, jedenfalls sicher nicht von mir. Ich bin nicht mal sicher, ob es jemand schaffen würde, eine solche Einheit zu bauen. Wir tun es jedenfalls nicht."
Dass Byrne's Aussage ein Ablenkungsmanöver sein könnte und es diese Einheit sehr wohl gibt, ist eher unwahrscheinlich - aber wie der versierte Formel-1-Beobachter weiß, ist in der Königsklasse nichts unmöglich. Die Wahrheit liegt möglicherweise, wie so oft, irgendwo in der Mitte. Ferrari-Präsident di Montezemolo hat in oben zitiertem Interview ja lediglich ein neues Getriebe bestätigt, nicht aber, dass dieses eine Einheit mit dem Motor bilde.
Des Rätsels Lösung gibt´s (höchstwahrscheinlich) morgen Mittwoch bei der Präsentation des neuen Ferrari-Boliden in Maranello. Überraschungen sind aber nicht nur rund ums neue Getriebe zu erwarten: Byrne, der sich im Motorsport-aktuell-Interview keine wirklich konkreten Fakten über den roten Renner für 2002 entlocken lässt, kündigt ein "völlig neues Aerodynamik-Paket" an. Es ist anzunehmen, dass wie bei McLaren-Mercedes der Bereich der Vorderradaufhängung für das Spiel mit dem Luftstrom optimiert wurde...
Dass in der F1 auf dem Gebiet der Technik Fakten und Spekulationen oft nicht zu unterscheiden sind, liegt u.a. daran, dass die gesamte Branche in diesem Bereich an einem "Informationsstau" leidet. Die Nachfrage der interessierten Fans nach technischen Details ist groß, der Output der Teams bzw. Techniker dagegen liegt quasi bei Null.
Auf der einen Seite die Furcht der Ingenieure, ihre mühsam erarbeiteten Lösungen bzw. die dadurch entstandenen Kleinst-Vorteile an die Konkurrenz zu verlieren. Auf der anderen Seite die Welt der Medien, die aus Mangel an Fakten aus den unzähligen Spekulationen die vermeintliche Wahrheit herauspicken muss...