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Das Ende der Traktionskontrolle?

Kaum eingeführt, schon im Kreuzfeuer der Kritik - die Traktionskontrolle hilft zwar den Fahrern, viele wollen allerdings eine Rückrüstung der Elektronik.

Im Mai 2001, beim Großen Preis von Spanien, durfte die Formel 1 zum ersten Mal seit dem Verbot Ende 1993 wieder Traktionskontrollen und Automatikgetriebe einsetzen. Klar ist nach über einem Jahr der Verwendung von Traktionskontrollen:

Auf eine Runde macht diese im Trockenen nur wenig aus, auf eine Distanz gesehen werden die Reifen aber weniger stark abgenutzt, was zu konstanteren Rundenzeiten führt. Auch im Regen sind die Rundenzeiten nicht stark gesunken, da die Fahrbarkeit der Motoren früher ohne Traktionskontrolle bereits ausreichend gut war.

Und: Am Kräfteverhältnis in der Formel 1 hat sich durch die Freigabe der Elektronik nichts geändert.

Einige Fahrer beklagten sich vor einem Jahr bitter über die Rückkehr der Traktionskontrolle, weil sie glauben, dass "schlechtere" Fahrer davon profitieren. In der Tat ist jetzt ein sensibler Gasfuß nicht mehr ganz so wichtig wie noch zuvor:

"Die Rückkehr der Traktionskontrolle ist dumm und besudelt den Ruf der Formel 1", so die klaren Worte von Vollblutrennfahrer Jean Alesi, der in diesem Jahr in der DTM mit weniger Technik auskommen musste. "Man sagt, dass die Formel-1-Fahrer die Besten der Welt sind, aber dies nivelliert ganz klar das Feld. Traktionskontrollen sind für einen Herr Müller oder Maier in Ordnung. In der Formel 1 haben sie aber nichts zu suchen."

Doch noch heute ist ein sensibler Gasfuß von Vorteil, denn wenn die Traktionskontrolle einsetzt, verliert das Auto an Vortrieb, besser ist es, der Fahrer dosiert das Gas von sich aus so, dass die Traktionskontrolle erst gar nicht einsetzen muss.

Weniger Überholmanöver durch die Traktionskontrolle?

Mike Coughlan, Chefdesigner bei McLaren, sieht die Traktionskontrolle als eine der Ursachen, warum es kaum noch Überholmanöver in der Formel 1 gibt:

"Die Rundenzeiten verändern sich durch sie kaum. Während dem Rennen bringt sie etwas, weil die Autos leichter zu fahren sind, die Reifen länger halten und die Fahrer weniger Fehler machen. Das führt aber auch dazu, dass das Überholen schwieriger wird, weil man normalerweise nur überholen kann, wenn der Fahrer vor einem einen Fehler macht."

Der ehemalige technische Direktor von Arrows weiter: "Der größte Vorteil ist, dass wir nun ein ausgeglichenes Feld haben, da es nun nicht mehr die Ungewissheit gibt, welches Team ein solches System einsetzt und welches nicht", spricht der Brite das Problem an, dass der Motorsportweltverband FIA gezwungen war, die Traktionskontrolle freizugeben, da sie in den Tiefen der Elektronik nicht mehr nachweisbar war.

Dass Top-Teams wie Ferrari schon zu Anfang der Saison 2001 Systeme eingesetzt hatten, die denen der Traktionskontrolle nahe kommen, ist längst bekannt, aber sie waren nun einmal nicht illegal und wie die Rennen danach zeigten, erarbeitete man sich durch sie höchstens minimale Vorteile. Der Präsident des Automobilverbandes FIA Max Mosley bestätigt aber, dass ein Team in den letzten Jahren einmal geschummelt hat:

"Die Teams hatten schon immer ausgeklügelte Motor-Management-Systeme, aber eine echte Traktionskontrolle - mit der Ausnahme eines konkreten Falls vor einiger Zeit - wurde nicht eingesetzt und mit Sicherheit nicht in der Saison 2000."

Einfachere Reifenentwicklung

Bridgestone beobachtete zunächst, dass die Reifen durch den Einsatz von Traktionskontrolle kurioserweise mehr litten als wenn die Piloten ohne Traktionskontrollen fuhren. Mittlerweile jedoch ist die Software so ausgefeilt, dass die Reifen konstanter abgenutzt werden. Dadurch kommt es zu geringeren Abnutzungsschwankungen, was bei der Reifenentwicklung mehr Spielraum lässt und generell weichere und damit schnellere Reifen zulässt.

Schumacher sieht sich im Vorteil

Michael Schumacher - dessen Ferrari-Team verdächtigt wurde, schon in den letzten Jahren mit einer Traktionskontrolle unterwegs gewesen zu sein - begrüßte die Legalisierung der Traktionskontrolle und glaubt sogar, dass er als einer der besten Fahrer davon profitiert:

"Wir können mit dem System schneller und extremer am Limit fahren. Man muss nicht mehr auf irgendwelche Leistungsspitzen des Motors achten." Michael Schumacher beruft sich auf Erkenntnisse, die er in den letzten Jahren durch die Telemetrie-Aufzeichnungen gewinnen konnte:

"Man hat nun mehr Freiheiten, das Auto am Limit zu bewegen. Die Fähigkeit, ein Auto ständig am Limit zu bewegen macht einen guten Fahrer aus. Die guten Fahrer werden die besten Fahrer bleiben." Bisher hat er damit Recht behalten.

Mehr Stabilität in den Kurven

McLaren-Mercedes-Pilot David Coulthard kann der Erfahrung Schumachers zustimmen: "Die Traktionskontrolle hilft einem nicht nur, wenn einem die Traktion abbricht, sondern auch, wenn das Auto ins Rutschen kommt, da zu diesem Zeitpunkt ein Hinterrad sich schneller dreht als das andere."

"Wenn ich zuvor eine Kurve vielleicht mit 160 km/h bei Halb-Vollgas durchfahren bin, so kann ich das nun mit rund 165 km/h unter Vollgas durchfahren, da ich weiß, dass sich das Auto selbst korrigiert, wenn das Heck ausbricht. Das bedarf allerdings vollsten Vertrauens in die Elektronik und es dauert natürlich eine Weile, bis man an diesen Punkt gekommen ist."

Toyotas neuer Fahrer Olivier Panis sieht das ähnlich und findet, dass es genau so etwas in der Formel 1 nicht geben darf: "Ich wünsche mir, dass die Flut der Elektronik in der Formel 1 wieder zurückgeht", so der Franzose in der 'motorsport aktuell'.

"Der Fahrer sollte wieder in den Vordergrund rücken. Ein Formel-1-Auto zu bewegen ist heutzutage sehr einfach. Traktionskontrolle und Startautomatik gehören verboten. Wenn ich heute am Kurvenausgang zu früh auf das Gaspedal stehe, korrigiert die Traktionskontrolle sofort und ich kann genauso beschleunigen wie üblich."

Neun-Punkte-Plan überflüssig?

Braucht die Formel 1 vielleicht gar keine Zusatzgewichte oder Einheitsreifen, um eine spannendere Formel 1 zu bekommen? Panis glaubt, dass durch ein Verbot der elektronischen Fahrhilfen sich viel in der Formel 1 verändern würde:

"Die ausgereifte Technik hat die Fehlerquote der Fahrer auf ein Minimum reduziert. Ohne einen wirklich groben Patzer des Vordermanns ist es kaum mehr möglich zu überholen."

Auch Ex-Formel-1-Pilot Martin Brundle sieht Handlungsbedarf: "Man muss in der Formel 1 gar nicht so viel verändern, es ist aber ganz klar im Moment nicht so aufregend wie es sein sollte. Meiner Meinung nach ist die Balance zwischen der Technologie und der Show im Moment bei der Formel 1 zu sehr in Richtung Technologie verschoben – wir sollten da wieder sehen, dass man einen Rückwärtsgang einlegt."

Kein Vorteil für die kleinen Teams

Michael Schumacher glaubt im Gegensatz zu Mike Coughlan allerdings, dass die Top-Teams wie Ferrari, Williams oder McLaren trotz der Freigabe der Elektroniken dennoch einen Vorteil haben, weil sie in der Lage sind, bessere Systeme zu entwickeln als die Konkurrenz.

Dies sei auch der Grund gewesen, warum Ferrari 2001 zunächst gegen die sofortige Freigabe gewesen sei. Die Konkurrenz vermutete damals, Ferrari wolle sich einen Vorteil sichern, Ferrari behauptete, man hätte ein solches System nicht schnell genug entwickeln können: "Ich denke, dass die guten Teams weiterhin im Vorteil sein werden."

Höhere Sicherheit bei Nässe

Für Michael Schumacher, der Sprecher der Fahrervereinigung GPDA ist, hat die Traktionskontrolle vor allem im Regen einen positiven Einfluss auf die Sicherheit. Tatsächlich ist es extrem schwer, das Heck eines Formel-Autos auf nasser Strecke im Griff zu haben - wer selbst schon einmal das Vergnügen hatte, einen echten Rennwagen zu steuern, weiß um die "Giftigkeit" des Gaspedals.

Somit, so Schumacher, seien nicht nur die Verdächtigungen aus der Welt geräumt, sondern auch noch die Sicherheit verbessert worden. Neben der Traktionskontrolle sind auch Automatikgetriebe erlaubt, was sich allerdings so gut wie nicht auf die Rundenzeiten auswirkt, besonders im Regen aber ebenfalls die Stabilität der Autos erhöht.

So könnte die Traktionskontrolle wieder aus der Formel 1 verschwinden

Die Traktionskontrolle wurde in der Formel 1 zugelassen, weil man in den Tiefen der elektronischen Steuerung der Motorenhersteller nicht nachweisen konnte, dass ein Motor "clean" arbeitete.

Am kommenden Montag könnte die Formel-1-Kommision beschließen, dass alle Autos mit einer standardisierten elektronischen Steuereinheit für den Motor ausgestattet werden. Dies würde zwar die Kompetenz eines Motorherstellers auf dem Elektronik-Sektor nicht mehr widerspiegeln, dafür jedoch könnte man kontrollieren, dass die Teams tatsächlich keine Traktionskontrolle mehr einsetzen.

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