Formel 1: News | 17.01.2003
Automobilhersteller drohen mit Startverzicht
Weil sie von der positiven Wirkung der Änderungen am Reglement nicht überzeugt sind, drohen die Hersteller mit einem Boykott.
Die Formel 1 steuert rund sieben Wochen vor dem Start der neuen Saison auf eine ernste Krise zu. Die von den kleinen Teams wie Minardi und Jordan begrüßten Änderungen am Reglement, welche die FIA den Teams am Mittwoch in einer Sitzung aufgezwungen hatte, in dem das bestehende Reglement strenger auslegt wird, dürften die in der GPWC zusammengeschlossenen Hersteller Ford, Renault, BMW, DaimlerChrysler und Fiat offenbar zum Großteil nicht akzeptieren.
Die GPWC-Vertreter sind der Meinung, dass das Verbot der Elektronik weder Kosten sparen noch für mehr Spannung sorgen wird: "Der Schuss könnte nach hinten losgehen, diese Regeln schaden unserem Sport", so Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug in einem Interview mit dem 'SID'. Der Schwabe fordert einen Kompromiss, ansonsten müsse man Konsequenzen ziehen, ein Startverzicht für Melbourne sei da durchaus denkbar. Die Hersteller dürften vor allem nicht einsehen, dass sie die Millionen von Euro, die sie in die Technik investiert haben, aus dem Fenster geworfen haben und für die Abschaffung der Elektronik sogar noch Geld auf den Tisch blättern müssten.
"Wenn die Teams nicht in der Lage sind, diese Regeländerungen umzusetzen, gibt es bis Melbourne ein größeres Problem", so Haug weiter, der keine Kosteneinsparung sehen kann und zudem befürchtet, dass die langsameren Teams noch langsamer werden und der Vorsprung von Ferrari anwachsen wird. 75 Prozent der geplanten Veränderungen am Reglement müsse man fallen lassen. Auch Jean Todt von Erzrivale Ferrari pflichtet Haug bei: "Man muss bedenken, dass eine Kostenreduktion selbst Kosten verursachen kann und es wird schwierig sein, die Autos vor dem ersten Rennen in Australien an das neue Reglement anzupassen."
Angeblich drohen die Hersteller sogar mit einer vorzeitigen Gründung einer Konkurrenzserie, also schon vor Ablauf des Concorde Agreements Ende 2007: "Das wäre glatter Vertragsbruch", so FIA-Präsident Max Mosley gegenüber der 'Wirtschaftswoche' und zeigt sich gelassen. "Die Teams würden nur aus der aktuellen Formel 1 aussteigen und sich einer Konkurrenzserie anschließen, wenn sie die Gewissheit hätten, dort mehr Geld zu verdienen. Ihre Vorstände und Aufsichtsräte würden derartigen Risiken niemals zustimmen."
Der Brite rechnet im Moment mit dem Schlimmsten, sieht aber selbst einem möglichen Rechtsstreit gelassen entgegen: "Im Falle einer juristischen Auseinandersetzung bin ich froh, auf der Seite zu stehen, die die Regelauslegung verteidigt", so Mosley gegenüber der 'Frankfurter Allgemeinen Zeitung'. Und schildert die Reaktion der Teams auf seine Pläne: "Sie waren zunächst einigermaßen schockiert. Die Mehrheit zeigte sich aber relativ schnell einverstanden. Wir wussten natürlich, dass es nicht die notwendige Einstimmigkeit geben würde."
Ferrari ist laut Mosley eines der Teams, die für das neue Reglement sind: "Sie sind zwar nicht glücklich, weil sie sich so einen Vorsprung erarbeitet haben. Aber sie sind mit der Philosophie, die dahinter steckt, einverstanden. Ferrari will mehr ein Auto als ein Flugzeug bauen." Glaubt man den Aussagen von Ferrari-Star Michael Schumacher ("Das neue Reglement ist für Ferrari von Vorteil, da ein Team, das schon Vorteile hat, auf so etwas besser reagieren kann") und jener Norbert Haugs, der mit einem noch größeren Vorsprung von Ferrari rechnet, so könnte man meinen, Ferrari werde von der FIA bevorzugt.
Gerade unter den Fans aber auch in der Formel 1 ist dieser Vorwurf seit Jahren fest verankert, was Mosley aber nicht auf sich sitzen lassen kann: "Als Ferrari verlor, da kann man sich vorstellen, dass die Leute gesagt haben, dass Bernie Ecclestone und vielleicht auch die FIA Ferrari aus kommerziellen Gründen hilft", so Mosley gegenüber dem 'Guardian'. "Aber wenn man an einen Punkt angekommen ist, an dem ihre Top-Fahrer bei jedem Rennen auf dem Podium stehen und die Leute wegen Ferrari den Fernseher ausschalten, dann muss jeder verrückt sein, der glaubt, dass wir ihnen helfen."
Nie habe man für Ferrari Partei ergriffen, wie Mosley versichert, die meisten Anschuldigungen rührten von dem "Windabweiser-Skandal" her, als McLaren Ferrari nach dem Gewinn des Konstrukteurstitel 1999 beschuldigte, illegale Windabweiser eingesetzt zu haben. Ferrari wurde nach dem Doppelsieg in Malaysia zunächst disqualifiziert, bekam den Sieg dann aber am grünen Tisch wieder zurück: "Hätte McLaren Ferrari gebeten zu beweisen, dass ihr Windabweiser im richtigen Winkel angebracht ist, dann hätten sie das wohl nicht gekonnt, da dieser vom Auto entfernt wurde. Aber das haben sie nicht klar gemacht."