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Es darf 2004 nur EINEN geben

Neue Ansprüche an die Aggregate der Königsklasse. Vom ersten Training am Freitag bis zur Zielflagge am Sonntag haben die Maschinen durchzuhalten...

Auch im Jahr 2004 dauert ein komplettes Grand Prix Wochenende in der Königsklasse des Motorsports drei ganze Tage an. Nachdem die Teams hierbei bereits in diesem Jahr mit unzähligen Regeländerungen zu kämpfen hatten, erwartet sie auch beim Saisonauftakt des nächsten Jahres eine große Unbekannte: Die neue Ein-Motoren-Regel.

Denn während sich die kleineren Teams wie Sauber, Jordan oder Minardi darüber freuen, dass sie im kommenden Jahr aufgrund des neuen Reglements und der damit verbundenen höheren Laufleistung erstmals die gleichen Motoren wie die jeweiligen Werkteams erhalten, leben alle zehn Teams und 20 Piloten momentan mit der Angst vor Ausfällen, Defekten und weniger Leistung.

Entsprechend könnte der erste Schlagabtausch der Titelrivalen im australischen Albert Park zu Melbourne bereits im samstäglichen freien Training einen herben Dämpfer erleiden, wenn einer der Titelanwärter eine weiße Rauchwolke hinter sich herziehen sollte. Schließlich bedeutet dies in der Saison 2004 nicht mehr nur verlorene Trainings- und Abstimmungsminuten, sondern auch eine Zurückversetzung in der Startaufstellung um ganze zehn Plätze.

Für BMW-Motorsportdirektor Mario Theissen fällt die Bestrafung dabei aber sogar noch „zu gering“ aus: „Im Endeffekt muss das Handicap in diesem Fall so groß sein, dass niemand auch nur ansatzweise auf die Idee kommt, das Risiko bewusst einzugehen, um im Endeffekt dadurch dennoch unmöglich einen Vorteil zu erhalten.“

Mit anderen Worten bedeutet dies: Niemand sollte freiwillig einen Motorschaden im Training und damit eine Bestrafung riskieren, um dann mit einem auf weniger Laufleistung ausgelegten, dafür aber stärkeren, Aggregat im Rennen anzutreten. Geteilt wird diese Befürchtung hierbei vom technischen Direktor bei Cosworth Racing, Nick Hayes: „Aufgrund der neuen Regel gibt es etwas Verwirrung, denn manche Teams könnten sich dafür entscheiden am gesamten Wochenende weniger zu fahren und somit einen Motor zu bauen, der weniger lange hält.“

„Dies könnte ihnen dann einen einschneidenden Leistungs-Vorteil gegenüber einem Team mit einem Motor geben, welcher für ein gesamtes Rennwochenende entworfen wurde.“ Der Grund hierfür ist recht simpel: „Nehmen wir an, dass wir uns dazu entschlossen haben einen Motor mit einer Lebenserwartung von 750 Kilometern zu benutzen, um danach einen Motorschaden zu erleben. Bei einem Motorwechsel erhält man nun eine Strafe und wird in der Startaufstellung nach hinten versetzt, aber was hält einen dann davon ab einen neuen Motor einzusetzen der nur so lange hält bis das Rennen vorbei ist?“

Entsprechend sieht Hayes die Gefahr, dass ein Team mit genügend finanziellen Ressourcen mehrere Motoren mit unterschiedlichen Lebensspannen mitbringen könnte, um sich somit einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz zu verschaffen. „Es könnte auch der gleiche Motor sein, bei dem man jedoch viel Arbeit in das Managementsystem investiert hat, um ihn mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten für unterschiedliche Lebensspannen einzusetzen.“

Eine etwas andere, aber keineswegs weniger einfallsreiche, Variante hat man unterdessen bei McLaren Mercedes in die Tat umgesetzt: „Man könnte sich fragen, warum man die Austauschzeit für einen Motor verbessern sollte, wenn man dafür eine Strafe bekommt,“ erklärt McLaren-Geschäftsführer Martin Whitmarsh zu diesem Thema. „Nun, der Motor ist das einzige Teil, das bis zum Qualifying am Samstag das gleiche bleiben muss. Deswegen ruft es einen Motorwechsel hervor, wenn ein Fahrer ein Problem mit einem anderen Teil hat und somit ins T-Car wechseln muss – außer er springt in ein T-Car, welches keinen Motor hat. Mit anderen Worten kann man die Bestrafung damit umgehen, dass man den Motor vor dem Inkrafttreten der Parc Fermé Regel am Samstag in ein anderes Auto einbaut.“

Bei all diesen Möglichkeiten und Überlegungen erscheint eine Aussage von Niki Lauda über die neue Motorenregelung nicht mehr ganz so simpel, wie es der Ex-Weltmeister und Ex-Jaguar-Teamboss sich vorgestellt hat: „Was hat sich schon geändert? Die Motoren müssen jetzt 800 statt 400 Kilometer halten, also muss man nur die Verschließteile stärker machen.“

Nick Hayes kann darüber allerdings nur lachen. „Man kann nicht einfach alles zwei Millimeter dicker machen,“ so der Cosworth-Mann, „denn dies würde die Leistung an anderer Stelle beeinflussen und dies führt zu einer multidimensionalen Herausforderung, bei welcher man alle Bereiche optimieren muss.“

Ein möglicher Lösungsansatz wäre hierbei einfach alles „sein zu lassen“ und den Motor einfach „langsamer“ bei niedrigeren Drehzahlen zu fahren, „aber so gewinnt man keine Rennen.“

Entsprechend erwartet Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug aufgrund der harten Arbeit seiner Motorenleute in Stuttgart und Brixworth auch keinerlei großartige Leistungseinbußen bei den neuen langlebigen Triebwerken. „Als die neue Motorenregel offiziell bekannt gegeben wurde, sagten die Leute, dass wir Leistung und Drehzahlen verlieren würden. Nun erwarten wir jedoch auch in der nächsten Saison den Level von 2003 halten zu können.“

Die Zuverlässigkeit – egal wie sie für die 800 bis 900 Kilometer Laufleistung erreicht wird – wird hierbei allerdings trotzdem der entscheidende Schlüsselfaktor bleiben. Schließlich möchte kein Team alle Rennen von Platz elf beginnen, obwohl man eigentlich die Konkurrenz in Grund und Boden gefahren hatte und die Pole Position belegte.

Entsprechend sagt auch BMW-Motorsportdirektor Mario Theissen: „Seit unserem Wiedereinstieg in die Formel 1 im Jahr 2000 haben wir das Netz der Qualitätskontrolle immer enger geknüpft und damit eine wichtige Basis für 2004 gelegt. Denn mit der Ein-Motoren-Regel kommt der Zuverlässigkeit nochmals höhere Bedeutung zu.“

Für Haug stellt dies dabei eine „riesige Herausforderung“ dar, welche allerdings mit dem positiven Testauftakt des neuen MP4-19 bislang gut gemeistert wurde. „Die große Frage ist nun jedoch wie viel besser unser neues Auto sein muss um die Konkurrenz zu schlagen?“

Die Antwort auf diese Frage kennt man natürlich auch bei BMW nicht, doch weiß Mario Theissen wenigstens den theoretischen Weg zum zuverlässigen Motoren-Glück: „Für erhöhte Laufzeiten – in diesem Fall bis zu 100 Prozent – muss jedes einzelne Teil robuster angelegt werden. Die Herausforderung hieß: Verdopplung der Standfestigkeit des BMW P83 bei möglichst geringer Gewichtszunahme und Leistungseinbuße. Jede Komponente muss aus diesem Grund so stabil wie nötig, aber auch so leicht wie möglich werden.“

Demzufolge wurde das „gesamte Konzept“ überprüft und die „Lebenserwartung jedes einzelnen Bauteils“ optimiert. „Rund die Hälfte der Komponenten – wie beispielsweise Kolben oder Pleuel – wurden bislang nach rund einer Renndistanz getauscht. Jetzt müssen sie statt 300 Kilometer 800 Kilometer halten. Das Kunststück besteht darin, überall soviel Material wie möglich einzusparen, ohne zu große Risiken einzugehen. Zurzeit arbeiten wir an der Zuverlässigkeit und befinden uns auf einem guten Weg. Ab Februar steht dann die Leistungssteigerung auf dem Programm.“

Und ab März müssen dann sowohl die Leistung als auch die Zuverlässigkeit stimmen, denn dann könnten bei der ersten Zusammenkunft im Albert Park zu Melbourne schon die geringsten Rauchzeichen aus dem Heck des Boliden einen Fehlstart in das neue F1-Jahr bedeuten...

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