MOTORSPORT

  • Motorline auf Facebook
  • Motorline auf Twitter

Servus Gerhard!

Am kommenden Wochenende hat Gerhard Berger seinen letzten Einsatz als BMW-Motorsportchef. Großes Interview und Wortspenden seiner Wegbegleiter.

Gerhard Berger sagt leise Servus. Am kommenden Wochenende, 12. bis 14. September, hat er beim Großen Preis von Italien in Monza seinen letzten Formel-1-Einsatz als BMW Motorsport Direktor. Bereits seit Saisonbeginn steht fest, dass der 44-jährige Österreicher seinen am Monatsende auslaufenden Vertrag für dieses Amt nicht verlängern wird.

„Es war eine schwere Entscheidung“, sagt Berger, „die Aufgabe und die Zusammenarbeit mit BMW waren toll. Aber nun will ich nach fast 25 Jahren Vagabundenleben einfach kürzer treten.“

Nach 14 Jahren und 210 Grands Prix als Formel-1-Pilot war der Tiroler im Oktober 1998 als BMW Motorsport Direktor angetreten. Auch die neue Aufgabe in der Doppelspitze mit Mario Theissen wurde zur Erfolgsstory. 1999 gewann BMW mit dem BMW V12 LMR sowohl die 24 Stunden von Le Mans als auch die 12 Stunden von Sebring gegen härteste Konkurrenz.

Beim Debütrennen des Formel-1-Comebacks fuhr BMW im März 2000 in Melbourne auf Anhieb auf den dritten Platz. Am Saisonende belegte das BMW WiliamsF1 Team ebenso wie 2001 Rang drei in der FIA Formel-1- Weltmeisterschaft der Konstrukteure. 2002 schob sich BMW mit Partner WilliamsF1 auf den zweiten Platz in der Hersteller-WM. 2003 greift das Team bereits in den Titelkampf ein.

Parallel zum Formel-1-Engagement triumphierte BMW 2001 mit dem M3 GTR in der American Le Mans Series (ALMS) und gewann dort die Marken-, Team- und Fahrermeisterschaft. Von 1999 bis 2002 sammelte BMW insgesamt 38 Tourenwagentitel.

In der Talentförderung debütierte 2002 der Formel BMW – ein hochmoderner Monoposto als Einheitsfahrzeug für die Deutsche Formel BMW ADAC Meisterschaft. Seit 2003 ist eine asiatische Schwesterserie am Start.

„Diese Erfolgsbilanz ist darauf zurückzuführen, dass es uns gelungen ist, ein wirklich erstklassiges Team zu formen, das enorme Begeisterung und Einsatzbereitschaft gezeigt hat. Ich werde zur Marke BMW und zur gesamten Mannschaft bei BMW Motorsport auch nach 2003 den Kontakt halten“, sagt Berger.

Das Interview mit Gerhard Berger

Angesichts der derzeitigen Leistungen des BMW WilliamsF1 Teams kann man nicht sagen, sie verließen ein sinkendes Schiff. Weshalb gehen Sie als Lotse von Bord?

Gerhard Berger: Man soll doch gehen, wenn es am schönsten ist, oder nicht? Im Ernst: Ich habe wirklich sehr lange mit dieser Entscheidung gerungen. Aber letztlich hat sich das Gefühl durchgesetzt, dass jetzt für mich persönlich der richtige Zeitpunkt zum Aufhören ist. Ich mag einfach nicht mehr so hektisch leben, ich will mich zurücklehnen können und herausfinden, was mir außer einem wie auch immer gearteten Job im Motorsport noch etwas bedeutet. Ich hatte eine wunderschöne Zeit als Fahrer, und ich hatte fünf tolle Jahre bei BMW. Ich bin dankbar, dass man mir dort das Vertrauen entgegengebracht hat, mich auch unternehmerisch zu profilieren. Die Zusammenarbeit mit den Leuten, allen voran mit Mario Theissen, hat hervorragend harmoniert. Einen Partner wie den Mario, mit dem die Ergänzung so optimal klappt und zu dem ich so großes Vertrauen habe, werde ich kaum wieder finden, was auch immer ich vielleicht noch beruflich anfange. Wir haben viel auf die Beine gestellt und viele Erfolge erzielt.

Wenn BMW eines Tages wieder die WM gewinnen sollte, dann sind Sie nicht mehr im Boot. Würde das schmerzen?

Berger: Nein, überhaupt nicht. Ich wäre stolz, immerhin habe ich die Mannschaft, die jetzt um die WM kämpft, ja mit aufgestellt. Ich bin überzeugt, dass die Truppe reif für den Titel ist und drücke ihr die Daumen.

Wie schwer war die Umstellung vom Piloten zum Direktor?

Berger: Team- und Konzerndenken waren die wichtigsten Aufgaben. Als Pilot muss man Egozentriker sein, als Mannschaftskapitän ist das kontraproduktiv. Beim Einfinden in das nüchterne Konzerndenken und die Strukturen eines großen Automobilherstellers wie BMW hat mir Mario natürlich sehr geholfen. Er kennt das Unternehmen mit all seinen Systemen in- und auswendig. Ich habe gelernt, mich mit vielen Details und Parametern auseinanderzusetzen, die einem als Fahrer herzlich egal sind.

Was hatten Sie sich als BMW Motorsport Direktor vorgenommen, und was haben Sie erreicht?

Berger: Es waren fünf erfolgreiche Motorsport-Jahre für BMW. Der Le Mans-Sieg 1999, der gute Formel-1-Einstieg, die ersten Siege, der zweite WM-Platz im vergangenen Jahr, dazu Siege in der Tourenwagen-Europameisterschaft, und auch die Formel BMW entwickelt sich sehr gut. Diese Erfolge kann ich mir nicht allein ans Revers heften. Aber ich denke schon, dass der Auftrag, den ich 1998 vom damaligen BMW Vorstandsvorsitzenden Bernd Pischetsrieder bekommen habe, optimal erledigt worden ist. Wir haben für die verschiedenen Bereiche schlagkräftige Mannschaften aufgestellt und gut organisiert. Dabei war es uns immer wichtig, BMW sowohl in sportlicher Hinsicht als auch im Auftritt so zu platzieren, dass es zum Unternehmen passt und ihm nützt. Der Fünfjahres-Vertrag mit WilliamsF1, an dem wir hart verhandelt haben, war genau der richtige Abschluss für meine Amtszeit.

Welcher Erfolg hat Ihnen in den fünf Jahren am meisten bedeutet?

Berger: Normalerweise ist für mich die Formel 1 das Maß der Dinge. Aber einer der schönsten Momente war doch der Le Mans-Sieg 1999. Wir sind gegen ein außergewöhnlich starkes Feld angetreten. Und wir waren sicher nicht in der Favoritenrolle. Ich weiß noch, wie Journalisten mir erklärt haben, was die Konkurrenz alles drauf hat und dass wir praktisch keine Chancen haben. Aber ich hab an unser Konzept geglaubt. Wir hatten ein richtig gutes Chassis mit dem unverwüstlichen BMW V12-Zylinder und hatten damit schon das 12-Stunden- Rennen in Sebring gewonnen. Die BMW Techniker zusammen mit der Schnitzer- Truppe waren eine Top-Mannschaft, Charly Lamm ist für mich eh der beste Stratege, und wir hatten auch richtig schnelle Piloten verpflichtet. Diese 24 Stunden waren ein unvergessliches Erlebnis und mit Sicherheit auch für mein Standing im Hause BMW wichtig. Ich hatte mich mit ein paar Entscheidungen nicht gerade beliebt gemacht.

Waren Sie anfangs skeptisch, weil BMW den Formel-1-Motor mit allem, was dazugehört, in Eigenregie bauen wollte?

Berger: Nachdem ich mir einmal hab zeigen lassen, was in München, speziell im FIZ [BMW Forschungs- und Innovationszentrum], alles möglich ist, habe ich keine Sekunde gezweifelt. Ich bin sicher, dass BMW mit all seinen Ressourcen auch ein gutes Formel-1-Chassis bauen könnte. Aber es stimmt schon: Am Anfang haben einen die Leute für größenwahnsinnig gehalten. Und es war schon ein gewisses Risiko, beispielsweise das Motormanagement von Anfang an selbst zu entwickeln und herzustellen. Schlussendlich war es goldrichtig, eine eigene Fabrik und andere Anlagen wie die F1-Gießerei zu bauen und die eigenen Leute herzunehmen. Dass die BMW Techniker und Ingenieure gut sind, sieht man auch daran, dass die Konkurrenz hinter ihnen her ist.

Können Sie bei einer GP-Übertragung ruhig auf dem Sofa sitzen?

Berger: Das kommt drauf an. Bei einem relativ faden Rennen schon. Aber heuer sind die Rennen so spannend, dass mir auch zu Hause bei der Übertragung nie langweilig geworden ist. Und da ich unsere Stärken und Schwächen genau kenne, gibt es schon Momente, in denen eine gewisse Nervosität aufkommt.

Welche Grands Prix werden Sie vermissen, und bei welchen Destinationen sind Sie froh, jetzt daheim bleiben zu können?

Berger: Meine absoluten Lieblingsziele waren früher Rio und Adelaide. Tolle Städte. Auch nach Montreal und Budapest bin ich immer gern gefahren. Aber ich hatte es noch nie besonders eilig, nach Magny-Cours zu kommen.

Was haben Sie vermisst in den vergangenen fünf Jahren?

Berger: Dasselbe, was ich schon in meiner Fahrerkarriere angefangen habe zu vermissen: Zeit. Mein Leben war immer komplett verplant. Jede Woche, jeder Tag. Und wenn dann tatsächlich einmal Urlaub anstand, dann habe ich mir vorher schon tausend Sachen überlegt, die ich dann unbedingt tun möchte. Es gelingt mir einfach nicht, in den Tag hinein zu leben.

Welche Rolle hat Ihre Familie bei Ihrem Entschluss, den BMW Vertrag nicht zu verlängern, gespielt?

Berger: Keine aktive in der Hinsicht, dass Ana oder die Kinder gesagt hätten, ich soll mit dem Job aufhören. Die wissen schon, dass man mich nicht anbinden kann. Aber ich will einfach mehr von ihnen mitbekommen. Ich habe viel verpasst. In den letzten Monaten hatten wir mehr Zeit füreinander, und ich spür, was sich daraus entwickelt. Trotzdem ist es noch nicht genug Zeit.

Wie stark beschäftigen Sie sich mit der Spedition Ihrer Eltern in Tirol?

Berger: Ich habe miterlebt, wie meine Eltern die Firma groß gemacht haben, und momentan steckt dieses ganze Gewerbe in einer schwierigen Phase. Es geht um Arbeitplätze, auch von Leuten, mit denen ich aufgewachsen bin. Insofern setze ich mich schon intensiv für die Spedition ein, ich halte das für eine ganz normale Pflicht. Aber ich gehe davon aus, dass ich da nicht ewig gebraucht werde. Ich werde sicher nie Fulltime- oder Vollblut-Spediteur.

Nachdem Sie auch nicht faulenzen können – was machen Sie denn dann?

Berger: Das weiß ich noch nicht. Zuerst will ich mal schauen, ob oder wie arg mir die Arbeit im Motorsport fehlt. Falls ich ohne die Formel 1 nicht klarkomme, werde ich mich dort nach einer geeigneten Aufgabe umschauen. Es gibt aber einiges, was mich unternehmerisch außerhalb des Sports interessiert. Immobilien beispielsweise. Ich muss da jetzt nichts übers Knie brechen. Noch bin ich weit davon entfernt, so etwas wie die ersehnte Langeweile zu verspüren.

Die Wortspenden Gerhard's Wegbegleiter

Dr. Burkhard Göschel, BMW Vorstandsmitglied für Entwicklung und Einkauf:
Gerhard Berger ist 1998 in der Vorbereitungsphase unseres F1-Projektes an Bord gekommen. Mitgebracht hat er eine langjährige Verbindung zu BMW als Rennfahrer, seinen Erfahrungsschatz aus der Formel 1 und seine sympathische Persönlichkeit. Er hat maßgeblichen Anteil daran, dass unser junges Team sich so schnell und nahtlos in der Formel 1 etabliert hat und bereits in diesem Jahr um den WM-Titel kämpft. Inzwischen steht das Team, der Auftrag ist sozusagen erfüllt. Gerhard Berger zieht sich als Motorsport Direktor zurück, die Verbindung zu BMW wird nicht abreißen. Einen Nachfolger wird es nicht geben, seine Aufgaben übernimmt Mario Theissen.

Dr. Mario Theissen, BMW Motorsport Direktor:
Die viel zitierte Doppelspitze mit Gerhard war für mich eine ganz spezielle Erfahrung. Anfangs waren wir beide skeptisch, rückblickend kann man sagen: Experiment mehr als geglückt. Fachlich und von der Chemie her lagen wir fast immer auf einer Linie, mit geschickt eingeteiltem Zweischichtbetrieb konnten wir den vielfältigen Anforderungen des Motorsports gerecht werden. Vom Le Mans-Sieg über den Einstieg in die Formel 1 bis zur heutigen Leistungsstärke fallen viele Erfolge in die gemeinsame Zeit. Genauso einprägsam sind der Spaß bzw. die Späße, die unterwegs angefallen sind. Darüber sollte allerdings noch etwas Gras wachsen. Servus Gerhard!

Frank Williams, WilliamsF1-Teamchef:
Als Gerhard noch Fahrer war, haben wir mehrfach miteinander verhandelt. Im Wesentlichen ist es immer daran gescheitert, dass er zu viel Geld haben wollte. Ich muss zugeben, ich habe es genossen, ihn nun doch noch für ein paar Jahre bekommen zu haben – kostenlos!

Patrick Head, Technischer Direktor WilliamsF1:
Gerhard war immer ein harter Verhandlungspartner, in allen Gesprächen, die wir hatten. Er ist sehr offen und gerade heraus, er sagt, was er denkt. Bekanntlich gab es von ihm harte Worte über die Leistungen des Teams. Aber es blieb ehrlich. Persönlich hatte ich damit keine Probleme, ich denke, wir haben ein sehr gutes und offenes Verhältnis miteinander.

Ralf Schumacher:
Das ist ja fast tragisch: Erst hat man Jahre lang keine Ausreden, weil der Herr Direktor Ex- Fahrer ist und so etwas durchschaut, und dann hat man endlich Titelchancen, da steigt er aus! Spaß beiseite: Ich habe Gerhard als Fahrer, als Konkurrent und als ‚Chef’ geschätzt. Er wird mir fehlen.

Juan Pablo Montoya:
Mit Gerhard zu arbeiten, war wirklich großartig. Er hat mir vor allem in meinem ersten Formel-1-Jahr viele Tipps gegeben und mir seine Erfahrung zur Verfügung gestellt, wann immer ich sie brauchte. Es ist extrem schade, dass er das Team verlässt.

Bernie Ecclestone:
Ich kenne Gerhard seit 20 Jahren. In den frühen Jahren hatten wir dank ihm und seines verrückten Humors eine Menge Spaß. Inzwischen sind wir etwas vernünftiger geworden, aber es ist schön, sich an die herrlichen Streiche zu erinnern, die er uns allen gespielt hat. Außerdem war er ein verdammt guter Fahrer und pfiffig genug, um ohne Manager auszukommen.

Sid Watkins, FIA Medical Delegate:
Ich habe Gerhard nach seinen Unfällen immer gern eingesammelt. Er liebte es, sich auf die Rücksitzbank zu legen, wenn wir zum Medical Centre fuhren. Ich erinnere mich an einen Unfall, den er mit Michael Andretti hatte. Gerhard war als Erster bei uns im Auto und legte sich hin wie üblich. Dann kam Michael – und setzte sich auf seinen Kopf. Ich hoffe, Gerhard wird in der Zukunft so viel Spaß haben wie in der Vergangenheit.

Charly Lamm, Teammanager Schnitzer-Motorsport:
Gerhard fuhr von 1984 bis 1986 für uns Läufe zur Tourenwagen-EM. Er war ein junger Wilder aus der Formel 3 – mutig, engagiert, jede Chance nutzend. Mit Roberto Ravaglia und Marc Surer hat er 1985 in Spa für den ersten BMW Schnitzer-Sieg bei einem 24- Stunden-Rennen gesorgt. Der Kontakt ist danach nie abgebrochen. Als er BMW Motorsport Direktor wurde, war er für uns nie Chef aus Autorität, sondern aus Kompetenz. Er hat uns die 24 Stunden von Le Mans 1999 zugetraut, und dort haben wir einen weiteren Meilenstein gemeinsam geschafft.

News aus anderen Motorline-Channels:

Weitere Artikel:

Rechbergrennen: Bericht

Der Rechberg lebt…und bebt

Der Rechberg lebt…und bebt…auch bei der 51. Auflage. Kevin Petit und Reto Meisel sind die Dominatoren des Berg-Klassikers. Christoph Lampert bester Österreicher. Neuer Streckenrekord und Höchstleistungen im Almenland.

DTM: Die große Saisonvorschau

DTM 2025: Es ist angerichtet

Die DTM geht in ihre 41. Saison. Am Start sind 24 Fahrer mit 14 Nationalitäten, die Renner von neun unterschiedlichen Marken pilotieren und damit die optimalen Voraussetzungen schaffen für spannenden und Action-reichen Motorsport

GP von Saudi Arabien: Bericht

Piastri gewinnt vor Verstappen!

Max Verstappen liefert beim Rennen in Dschidda mehr Gegenwehr als erwartet, wegen einer Zeitstrafe ist er aber gegen Oscar Piastri letztendlich chancenlos

DTM-Auftakt in Oschersleben

Hintergründe, Analyse, große Galerie

Auer und Güven siegten am ersten DTM-Rennwochenende – so weit bekannt. Was hinter den Kulissen passiert ist, beleuchten wir bei motorline.cc genau.

Vorschlag für mehr Spannung

Alle drei Reifen-Mischungen als Pflicht?

Die Diskussionen um den niedrigen Reifenverschleiß und die "Dirty Air" gehen weiter: George Russell hat eine Idee, Routinier Fernando Alonso winkt hingegen ab

Rallycross: Wachauring

Spannung vor dem Saisonstart

Mit Spannung wird das erste Rennen der österreichischen Staatsmeisterschaft am 26. und 27. April am Wachauring in Melk erwartet. Mit den Piloten der FIA Zentraleuropa-Meisterschaft stehen europäische Toppiloten in der Wachau an der Startline.