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Das neue F1-Reglement auf dem motorline.cc-Prüfstand

Die neuen F1-Regeln auf dem motorline.cc-Prüfstand: Gedanken über die Vor- und Nachteile, die sich aus dem neuen Regelwerk ergeben könnten...

Michael Noir Trawniczek

„Paket Nr.2“ hat also das Rennen gemacht – man erinnere sich: Weil die Herren Teamchefs respektive Entscheidungsträger keine Entscheidung treffen konnten, hat die Motorsportbehörde FIA nun eines der drei von ihr vorgeschlagenen Maßnahmenpakete durchgeboxt. Und auch das Qualifying wurde für das kommende Jahr modifiziert.

Die neuen Regeln und das neue Qualifying finden Sie in der Navigation rechts unter FIA-Regeln 2005 und Qualifying 2005!

FIA-Präsident Max Mosley hat sich wieder einmal durchgesetzt. Er will schon seit Jahren den Teams beim Sparen helfen und die Formel 1 kostengünstiger gestalten. Und seit Jahren kämpft er gegen das Concorde-Abkommen, welches bis zum Jahr 2007 gültig ist und Regeländerungen nur mit einer Einstimmigkeit der zehn Teambosse erlaubt. Außer es handelt sich um eine Frage der Sicherheit – und genau hier hat Mosley angesetzt. Er konnte sein Paket durchsetzen, weil er sämtliche Punkte als Sicherheitsmaßnahmen deklariert hat. Einige besorgniserregende Unfälle haben dem Briten bei seinem Unternehmen in die Hände gespielt...

Wie schon seine vorrangegangenen Regeländerungen und die dazugehörenden Änderungen der Regeländerungen im Jahr 2003 ist auch das Regelwerk für die Jahre 2005 und 2006 umstritten. Einige Punkte scheinen glaubhafte Verbesserungen zu bringen, andere wiederum wirken haarsträubend. Das hängt natürlich, wie alles im Leben, vom Standpunkt des Betrachters ab...

In dieser Saison gab es einige wirklich spannende Rennen, was großteils an den neuen Tilke-Strecken oder an anderen Umständen wie dem Wetter lag. Trotzdem wäre es wohl besser, die Autos so umzubauen, dass Überholmanöver erleichtert werden, als neue Strecken bauen zu müssen. Hier wurde ein Schritt in die richtige Richtung gesetzt, andere Maßnahmen jedoch stoßen immer noch auf Unverständnis bei den Fans und den Aktiven...

In unserer motorline.cc-Analyse betrachten wir das neue Maßnahmenpaket aus den Augen jener, auf die es in diesem Sport ankommt – aus jenen der Zuschauer. Aber auch die von der FIA versprochenen Ziele wie Geschwindigkeitsreduktion oder Sparsamkeit wollen bedacht werden...

Sicher müssen die Autos ein wenig eingebremst werden und sicher kann eine gewisse Sparsamkeit auch in der Formel 1 nicht schaden – doch es regiert der König. Der Kund ist der König, er zahlt. Die Fans erwarten spannenden und mitreißenden Motor-Sport. Kommt das neue Regelwerk diesen Ansprüchen entgegen?

Zeugnisverteilung...

Eine subjektive Annäherung – Punkt für Punkt...ein Zeugnis für Max Mosley, mit den aus der Schule bekannten Noten, von 1 (Sehr Gut) bis 5 (Nicht Genügend), für die „Fächer“ Geschwindigkeitsreduktion, Sparsamkeit und Verbesserung des Sports....


Aerodynamikbeschnitt:

Jawohl, ein großes Lob für Herrn Mosley – was jahrelang von verschiedenen F1-Experten, von den Piloten bis zu den Technikern, gewünscht wurde, wird nun endlich auch umgesetzt: Anhebung des Frontwings, Vorversetzung des Heckflügels, Reduktion der Diffusor-Höhe und eingeschränktes Bodywork vor den Hinterrädern. Also eine Reduktion der Aerodynamik.

Mosley möchte damit die F1-Boliden einbremsen, zugleich aber könnte dadurch das Überholen leichter fallen respektive die vielzitierte „Dirty Air“ weniger hinderlich sein, wenn man sich an das Heck des Vordermanns ansaugt.

Dass damit die Kosten sinken werden, ist jedoch eine Illusion. Die Windkanäle der Spitzenteams werden wie eh und je rund um die Uhr laufen – vor allem dann, wenn neue Regeln eingeführt werden...

Bleibt noch die Frage, ob die errechneten 25 Prozent an Aerodynamik-Reduktion auch ausreichen, da zugleich wesentlich härtere Reifenmischungen eingesetzt werden und dann wiederum der aerodynamische Abtrieb größer als der mechanische Abtrieb sein könnte. Auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung!

Die Noten:
Geschwindigkeitsreduktion: Sehr Gut
Sparsamkeit: Befriedigend
Verbesserung des Sports: Gut
Gesamt: Gut

Reifenbeschränkung sowie härtere Mischungen:

Nur noch ein Reifensatz für Qualifying und Rennen. Reifenwechsel im Rennen nur bei Beschädigung möglich. Durch die Limitierung werden die Reifenmischungen um ein Vielfaches härter ausfallen. Einmal mehr reduziert die FIA die Kurvengeschwindigkeit über die Reifen – nach der Reduktion der Auflagefläche durch die Rillen nun also die „Holzreifen“.

Eines scheint sicher – die Autos werden mehr rutschen, die Piloten werden wieder mehr Fehler begehen, das könnte sich im Rennen positiv auswirken, vor allem wenn beispielsweise ein Fahrer seine Reifen nicht ausreichend schont und dann aufgrund eines Performanceverlusts von seinen Konkurrenten gejagt wird. Ein Pluspunkt für den Sport.

Ungewiss ist die Frage, wie sich das Reifenwechselverbot auf die Boxenstrategien auswirken wird. Dass die Gummigiganten wegen der härteren Mischungen weniger testen werden, ist unwahrscheinlich. Im Gegenteil – man wird so viel testen wie noch nie zuvor...

Die Noten:
Geschwindigkeitsreduktion: Gut
Sparsamkeit: Nicht Genügend
Verbesserung des Sports: Befriedigend
Gesamt: Befriedigend

Zwei-Wochenend-Motoren ab 2005:

Eine Katastrophe. Viele Fans können und wollen nicht verstehen, was ein Haltbarkeitsmotor mit Rennsport zu tun haben soll. Diese Regelung hat sich schon heuer als äußerst kontraproduktiv erwiesen – denn die Teams geizen mit den Runden, wollen das Triebwerk natürlich schonen. War es in diesem Jahr der Ein-Wochenend-Motor, so kommt 2005 der Zwei-Wochenend-Motor. Der Rundengeiz wird steigen. Die Leidtragenden sind die Zuschauer und die Piloten.

Dass diese Maßnahme besonders sparsam ist, kann man nur schwer nachvollziehen Dass eine niedrigere Stückzahl an produzierten Aggregaten die Entwicklungskosten wettmacht, ist nahezu unvorstellbar. Im Gegenteil – wieder müssen die Motorenabteilungen ihre Designbüros und Prüfstände rund um die Uhr in Betrieb halten, um den neuen Gegebenheiten entsprechen zu können. Max Mosley’s und die sündteuren Sparmaßnahmen...
Besorgniserregend ist jene Tatsache, dass diese Zwei-Wochenend-Motoren auf irgendeine Art und Weise kontrolliert werden müssen – also durch Versiegelung beispielsweise. Denn es dürfen ja keine Teile ausgetauscht werden. Wie will Mosley das kontrollieren? Kollege Stephan Heublein spricht in dieser Angelegenheit süffisant von einem „Truck Fermé“, in dem Mosley die Autos oder die Motoren aufbewahren könnte. Oder versiegelte Motoren in den F1-Fabriken – es drohen zahlreiche Affären und Streitereien, in wie weit dieses oder jenes Team zuhause sich womöglich am eigenen Motor vergriffen haben könnte...

Die Geschwindigkeitsreduktion aufgrund der Zwei-Wochenend-Motoren ist marginal, da sind sich die Techniker der Teams einig – man fragt sich, wozu also das Ganze?

Die Noten:
Geschwindigkeitsreduktion: Nicht Genügend
Sparsamkeit: Nicht Genügend
Verbesserung des Sports: Nicht Genügend
Gesamt: Nicht Genügend

2,4 Liter V8-„Einheits“-Motoren ab 2006:

2006 feiert der Zehnzylinder seinen Abschied – Mosley hat den 2,4 Liter V8-Motor durchgesetzt. Der V10 darf von den privaten Teams mit einer Drehzahlbegrenzung weiter verwendet werden. Dass damit gespart werden soll, ist nicht anzunehmen, da wiederum Entwicklungskosten anfallen – die Maßnahme gilt der Geschwindigkeitsreduktion.

Nur – sie geht auf Kosten der Fantasie. Der technischen Fantasie. Das technische Regelwerk der Königsklasse ist ohnehin recht engmaschig, doch mit seinem Motorenreglement für das Jahr 2006 schießt Mosley den Vogel vollends ab. Denn sämtliche relevante Technikdetails wie Hub, Bohrung, Materialien, Ventilsteuerung etc sind vorgegeben – der F1-Motor des Jahres 2006 ist de facto ein Einheitsmotor.

Kein Wunder, dass Werke wie Honda, BMW oder auch Toyota sich gegen diese Maßnahmen wehren. Anstatt die Vielfalt zu fördern, reduziert man die technischen Möglichkeiten auf ein Minimum.

Gelobt sei die Zeit, in der man in der Formel 1 eine Palette an Antriebskonzepten vorfand – vom 12 Zylinder-Boxer-Motor über den V8-Sauger zum Sechszylinder-Turbomotor. Mosley zerstört mit seinem 2006er-Reglement die Innovation im F1-Motorenbau – und vergrault damit nicht nur manche Hersteller, sondern auch viele Fans...

Bedenken haben die Fans auch deshalb, weil diese V8-Motoren derart schwachbrüstig daherkommen werden, dass sich die Königsklasse bald nicht mehr von Nachwuchsformeln wie der neuen GP2 oder der fernöstlichen A1-Serie abheben könnte. Zudem wird der Speed ohnehin durch die härteren Reifen reduziert – die V8-Motoren wären deshalb nicht zwingend notwendig, wie viele Techniker bereits offenbart haben...

Die Noten:
Geschwindigkeitsreduktion: Genügend
Sparsamkeit: Nicht Genügend
Verbesserung des Sports: Nicht Genügend
Gesamt: Nicht Genügend

Keine Testbeschränkung:

Das Lustigste ist, dass Mosley zwar die Kosten reduzieren möchte, so sagt er zumindest, dass zugleich aber keinerlei Testeinschränkung vorgenommen wurde. F1-Experten sprechen davon, dass aufgrund der neuen Regeln künftig so viel getestet wird wie noch nie zuvor. Dafür wird man an den Rennwochenenden aufgrund der Reifen- und Motorenlimitierung so wenig wie möglich auf die Strecke fahren. Bravo! Es lebe der Sport!

Die Noten:
Geschwindigkeitsreduktion: -
Sparsamkeit: Nicht Genügend
Verbesserung des Sports: Nicht Genügend
Gesamt: Nicht Genügend

Qualifikationsmodus:

Von den Teams kam kein Vorschlag für ein neues System. Zur Saisonmitte wollte man das leidige aktuelle Einzelrunden-System mit Tankverbot verabschieden, um eine neue Form des früheren Qualifyings einzuführen – da sich ein Team dagegen stellte, blieb alles beim Alten. Obwohl nahezu alle Entscheidungsträger der Formel 1 ihre Unzufriedenheit mit dem aktuellen System äußerten, obwohl die Fans in Abstimmungen deutlich ihre Abneigung diesem System gegenüber signalisiert haben. Eine Farce...

Doch wegen des Taifuns in Suzuka und dem dort abgehaltenen Vormittags-Qualifying hat man nun das Qualifying kurzfristig für 2005 geändert und zweigeteilt - eines am Samstag, das andere am Sonntag Vormittag. Die Zeiten sollen addiert werden. Damit wurde immerhin der leere Sonntag-Vormittag mit Action gefüllt. Das undurchschaubare Tankverbot bleibt zumindest im zweiten Qualifying bestehen.

Aus dem Blickpunkt des Marketing betrachtet verliert die Formel 1 die Pole-Präsenz in Printmedien sowie die Samstags-TV-Prime Time. Das neue 2. Qualifying muss nun quotenmäßig an jenem Sendeplatz bestehen, an dem zuvor das Warm Up respektive das Nichts oder zumindest die Fahrerparade platziert wurden. Der Samstag verliert auf alle Fälle seine Eindeutigkeit in punkto Pole-Position. Die Zeit zum Taktieren und Spekulieren aufgrund der Startaufstellung wurde verkürzt – sicher auch ein Thema für die Wettbüros. War es der nächste Fehlschlag? Ein Schuss zumindest ins Medienknie? Man wird es sehen...

Die Noten:
Geschwindigkeitsreduktion: -
Sparsamkeit: -
Verbesserung des Sports: Genügend
Gesamt: Genügend

Das Fazit:

Das traurige Fazit: Mit ihrem Regelwerk für die Jahre 2005 und 2006 reduziert die FIA zwar die Geschwindigkeit der Formel 1-Boliden - dem Sport tut sie damit jedoch wenig Gutes. Die Teams können oder müssen an den Rennwochenenden noch mehr dem Rundengeiz frönen, um ihr Material zu schonen. Die angeblichen Sparmaßnahmen sind zu einem großen Teil nur wenig nachvollziehbar und wirken zum Teil wie die reinste Augenauswischerei. Das künftige Motorenreglement reduziert die technologische Vielfalt der Königsklasse auf ein Minimum, einige Hersteller drohen daher mit dem Ausstieg. Lediglich in den Bereichen der Aerodynamikreduktion und zum Teil bei den Reifen hat Max Mosley einen Schritt in die richtige Richtung gesetzt.

Die Gesamtnote dieser selbstverständlich subjektiven Bewertung lautet: Genügend ...also gerade noch durchgerutscht. So wie es eben ist, wenn man sich für eine Kompromisslösung entscheidet. Ob das jedoch ausreichen wird, um die Fans bei der Stange zu halten, wird sich zeigen....

Was sagen SIE zum neuen Formel 1-Reglement?

Und was sagen Sie zu den neuen F1-Regeln? Während die FIA wenig davon zu halten scheint, was die Fans wünschen oder denken, haben wir wie immer ein offenes Ohr für Ihre Standpunkte - schreiben Sie an redaktion@motorline.cc

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