Formel 1: News | 17.07.2004
Ennstal-Classic: Gipfeltreffen der Legenden
In rund zehn Tagen werden in Gröbming wieder die Legenden des Motorsports bei den Sonderprüfungen in den Alpen antreten. Ein Kult-Event.
Michael Noir Trawniczek
Fotos: Studio Glöckner/Kucera
In rund zehn Tagen ist es wieder einmal soweit – in der österreichischen Dachstein-Tauern-Region wird zum zwölften Male die „Ennstal-Classic“ und auch der „Grand Prix von Gröbming“ abgehalten. Vom 28. bis zum 31.Juli werden rund 180 Teilnehmer mit ihren Boliden durch die verschlungenen Pass-Straßen der Alpen glühen. Das Besondere daran: Es sind nicht irgendwelche Teilnehmer und sie sitzen nicht in irgendwelchen Autos.
Vielmehr stellt die Ennstal Classic ein Gipfeltreffen der Legenden des Motorsports dar. Internationale Stars, darunter auch ehemalige Formel 1-Piloten, steuern ihre nicht minder legendären Rennwagen durch eine verträumte aber auch abgründige Landschaft. „Autofahren im letzten Paradies“ – so die Beschreibung der Veranstalter. Hier kann man jene Boliden aus nächster Nähe betrachten, die in den letzten Jahrzehnten Motorsportgeschichte geschrieben haben.
Bislang konnten Helmut Zwickl, als Motorsport- und Formel 1-Journalist ebenfalls eine lebende Legende, und sein Partner Michael Glöckner illustre Motorsport-Charaktere wie Sir Stirling Moss, John Surtees, Derek Bell, Ove Andersson, Björn Waldegaard, Hannu Mikkola, Adrian Newey, David Coulthard, Niki Lauda, Helmut Marko, Dieter Quester, Eddie Irvine, Walter Röhrl oder Jochen Maas als Teilnehmer gewinnnen aber auch Prominente wie Peter Kraus, Klaus Wildbolz, Tobia Moretti, Peter Falk, Franz Klammer, Hermann Maier oder den damaligen österreichischen Bundeskanzler Dr. Viktor Klima zur Dreitages-Rallye über die geschlungenen Alpenstraßen laden.
Die Ennstal-Philosophie: Alpen / Freunde / Uhr / Zeit...
Die Ennstal-Classic verfolgt eine eigene Philosophie. Sie hat vier Maxime, verraten die Veranstalter: Die Alpen. Die Freunde. Die Uhr. Und die Zeit. Deren Beschreibung macht Lust auf einen Besuch: „Die Alpen bilden die Kulisse, mit ihren verwunschenen Passstraßen, endlosem Kurvengeschlängel, ihren Schluchten und Tälern, aus denen man sich durch Regen und Nebel zu den Gipfeln emporschraubt. Die Freunde - sie prägen den Geist und die Atmosphäre, sie sind das wahre Kapital der Ennstal-Classic.“Und: „Die Werks-Museen von Mercedes-Benz, Porsche, Auto Union, Saab, Jaguar und BMW stellen ihr Familiensilber in die Auslage. Aus der Euphorie dieses Events entstanden Netzwerke der Freundschaft bis nach Australien und die Starterlisten wurden immer interessanter. Die Uhr - sie ist der Maßstab, das Urteil, die Trennung und die Herausforderung. Sie tickt in den Führerständen und die Zeiger sind vom Ehrgeiz imprägniert, wenn sie den Funkflug der Hundertstelsekunden auslösen. Und die Zeit - sie wird vier Tage lang quasi aufgehoben, denn die Vergangenheit wird Gegenwart, sie überlässt Automobile als Kulturgut zum Bestaunen und jene Menschen zum Bewundern, die untrennbar mit diesen Entwicklungen verbunden waren.“
Neben John Surtees bei der Technischen Abnahme...
Die Zuschauer können bei den verschiedenen Sonderprüfungen entlang der Strecke oder in der Start/Ziel-Sektion auf dem Gröbminger Hauptplatz den Anblick der legendären Boliden genießen. Schon am Dienstag und am Mittwoch wird die Technische Abnahme der Juwelen vorgenommen, dabei kann es durchaus vorkommen, dass man plötzlich neben einem John Surtees steht...Ab Donnerstag werden die Sonderprüfungen gefahren, in Gröming gibt es eine Rennwagen-Ausstellung. Am Samstag dann steigt der große Finaltag – die Boliden aus der Rennwagen-Show treten beim „Grand Prix von Göbming“ an und danach werden im Finale der Ennstal Classic auf einem rund 1,3 Kilometer langen Rundkurs durch Gröbming die Sieger der in verschiedene Rennwagen-Epochen eingeteilten Klassen ermittelt.
Wie in der Königsklasse des Automobilrennsports wird auch bei der Ennstal-Classic um Tausendstelsekunden gefeilscht – allerdings geht es nicht um die schnellste Rundenzeit, sondern um das Erreichen eines Schnitts von 50 km/h respektive einer Sollzeit bei den Sonderprüfungen. Bis vor zwei Jahren haben die Teilnehmer mittels an Bord mitgeführter elektronischer Highttech-Computermessgeräte ihre Zeiten respektive Geschwindigkeiten kontrolliert – seit dem Jahr 2002 aber ist Schluss damit. Die Veranstalter haben, ohne auf ein Concorde-Abkommen Rücksicht nehmen zu müssen, einfach abgerüstet. Seit 2004 sind überhaupt nur noch „rein mechanische Wegstreckenzähler und Uhren mit analoger Anzeige“ erlaubt.
„Die Stoppuhren laufen mit, sie liefern den Kick eines Wettbewerbes. Nirgendwo kann man sich mit einem ähnlichen Aufgebot an Lenkrad-Stars und Berühmtheiten auf einer vergleichbaren Ebene messen.“ Im letzten Jahr haben Fahrer (plus Beifahrer) aus 14 Nationen und 53 verschiedene Automarken an der Ennstal-Classic teilgenommen.
Die Stargäste 2004: Emerson Fittipaldi, „Mr. Bean“ Rowan Atkinson und das Uhlenhaut-Coupé
Für die Ennstal-Classic 2004 haben Zwickl und Glöckner wieder ein hochkarätiges und illustres Starterfeld organisiert. Mit von der Partie sind Stirling Moss, John Surtees (beide Mercedes-Benz 300 SL), Dieter Quester (Porsche 356), Franz Wurz (Rallye-Cross-Pilot und Vater von F1-Pilot Alex, auf einem Mercedes-Benz 190 SLS), Mike Thackwell (mit 19 der jüngste F1-Pilote aller Zeiten, Chrysler 300), Jochen Maas (Mercedes-Benz SSK), Björn Waldegaard (Porsche 356 B 2000 GS), Kris Rosenberger (Mini Cooper), Rauno Aaltonen (Porsche 911 S) sowie „Mr. Bean“ Rowan Atkinson (Jaguar Mark VII), die Schauspieler Klaus Wildbolz (Riley Sprite) und Tobias Moretti (Porsche 718 RS 60 Renn-Spyder), Kabarettist Roland Düringer (Ford Mustang Shelby), Tennis-Ass Thomas Muster (Jaguar E-Type), die Ski-Stars Franz Klammer (Mercedes-Benz 230 SL Rally), Michael von Grüningen (Auto Union 1000 S) und Toni Sailer (Mercedes-Benz 300 SL Roadster, Beifahrer Charly Kahr), sowie Schlagersänger Peter Kraus (Jaguar XK 120 S).Als großer Stargast wurde in diesem Jahr niemand geringerer als der Formel 1- und Indy-Champion Emerson Fittipaldi gewonnen. Der Formel 1-Weltmeister der Jahre 1972 und 1974 wird mit einem Alfa Romeo P3 aus dem Jahr 1932 die Ennstal-Classic bestreiten.
Ein besonderes Gustostückerl ist das berühmte Uhlenhaut-Coupé, eine flache Flunder mit Flügeltüren, die 1955 von dem damaligen Mercedes-Versuchschef Rudolf Uhlenhaut konstruiert wurde. Sir Stirling Moss wird damit am Samstag den „Grand Prix von Gröbming“ bestreiten.
Dieser Wagen basiert auf jener Technik, die auch dem Formel 1-Silberpfeil aus dieser Zeit, dem W196, zu Grunde liegt. Das Modell erreichte eine Höchstgeschwindigkeit von 284 km/h.
Hier noch ein Gustostückerl aus dem Veranstaltungstext: „Das Fahren auf verkehrsarmen, verwunschenen Alpenstraßen durch die schönsten Gegenden Österreichs wird zur Wiederbelebung von Sensoren, die in den von Elektronik strotzenden Autos der Gegenwart zu verkümmern drohen. Entlang der Strecke und in den Etappenorten begeisterte Zuschauer. Für den einen kommen Jugenderinnerungen hoch, für den anderen sind es neue Formen des Autosports. Emotionen kreieren Erfolgserlebnisse: wenn am Flugplatz Niederöblarn der Geruch eines taufrischen Sommermorgens ins Cockpit strömt, die Autos am Sölk die Nebelschwaden abstreifen und auf der Passhöhe von der Morgensonne vergoldet werden und die Straße auf die Nockalm zu einer Himmelsleiter an die Baumgrenze des Gebirges wird. Nach drei Fahrtagen hat man den Tacho seines Lebens zurückgedreht und, wenn das Kühlwasser der Motoren längst schon kalt ist - die Geschichten der Ennstal-Classic bleiben ein heißes Thema.“
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