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Pierre Dupasquier: „Schluss mit Reifentestfahrten!“

Der Michelin-Motorsportchef spricht offen über die Reifensituation in der F1 und warum er die Saison schon vor dem ersten GP abgehakt hatte.

Pierre Dupasquier. Ein Name, der seit Jahrzehnten mit Michelin und dem Motorsport verbunden wird. Und dies nicht ohne Grund, denn der vom Motorsportvirus infizierte Franzose ist einer der letzten im Formel-1-Paddock, die auch noch offen aussprechen, was sie denken, und der nicht nur hohle PR-Phrasen drischt. Im ersten Teil eines ausführlichen Interviews spricht er über die bevorstehenden Regeländerungen, eine Testreduzierung und die Performance seines „schwarzen Goldes“.

Monsieur Dupasquier, drei Grand-Prix-Siege, sechs Pole Positions – hat sich Michelin für das vergangene Formel-1-Jahr mehr ausgerechnet?

Pierre Dupasquier: Ehrlich gesagt: Die Saison hatte ich bereits am Samstag in Melbourne abgehakt, als Michael Schumacher bereits bei seiner „Installation-Lap“, also ohne jegliches Feintuning an seinem Fahrzeug, die Qualifying-Bestzeit von 2003 mühelos unterbieten konnte. Da wusste ich, dass Ferrari ein riesiger Schritt gelungen war, habe mein Notizbuch zugeklappt und bin erst einmal ein Bier trinken gegangen.

Wie viel Anteil an diesem Erfolg hatte Ihrer Meinung nach Bridgestone, der Reifenpartner von Ferrari?

Pierre Dupasquier: Ich weiß es selbst nicht genau, warum unsere Konkurrenz in der vergangenen Saison so erfolgreich war. Lag es an Michael, am Auto, oder doch an den Reifen? Ich glaube, Bridgestone hatte im Vergleich zu 2003 einen größeren Spielraum für Verbesserungen als wir. Unsere Konkurrenz trat 2004 zum Beispiel ebenfalls mit einem breiteren Vorderreifen an, wie wir ihn schon zuvor eingesetzt hatten. Klar haben sie sich verbessert – aber auch Michelin als Referenz konnte sich weiterentwickeln. Den größten Sprung jedoch hat ohne Zweifel die Scuderia vollzogen. Das Sauber-Team, ebenfalls auf Bridgestone-Pneus unterwegs, war zu Saisonbeginn selbst mit Giancarlo Fisichella am Steuer nicht bei der Musik. Sie wurden konkurrenzfähiger, als sie ihre Aerodynamik fortlaufend verbesserten.

Dann glauben Sie persönlich nicht, dass Michelin in diesem Formel-1-Jahr seinem Konkurrenten hinterher hinkte?

Pierre Dupasquier: Wären die Rennreifen von Michelin unterlegen, würden alle wichtigen Teams in der kommenden Saison auf Bridgestone setzen. Sie sollten da die Bedeutung von Verträgen nicht überschätzen. Wir können die vergangene Saison aus zwei Blickrichtungen betrachten. Zählen wir allein die Ergebnisse zusammen, dann ist ganz klar: Wir haben die Ziele, die wir uns selbst gesteckt haben, nicht erreicht. Blicken wir jedoch auf den technischen Fortschritt, den wir erzielt haben, sieht die Sache gleich ganz anders aus. Wir haben jedem unserer sechs Partnerteams Reifen zur Verfügung gestellt, die unter unterschiedlichsten Bedingungen eine gleichmäßig hohe und konstante Performance geliefert haben. Es steht außer Frage, dass wir 2003 die Nase vorn hatten. Und ich bin mir sicher, dass dies in der vergangenen WM-Saison nicht anders war.

Liegt darin auch der überraschende Aufstieg von B·A·R-Honda begründet, die 2004 ja erstmals auf Rennreifen von Michelin gesetzt haben?

Pierre Dupasquier: Auf die exzellente Zusammenarbeit mit B·A·R-Honda sind wir natürlich besonders stolz. Mit elf Podiums-Plätzen, einer Pole Position und dem zweiten Rang in der Konstrukteurs-Weltmeisterschaft war es das beste WM-Jahr in der Geschichte dieses noch jungen Teams.

Wie beurteilen Sie die Diskussion, in der Formel 1 in Zukunft nur noch auf einen Reifenhersteller zu setzen?

Pierre Dupasquier: Wir haben die Vorschläge der FIA und Max Mosley aus zweierlei Gründen nicht gemocht. Der Grand-Prix-Sport sollte zu 100 Prozent aus Wettbewerb bestehen, unter den Fahrern, den Teams und auch den Ingenieuren. Auch die Konkurrenz auf technischem Gebiet macht die Spannung dieser Rennserie aus. Sehen Sie sich die Formel 3000 an: Obwohl es in dieser Klasse oftmals aufregendere Rennen zu sehen gab, hat sich so gut wie niemand dafür interessiert. Wenn in der Formel 1 immer mehr Gleichteile eingeführt werden wie Motoren und Bremsen und so weiter, dann gehen wir mehr und mehr in Richtung Formel 3000. Andere Reifenhersteller kaufen sich aus Marketing-Gründen in bestimmte Rennserien ein. Dies ist nicht der Weg, den Michelin verfolgt. Wir suchen den Wettbewerb mit unseren Konkurrenten und damit auch eine Referenz, an der wir uns messen können. Für Michelin ist es wichtig, an der Spitze der Entwicklung zu kämpfen.

Aber die Teams suchen Möglichkeiten, um die Kostenspirale in der Formel 1 zu durchbrechen und die stetig steigenden Geschwindigkeiten zu reduzieren…

Pierre Dupasquier: Genau zu diesem Thema haben wir bereits Vorschläge unterbreitet. Wir kommen mit einem Satz Reifen pro Rennen aus – das geht automatisch auf Kosten der Performance und spart Geld.

Viele Teamchefs argumentieren, gerade die Testfahrten zwischen den Grands Prix würden wegen der Reifen-Entwicklung ausufern.

Pierre Dupasquier: Ich habe Bernie Ecclestone in Brasilien getroffen und ihm auch hierzu unseren Standpunkt mitgeteilt. Die Wahrheit ist: Michelin benötigt nicht einen einzigen eigenen Testkilometer vor oder während der Saison – das freie Training am Freitag eines jeden Rennwochenendes genügt uns vollauf.

Die Teams führen an, 80 Prozent der Testfahrten wären nur für die Erprobung der Rennpneus…

Pierre Dupasquier: Glauben Sie mir: Wir bekommen genügend Feedback von den gewöhnlichen Tests, bei denen Chassis-, Aerodynamik- oder Getriebe-Entwicklungen ausprobiert werden.

Haben Sie einen eigenen Vorschlag, wie die Kosten in der Formel 1 reduziert werden könnten?

Pierre Dupasquier: Ja sicher: Schluss mit Reifentestfahrten! Jeder Test-Kilometer kostet die Teams rund 4.000 US-Dollar, das macht pro Runde gut 20.000 Dollar – und dabei ist der Aufwand für die Motoren noch nicht einmal eingerechnet. Ich kann gut verstehen, dass die Teams Geld sparen wollen. Aber im Ernst: Billig war die Formel 1 noch nie…

Würde Michelin auch als einziger Reifenhersteller in der Formel 1 bleiben?

Pierre Dupasquier: Wir haben an einem Reglement mit so genannten „Control“-Tyres kein Interesse, auch wenn wir vergleichbare Lösungen für Markenpokalserien wie die Formel Renault oder auch in der Tourenwagen-Weltmeisterschaft anbieten. Generell aber ist es so, dass wir uns dort engagieren, wo unsere Partner – also die Automobil-Hersteller – unsere Unterstützung wünschen. Wir sind wieder in die Formel 1 eingestiegen, weil uns erst Toyota, dann auch BMW darum gebeten haben, sie bei diesem Schritt zu begleiten. Aus diesem Grunde hat der Vorstand von Michelin dieses Engagement abgesegnet.

Wie wird sich der „Longlife“-Rennreifen auf die Performance in der Formel 1 auswirken?

Pierre Dupasquier: Je nach Rennstrecke kann dies sehr unterschiedlich ausfallen. Wir hätten bereits in dieser Saison auf manchen Kursen wie etwa in Monza mit unserer Erstempfehlung „Prime“ die komplette Distanz überstehen können, während die weichere Pneu-Option Vorteile im Qualifying ermöglichte. In Barcelona zum Beispiel kam nun ein Reifen mit deutlich härterer Laufflächen-Mischung und auch einer rigideren Struktur zum Einsatz, der die Kurven-Geschwindigkeiten deutlich senkt.

Stellt dieses neue Reifen-Reglement technologisch ein Problem dar?

Pierre Dupasquier: Wir bieten auf dem US-Markt Lkw-Pneus an, die für eine Laufleistung von rund 300.000 Meilen ausgelegt wurden… Ich sehe da keine Schwierigkeiten auf uns zukommen.

Den 2. Teil des Interviews mit Pierre Dupasquier können Sie über die rechte Navigation bzw. durch Klick auf einen der untenstehenden Pfeile aufrufen!

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