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„Für Ayrton waren wir die Crazy Austrians...“

Gerhard Kuntschik von den Salzburger Nachrichten sprach mit Physiotherapeut Josef Leberer über den unvergesslichen Ayrton Senna.

Gastautor: Gerhard Kuntschik

Der Salzburger Sportjournalist Gerhard Kuntschik ist seit Jahrzehnten mit der Formel 1 on Tour, berichtet für die Salzburger Nachrichten. Josef Leberer war nicht nur der Physiotherapeut von Ayrton Senna, die beiden waren auch eng befreundet. Gerhard Kuntschik sprach mit Josef Leberer und hat uns freundlicherweise seinen Text zur Verfügung gestellt. (D. Red.)


Josef Leberer, seit 1988 zuständig für Fitness und Ernährung von Formel-1-Fahrern, ist ein „Schüler“ Willi Dungls. Durch ihn kam er in den Rennsport. Und gleich zu McLaren-Honda, dem Star-Team, das 1988 mit Prost und Senna 15 von 16 Rennen gewann.

„Mit Prost war das etwas schwierig mit der gemeinsamen Wellenlänge, mit Senna ganz anders“, erinnert sich der Antheringer Bauernsohn an seine Anfänge in der Formel 1. „Ich habe keinen anderen Rennfahrer kennen gelernt, der so einen Willen zu Erfolg und Perfektion hatte wie Ayrton“, sagt er über den dreifachen Weltmeister. Leicht sei die Arbeit mit Senna nie gewesen, „denn er verlangte von seinem gesamten Umfeld Höchstleistungen. Aber das gegenseitige Verständnis kam schnell und wurde sehr intensiv.“

Senna fand zu Leberer Vertrauen und besprach mit ihm Dinge, die er kaum mit jemand anderem teilte. „Es hatte sich aus der beruflichen Beziehung eine tiefe Freundschaft entwickelt. Ich war ja fast ständig, auch zwischen Rennen und Tests, mit ihm unterwegs“, erinnert sich der heute 44-Jährige.

Als Prost Ende 1989 zu Ferrari im Tausch mit Gerhard Berger wechselte, wurde einiges anders im Team. Mit Berger kam der Spaß-Faktor, den Senna nicht gekannt hatte und erst erlernen musste. Umgekehrt lernte Berger vom Brasilianer, sich fast exzessiv mit Technik und Technikern auseinander zu setzen. Doch Senna, Berger und Leberer wurden auch privat ein „trio infernal“. „Für Ayrton“, sagt Leberer, „waren wir beide die crazy Austrians.“

Beim Saisonauftakt 1989 in Brasilien lernte Leberer auch Sennas (äußerst wohlhabende) Familie kennen. „Sie anerkannte mich als Freund des Sohnes, und dieses Verhältnis blieb über Ayrtons Tod hinaus erhalten“, sagt Leberer. Es war der Wunsch der Familie Senna, dass Josef Leberer bei der Überführung von Sennas Leichnam nach Brasilien neben ihm im Flugzeug die Totenwache hielt. „Der längste Flug und das beklemmendste Ereignis meines Lebens“, meint Leberer nachdenklich, der immer noch bei Sao Paulo-Besuchen gern gesehener Gast der Familie ist.

Imola 1994 war auch für Leberer ein traumatisches Erlebnis. „Zuerst am Freitag Barrichellos schwerer Unfall, dann am Samstag Roland. Ayrton war extrem beunruhigt. Senna hatte Ratzenberger nur erst flüchtig gekannt, aber Sympathie verspürt. Er wollte ihn unbedingt näher kennen lernen.“ Dazu kam es nicht mehr. Senna fuhr als einziger Pilot zu Ratzenbergers Unfallstelle, wollte sich selbst ein Bild machen und wurde dafür vom Automobilverband wegen Überschreitung seiner Kompetenzen bestraft.

Abends hätte Leberer mit Senna und einigen Freunden seinen, Leberers, Geburtstag feiern wollen – es kam natürlich nicht dazu. Senna verzichtete auch auf ein Abendessen und schlief die Nacht schlecht. Am nächsten Tag hatte er eine kleine österreichische Fahne bei sich im Cockpit des Williams. „Die wollte Ayrton für Roland auf der Auslaufrunde und auf dem Podest, wenn er dieses erreicht hätte, schwenken“, erzählt Leberer.

Als Josef am Monitor in der Box Sennas Unfall sah, fühlte er einen Stich. „Mein einziger Gedanke war, bitte, rühre dich, steig aus dem Auto aus. Es passierte nichts. Ich dachte nur, um Gottes Willen.“ Als sich die Ärzte im Streckenspital um Senna bemühten, traf Leberer auf FIA-Chefarzt Sid Watkins. Leberer: „Er sah mich an und sagte nichts. Da wusste ich dann alles.“

Wie Gerhard Berger, der tagelang über einen sofortigen Ausstieg aus dem Rennsport nachdachte, stellte sich auch Josef Leberer viele Fragen. Bis ihn nach Sennas Begräbnis in Sao Paulo die Familie ermunterte, seinen Job in der Formel 1 fortzusetzen. „Tu es für Ayrton und vergiss ihn nicht, hatten sie mir gesagt.“

Leberer, eine der beliebtesten Persönlichkeiten im ganzen Fahrerlager, blieb in der Formel 1 bei Williams, wechselte dann zu Sauber. Dort hat er heuer wieder einen jungen Brasilianer unter seinen Fittichen: Felipe „Pipo“ Massa.

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