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Reifenkrieg 2005: Marathon statt Sprint

So viel wie vor dieser Saison wurde noch nie über das Thema Reifen diskutiert, das neue Reglement könnte für Verwirrung und Disqualifikationen sorgen.

Die Formel 1 soll langsamer werden und bei den Kosten sparen. Gemeinsam mit Bridgestone ersann der zweite Formel-1-Reifenhersteller Michelin dafür eine praktikable Lösung: Neben den Beschränkungen der Aerodynamik und der auf zwei Rennen verlängerten Lebensdauer der Motoren müssen die schnellen Einsitzer ab der neuen Saison mit nur noch einem Satz "Rillenslicks" die beiden Qualifying-Sitzungen und den kompletten Grand Prix bestreiten. Damit stellen sich die Hersteller einer immensen technologischen Herausforderung.

Abschied vom Reifenwechsel

Der Grand-Prix-Bolide stoppt auf den Millimeter genau. Eine ganze Kohorte Mechaniker stürzt sich auf den Monoposto, entreißt ihm die Räder, setzt den Tankrüssel an, montiert vier neue Pneus, und kaum sieben Sekunden später pfeilt der Formel-1-Pilot schon wieder von dannen – Bilder, auf die die Zuschauer in der Saison 2005 wohl verzichten müssen. Denn ab sofort begnügt sich die Formel 1 mit nur einem einzigen Satz Reifen für den kompletten Grand Prix mitsamt der beiden Qualifying-Sitzungen.

Die Hintergründe für die einschneidenden Reglements-Änderungen, mit denen sich die Formel 1 mit Beginn der Saison 2005 konfrontiert sieht, liegen klar auf der Hand: Die Reduzierung von Kosten zum einen, reduzierte Geschwindigkeiten zum anderen. Denn die starke Konkurrenz zwischen den beiden Reifenmarken innerhalb der Formel 1 hat die Rundenzeiten in den vergangenen Jahren dramatisch sinken lassen – maßgeblich auf Grund höherer Geschwindigkeiten in langsameren Kurven, wo die Aerodynamik noch nicht hilft, wohl aber der drastisch gestiegene Grip der Pneus.

Deutlich eingeschränkte Verfügbarkeit der Pneus

Unverändert bleibt: Am Grand-Prix-Wochenende können die Piloten aus zwei Reifensorten für trockene Fahrbahn und zwei Regenpneus auswählen. In den beiden freien Trainingssitzungen am Freitag müssen die Fahrer nun aussortieren, welche der beiden Trockenreifen-Mischungen auf der jeweiligen Strecke am besten mit dem Auto und der geplanten Strategie harmoniert. Begrenzt wurde aber die Menge der Pneus, die zur Verfügung steht: Jeder Fahrer darf von der "Prime"- und der "Option"-Lösung jeweils nur einen Satz ausprobieren.

Vor Beginn der freien Samstags-Sessions müssen die Teams ihre Entscheidungen bekannt geben. Dann setzt ein Tauschhandel ein: Jene Sorte Pneus, die nicht benutzt wird, geht zurück an Michelin. Im Gegenzug erhält jeder Fahrer entsprechend seiner Wahl vier weitere neue Rillenslicks. Diese sind für ihn besonders wertvoll: Sie werden nicht nur für die beiden Qualifying-Sessions auf das Auto montiert, sondern müssen auch die komplette Renndistanz absolvieren – in der Summe also eine Distanz von bis zu 350 Kilometer. Der bereits am Freitag eingesetzte Reifensatz steht während des Rennens allenfalls noch als Ersatz bei Defekten zur Disposition.

Ausnahmen von diesem neuen Reglement sind rar. Hat zum Beispiel anhaltender Regen am Grand-Prix-Freitag beide freien Trainingssitzungen beeinflusst, so kann die definitive Entscheidungsfrist zugunsten eines der beiden Trockenpneus bis nach den freien Sessions am Samstag vertagt werden. Der Rennreifensatz darf nur in bestimmten Ausnahmefällen während des Grand Prix getauscht werden: bei einem offensichtlichen Defekt etwa oder wenn das Teilnehmerfeld nach einem Unfall auf der Strecke durch Trümmerteile gefahren ist und die Rennleitung es frei stellt, die Pneus vorsorglich zu ersetzen. In beiden Fällen jedoch gilt: Zeitgleiches Nachtanken ist bei diesen Boxenstopps strikt untersagt. Nicht erlaubt ist es auch, während des Grand Prix die Reifen untereinander zu tauschen, also von links nach rechts und umgekehrt.

Vierrillen-Slicks: An Profil gewonnen

Im Grand-Prix-Fahrerlager besonders kontrovers diskutiert: Profil und Dimensionen der Formel-1-Reifen. Seit die Motorsporthoheit FIA in den Pneus das geeignete Bauteil erkannt hat, um Autos einzubremsen, reduzierte der Weltverband die Auflagefläche der Walzen drastisch. Neben einer Beschränkung der maximalen Reifenbreite auf heute 355 Millimeter (Vorderrad) und 380 Millimeter (Hinterrad) bei einem Felgendurchmesser von höchstens 330 Millimeter (13 Zoll) betraf die wohl spektakulärste Änderung der vergangenen Jahre das Profil der Trockenreifen. Demnach müssen die Pneus vier umlaufende, symmetrisch über die Oberfläche verteilte Rillen aufweisen. Die auf dem Level der Lauffläche nicht unter 14 Millimeter breiten Einkerbungen reichen mindestens 2,5 Millimeter tief. Am Boden des "Kerbtals" darf die Breite einer Rille 10 Millimeter nicht unterschreiten.

Natürlich rechnet die FIA auch in Sachen Profil mit dem Einfallsreichtum der Wettbewerber: Sollten sich die Rillenreifen verdächtig schnell in profillose Slicks verwandeln und ein Fahrer auf diesen "abgefahrenen" Reifen schnellere Rundenzeiten erzielen als zuvor, droht die Disqualifikation des Slick-Benutzers. Sinn dieses Reifen-Reglements: Die Grand-Prix-Autos entwickeln deutlich weniger Haftung.

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