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Die unerhörte Kostensenkungsaugenauswischerei oder: Die Sparexzesse der Automobilkonzerne

Die vielen Regeländerungen, die Sparmaßnahmen der FIA müssten sich auf die Budgetzahlen der Teams auswirken - mitnichten! Es gab Budgeterhöhungen...

Michael Noir Trawniczek

Seit einigen Jahren schon bemüht sich die Oberste Sportbehörde FIA darum, die oberste Rennsportserie Formel 1 kostengünstiger zu gestalten. Schließlich sind die Kosten immens gestiegen, schließlich gab es Privatteams, die es zu schützen galt, die es heute leider nur noch vereinzelt gibt - wobei es schwer fällt, bei einem weltgrößten Energiegetränkekonzern von einem Privatier zu sprechen. FIA-Präsident Max Mosley kämpft jedenfalls unerschrocken weiter gegen die Kosten, schließlich müssen auch die in der Formel 1 vertretenen Automobilkonzerne sparen. Sagt man, hört man.

Mosley hilft den Konzernen beim Sparen, aber eigentlich, so sagt er, geht es dem Briten um die Privaten. Die britischen Bastelbuden und so. Blöd nur, wenn dann die Sparmaßnahmen wie die Motoreneinfrierung letztlich dazu führen, dass der einzige private Motorenhersteller, noch dazu in England angesiedelt und daher zumindest eine ortsbezogen britische Bastelbude, zusperren muss. Dass man Ferrari respektive den Motorenbauern hätte verbieten können, gleich zwei Teams zu beliefern, wurde scheinbar nicht angedacht oder zumindest nicht umgesetzt. Aber das ist ein anderes Kapitel...

Es geht ums Sparen. Die Kostensenkung brachte Maßnahmen wie den Zweiwochenendmotor und den Geiz um jede gefahrene Runde, worunter die Zuschauer und die Fahrer zu leiden haben. 2007 müssen die Tester bluten, außer im Winter. Im Sommer jedoch dürfen die armen Konzerne nur noch ein Chassis zum Test karren - sicher eine immense Ersparnis, wenn man statt zwei Boliden nur einen im LKW hat, während der Rest der Logistik nahezu gleich bleibt. Gut, vielleicht kann man mit einem LKW weniger anreisen, das ist bei einem Aufwand wie ihn beispielsweise Red Bull für den Aufbau der Monaco-Energy Station betreibt, wo von mehr als 30 LKWs die Rede ist, sicherlich eine große Nummer in der Sparefroh-WM.

Zahlen lügen nicht

Was jedoch dem Fass den Boden ausschlägt, sind die nackten Zahlen. Die Kollegen von Grandprix sind gewöhnlich bestens informiert, sie veröffentlichten die in England offensichtlich offen liegenden Budgetzahlen der in Großbritannien registrierten Formel 1-Teams für die Saison 2005 - ein Jahr, in dem die Formel 1 bereits unter dem vom Sparreglement ausgelösten Rundengeiz ächzte.

Nun sollte man annehmen, dass die Budgets 2005 bereits ein wenig gesunken sind, bei der vielen Sparerei. Mitnichten! Renault gab 2004 umgerechnet 179 Millionen Dollar aus, 2005 wurden daraus 229 Millionen - eine Budgeterhöhung um 28 Prozent. Zudem stieg die Anzahl der Angestellten von 463 auf 508.

Erstaunlicherweise schlug Renault das McLaren-Team, das jedoch einiges in die neue Fabrik investieren musste, heißt es in dem Bericht. Aber auch die McLaren Racing Ltd. konnte demnach ein paar Leute mehr einstellen - die Anzahl der Mitarbeiter stieg von 524 auf 538. Das Jahresbudget betrug 216 Millionen Dollar, 2004 waren es noch 208 Millionen.

Und auch bei Honda wurden Leute gebraucht, und gar nicht wenige - 382 waren es 2004, satte 438 dann 2005. Das Budget musste natürlich auch angehoben werden, schließlich betrug es 2004 nur 114 Millionen Dollar. Und so beschloss man eine Budgeterhöhung um sage und schreibe 62 Prozent - das Budget 2005 betrug 185 Millionen Dollar.

Red Bull Racing konnte bei den veröffentlichen Studien noch nicht berücksichtigt werden, da es 2004 noch als Jaguar Racing firmiert hatte. Zumindest aber heißt es in dem Bericht: "Die Anzahl der Mitarbeiter ist auch bei RBR zweifelsohne deutlich gestiegen."

Wirklich gespart haben nur die Kleinen: Williams musste von den 513 Mitarbeitern 13 entlassen, das Budget sank von 169 Millionen auf 159 Millionen Dollar, durchaus möglich, dass es auch 2006 weiter gesunken ist. Auch bei Midland wurde abgebaut: 2004 waren es 204 Mitarbeiter, 2005 nur noch 192 - das Jahresbudget sank von 62,4 Millionen auf 47,7 Millionen Dollar.

Während also Präsident Mosley und seine FIA über Jahre hinweg einen wahren Regeländerungstobsuchtsanfall inklusive einiger Anti-Motorsportregeln über die Formel 1 brachten, um die armen Privaten zu retten und den armen Konzernen beim Sparen zu helfen, erhöhten die Herstellerteams ihre Budgetzahlen und stellten zusätzliches Personal ein.

Ganz klar - warum sollten sie auch sparen? Schließlich man ja auch gewinnen. Man kann den Teams, den Herstellern nicht vorwerfen, sich nach der Decke zu strecken. So lange die Sportbehörde keinen Weg findet, wirkliche Kosteneindämmung zu erzwingen, wird es weiterhin an der einen Ecke absurde Sparmaßnahmen geben, während anderswo Milliarden verpulvert werden.

Aufrüstung im Sparzeitalter

Und plötzlich schießt ein Bild in meinem Kopf hoch: Es war bei den Wintertests im Jänner 2006 in Barcelona. Es war dieser unglaublich stolze und überlegene Zug im Gesicht eines erschöpften Mike Gascoyne, damals noch Toyota-Technikdirektor, als er einer ihn regelrecht anhimmelnden japanischen Journalistin erzählte, man werde im Herbst den zweiten Windkanal in Betrieb nehmen und dann jeweils einen Drei Schichten-Betrieb fahren. Mann, ist das toll. Das ist ja gar nicht auszuhalten. Das wird wieder Winglets vom Feinsten geben. Weil - und das hat Gascoyne uns in dieser Journalistentischrunde auch erzählt: Selbst wenn man die Aerodynamikentwicklung auf einen Update pro Halbjahr reduzieren würde, würde man erst recht Tag und Nacht Winglets backen, um bei diesem einen Update ja nicht daneben zu greifen...

Wir lernen: Es gibt keine Kostenreduktion in der Praxis. Zumindest nicht bei den Herstellerteams. Es gibt Aufrüstung und Größenwahn. Zugleich öffnet sich die Schere zwischen Arm und Reich - während die Großen größer werden, werden die paar Kleinen, die es noch gibt, immer kleiner. So gesehen sind alle Sparmaßnahmen des FIA-Präsidenten Max Mosley als gescheitert zu betrachten

meint Ihr
Michael Noir Trawniczek

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