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Clay Regazzoni - ein wahrer Charakterkopf

Clay Regazzoni kann man getrost als einen Charakterkopf bezeichnen. Nicht nur wegen seines wilden Fahrstils, der Mann hatte auch Prinzipien.

Michael Noir Trawniczek
Fotos: www.clayregazzoni.com, Photo 4

Bilder aus dem Leben von Clay Regazzoni.

"Die Formel 1 braucht mehr Charakterköpfe" - diesen Satz liest man immer wieder in letzter Zeit. Doch was ist ein Charakterkopf? Einer, der auf dem Diskothekentisch laut grölend seine Hosen zu Boden fallen lässt? Mitnichten, es gehört schon etwas mehr dazu...

Wenn es einem schwer fällt, etwas zu beschreiben, bedient man sich gerne eines Vergleichs. Und daher kann man sagen: Clay Regazzoni war das, was viele Formel 1-Freunde als einen Charakterkopf verstehen.

Natürlich war der Schweizer von vornherein mit seinem Namen gesegnet: Clay Regazzoni - da klingt sogar Scott Speed weniger schnell dagegen. Ein "wilder Hund" war er, natürlich. Es war sein kämpferischer Fahrstil, der den Fans imponierte. Und auch sein Lebenswandel war zuweilen durchaus "wild", so erzählen es die Zeitzeugen. Schon in der Formel 2 hatte er den Ruf eines für manche Teamchefs sogar zu wilden Fahrers - nichtsdestotrotz gab ihm Enzo Ferrari 1970 in Holland die erste Chance in der Formel 1.

Gleich bei seinem ersten Grand Prix wurde er Vierter - und die damaligen Autos waren um einiges schwerer zu bewegen. Keine Traktionskontrolle, dafür Knüppelschaltung und Zwischengas. Danach wurde er noch einmal Vierter, dann Zweiter und in Monza holte er gleich einmal seinen ersten Sieg. Der jedoch wurde überschattet vom tragischen Tod Jochen Rindts...

"Ich möchte für nette Menschen fahren!"

Dennoch hätte man meinen können, dass mit Clay Regazzoni einer der siegreichsten Formel 1-Piloten aller Zeiten den Paddock erklommen hat. Doch dem war nicht so. In Summe stand er nur fünfmal ganz oben auf dem Treppchen. Regazzoni war einer dieser Menschen, die zum einen das Leben in vollen Zügen genießen wollen und dabei manchmal auch übertreiben und zum anderen vielleicht ein bisschen "zu nett, zu gut" sind. Menschen also, die dann gerne einmal abgeschoben werden.

So wie es Enzo Ferrari tat. Nachdem Regazzoni 1973 bei BRM fuhr, holte ihn Luca di Montezemolo zu Ferrari zurück. Dort stand er im Schatten von Niki Lauda. Monza 1976 - Autosport-Autor Nigel Roebuck zitiert Regazzoni: "Ich habe nie verstanden, wieso Enzo Ferrari nicht Klartext mit mir gesprochen hat. Vor Monza sagte er mir, es würde für 1977 alles unter Dach und Fach sein. An diesem Wochenende hatte ich Angebote von Brabham und McLaren vorliegen - doch ich erklärte ihnen, dass ich bei Ferrari bleiben werde."

Für Regazzoni war es äußerst schmerzhaft, als er erfahren musste, dass Ferrari bereits Wochen zuvor Carlos Reutemann engagiert hat. "Ferrari hat sich schlimm verhalten...", ärgerte sich Regazzoni zwanzig Jahre später noch über diesen Affront.

Damals wandte er sich an Brabham-Boss Bernie Ecclestone. Auf dem Heathrow- Flughafen wurde über ein Cockpit für 1977 gesprochen. Regazzoni bezog sich auf das Angebot, welches Ecclestone ihm in Monza unterbreitet hat. Regazzoni lernte die Geschäftsgebarungen des Briten kennen: Weil er wusste, dass Regazzoni kein anderes Top-Cockpit mehr erhalten würde, senkte er die Gage dramatisch. Regazzoni: "Ich sagte ihm, dass sein Angebot es nicht wert sei, weiter darüber zu sprechen und nahm den nächsten Flug in die Schweiz. Es ging mir nicht um das Geld - aber ich möchte einfach für nette Menschen fahren."

Noebuck schildert in dem erwähnten Essay auch, wie Clay Regazzoni 1979 seinen letzten Sieg errungen hat - es war der erste für Williams: "Clay schüttelte die Hand von Frank Williams und sagte leise: 'Bravo, Frank.' Da kam seine ureigene Bescheidenheit zum Vorschein - Clay hat zum ersten Mal seit drei Jahren wieder einen Grand Prix gewonnen und das Erste, was ihm dazu einfiel war, dass es der Tag des Frank Williams war."

Ende 1979 war es abermals Carlo Reutemann, für den Regazzoni Platz machen, sein Williams-Cockpit räumen musste. Während Williams einer siegreichen Zeit entgegen fuhr, wechselte Regazzoni zu Ensign. Dort fuhr er bereits 1977, das kleine Team erlebte dank Geldern von Unipart so etwas wie eine Auferstehung. Regazzoni wollte mithelfen, das Team auf Vordermann zu bringen. Doch dann kam Long Beach 1980. Ein Bremsdefekt an seinem Auto, am Ende der langen Geraden. Regazzoni überlebte den schweren Unfall, blieb jedoch von der Hüfte abwärts gelähmt.

Der Wegbereiter

Regazzoni war so etwas wie der Zanardi der Achtzigerjahre, mehr noch - er war ein Vorreiter, ein Wegbereiter für Versehrte im Motorsport. Er nahm mit einem per Handgas gesteuerten Auto an der Dakar-Rallye teil, fuhr später, in den Neunzigerjahren bei diversen Veranstaltungen, so auch beim 12 Stunden Rennen in Sebring. Im Jahr 2000 bestritt er die Marathon-Rallye London-Sidney in einem adaptierten 6,3 Liter Mercedes. Dazwischen musste er einen herben Rückschlag einstecken, als ihm die Lizenz für eine Teilnahme an der Sportwagen-WM verweigert wurde.

Noch ein Zitat aus dem Essay von Nigel Roebuck - es sagt viel darüber aus, warum man Clay Regazzoni als Charakterkopf sehen kann: "1985 startete er eine Karriere als TV-Kommentator und kam wieder zu den Grand Prix. Während des Trainings in Monaco traf ich ihn am Casino Square - es dauerte ein paar Minuten bis ich realisiert habe: Er stand dort, obschon er eher an die Barriere angelehnt war."

" Er sagte: 'Lange Zeit tat ich mir selbst leid. Aber wenn dir so etwas passiert, bewegst du dich in eine andere Welt. Eine Welt, über die man nie zuvor nachgedacht hat. Du siehst kleine Kinder, die an Krebs leiden und du beginnst dich zu schämen. Denn du hattest Jahre eines guten Lebens, was diese Kinder nie erleben werden. Ich kann nicht gehen, aber ich kann meinen Ferrari steuern. Ich habe meine Schule für behinderte Menschen, ich kann immer noch Rennen besuchen. Ich fühle keine Verzweiflung mehr.'"

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