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Der schönen neuen Formel 1-Welt eine Chance

Die schöne, neue Formel 1-Welt 2007 - das Jahr Null nach Michael Schumacher, eine Formel 1-Saison, ganz ohne Stars. Doch: Gibt es auch positive Aspekte?

Michael Noir Trawniczek, noir@motorline.cc

Die unendlichen Weiten des Formel 1-Winterlochs - da werden Themen auserkoren, die nie ein Mensch zuvor für wichtig hielt. Die zurzeit wohl größte Sensation: ein neues Helmdesign von Christijan Albers. Oder man diskutiert angeregt über die Arbeitsmoral von Kimi Räikkönen - angeblich hat er nämlich gar keine, so pfeifen es zumindest diverse Insiderspatzen und selbsternannte moralische Instanzen von den Dächern der Motorhomes. Weshalb ihn sein Vorgänger, "Mister Perfect" Michael Schumacher, auf den "rechten Weg" bringen soll, schließlich fiel er, Räikkönen, ja schon einmal betrunken ins weite Meer...

Wenn also die Newslandschaft zu einer dürren Wüste der Belanglosigkeit verkommt, könnte man einen Blick riskieren- auf das, was da kommen mag: Die Formel 1-Saison 2007 - das Jahr Null nach Michael Schumacher. Und auch große Namen wie Montoya oder Villeneuve sind bereits Geschichte. Das Jahr 2007 - eine Formel 1 ganz ohne Stars. Fernando Alonso als zweifacher und einziger Weltmeister im Felde. That's it. Dann kommt schon Räikkönen - ja, genau, der angeblich so faule Kimi, der schlimme Bub, der in der Disko die Hosen runter lässt. Den man nun geradebiegen möchte, damit endlich alle, aber wirklich alle brav sind. Und zwar sehr brav. Herstellerbrav, sozusagen. Oder kompliziert: Automobilkonzerngerecht. Und sonst?

Geister & Sichentschuldigende

Dezember 2006, Swansea, Wales. Finale der Rallye-WM. Im Zelt von Red Bull Skoda sitzen ein klein gewachsener Blondschopf und seine nicht minder kleine, jedoch ziemlich hübsche Freundin einsam an einem Tisch und sprechen finnisch. Niemand setzt sich dazu. Ich denke: "Woher kenne ich den Burschen nur?" Eine halbe Stunde später kommt die Erleuchtung pur - ich frage Armin Holenia, den Pressemann des Teams: "Sag mal, kann es sein, dass Heikki Kovalainen bei euch im Zelt saß?" Holenia lacht: "Noir, du siehst Geister..." Eine halbe Stunde später nimmt mich Holenia zur Seite: "Du hast Recht. Es war tatsächlich Kovalainen, der hat seinen Landsmann Harri Rovanperä besucht." Die Formel 1 2007 - das Jahr Null, ganz ohne Stars, dafür mit unerkannten Titelaspiranten.

Jänner 2006, Granolles, Spanien. Ein leerer Speisesaal. Plötzlich setzen sich zwei Männer an den Tisch gegenüber. Einer von ihnen ist Fernando Alonso. Wir lassen das Pärchen in Ruhe essen. Danach frage ich Alonso, ob wir am nächsten Tag, bei den laufenden Tests in Montmelo, ein kleines Interview machen können. Alonso sagt in einem bedauerndem, fast schon weinerlichen Tonfall: "Es tut mir wirklich leid, aber es ist mir nicht erlaubt, mit Journalisten zu sprechen. Da musst du dich an unseren Pressesprecher wenden." Die Formel 1 und ihre sich für ihre Sprachlosigkeit, ihr von ihren Arbeitgebern auferlegtes Sprechverbot, ihre von ihren Geldgebern gestohlene Spontaneität entschuldigenden regierenden Weltmeister. Sehr höflich, sehr nett. Keine Starallüren. Weil: Leider keine Stars.

Apropos Stars: Einer der größten Stars im Fahrerlager der Formel 1 war im Jahr 2006 der gestrenge "Fahreroffizier" von Red Bull Racing, Dr. Helmut Marko. Er polarisiert. Er hat ein Image. Er ist gefürchtet. Er wird gehasst. Weil er so schön gemein sein kann. Er ist jedenfalls nur wenigen egal. Oder der so genannte "Rollstuhlgeneral" Frank Williams - wenn er leise in die Mikrofone spricht, kleben sie an seinen Lippen - wahrscheinlich, weil er etwas zu sagen hat. Und sonst?

Ecken & Kanten

2007 gehört Alex Wurz zu jenen Piloten, die sich angenehm abheben, die keine Herstellerstandardvertragssätze wie "Ich habe heute sehr viel gelernt" oder "Das Team hat einen prima Job erledigt" von sich geben. Gut, er fährt auch nicht für einen Hersteller. Und wurde zuvor jahrelang an der kurzen McLaren-Mercedes-Leine gehalten, genießt offensichtlich die neu gewonnene Freiheit.

Oder liegt es vielleicht tatsächlich daran, dass der menschliche Geist mit 22 anders funktioniert als mit 30? Weil man mit 22 noch keine Ecken und Kanten entwickelt, weil das ein paar Jährchen benötigt? Alex Wurz ist ein gutes Beispiel - es sind zwei verschiedene Alex Würze, jener aus 1997 und jener aus 2007.

Egal - wir müssen mit den 24-jährigen, braven und vertragskonformen Doppelweltmeistern leben lernen. Die Formel 1 2007 funktioniert weitläufig ohne Stars - wer sich an schrägen Persönlichkeiten laben möchte, wie sie die F1 früher ans Tageslicht brachte, soll sich Biographien von James Hunt, Joe Siffert, Niki Lauda, Emerson Fittipaldi oder wie sie alle heißen zu Gemüte führen.

Spannendes & Unperfektes

Und weil wir keine Schwarzmaler sein wollen und im Grunde auch nicht wirklich sind, heben wir einen positiven Aspekt hervor: Niki Lauda hat es unlängst wieder einmal auf den Punkt gebracht. Die Saison 2007 verspricht auf sportlicher Ebene Spannung- weil keines der Topteams ein wirklich perfektes Paket schnüren konnte:

Das Weltmeisterteam Renault tritt mit einem Fahrerrisiko an - zum einen der junge, GP-lose Heikki Kovalainen, zum anderen der möglicherweise längst über seinem Zenit fahrende, in den Jahren zuvor stets von Alonso gebügelte Giancarlo Fisichella.

Bei Ferrari zerbrach mit dem Schumacherabgang das viel gelobte "Dreamteam". Überall neue Schlüsselfiguren. Dazu jener Kimi Räikkönen, der zurzeit als vom rechten Weg abgekommener Freizeitalkoholiker verunglimpft wird. Weil nach Schumacher offenbar nur die große Leere kommen kann. Und daneben der aufmüpfige Felipe Massa, der das Siegesblut geleckt hat und sich nicht mit der "Nr. 1B" abfinden möchte. Ausreichend Potential für Komplikationen.

Bei McLaren-Mercedes hofft man auf Fernando Alonso - doch niemand weiß, ob ein spanischer Doppelweltmeister auch die nötige Standfestigkeit mit an Bord bringen kann. Ob McLaren nach dem Tiefpunkt 2006 (erstmals seit 1996 ohne Sieg) aufgrund der Alonsomania wieder hochkommen kann. Und Lewis Hamilton ist sowieso ein einziges Fragezeichen.

Honda? Angeblich sollen die Autos grün lackiert werden, wegen dem Umweltbewusstsein. Grüne Hondas an der Spitze? Button als Weltmeister? Irgendwie ist das so schwer vorstellbar...

Aber genau das ist der Reiz der Saison 2007. Man weiß gar nichts. Ein Narr, wer klare und eindeutige Prognosen stellt. Das ist das Schöne an der schönen, neuen Formel 1-Welt. Und wenn dann auch noch, wie im Vorjahr, einige wirklich spannende, sportlich wertvolle Rennen zustande kommen sollten, passt es doch allemal. So geben wir also der schönen, neuen Formel 1 ihre Chance. Lassen wir sie tun, lassen wir uns verzaubern...

...meint Ihr

Michael Noir Trawniczek

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