
Formel 1: Kommentar | 07.05.2008
Kein Platz für Privatiers, in der Sparefroh-F1...
Seit 2003 predigt Max Mosley: "Wir müssen die Privatteams retten!" Viele, teils seltsame Regeln wurden deshalb eingeführt. Die Privaten sterben trotzdem aus.
Michael Noir Trawniczek, noir@motorline.cc
Seit vielen Jahren werden die Oberste Sportbehörde FIA respektive deren Präsident Max Mosley nicht müde, die Formel 1 mit immer neuen Regeln zu "bereichern". Und stets stand dabei die Absicht im Vordergrund: "Wir müssen die Kosten reduzieren! Wir müssen dafür sorgen, dass die Privatteams überleben!"
Da setzt sich also jemand massiv dafür ein, dass die kleinen Privatteams faire Chancen vorfinden und sie blühen und gedeihen. Das ist doch super, Aguri!
Ach so, 'tschuldigung, das habe ich jetzt ganz vergessen, da ist ja etwas passiert mit diesem Team...
...
Lassen wir den Zynismus einmal außen vor - denn für jene Menschen, die im Super Aguri-Team gearbeitet haben, ist der Exodus ihres Teams ganz und gar nicht lustig...
Ganz ernsthaft muss man sich fragen, was hier eigentlich los ist? Mindestens seit 2003 ist die immer gleiche Leier von der Notwendigkeit des Sparens zu vernehmen. Zum Teil an die Grenze der Schrulligkeit reichende Regelneuheiten wurden unter diesem Motto eingeführt.
Parallel dazu passiert folgendes: 2005 startet einer der letzten wirklichen Privatiers, Aguri Suzuki sein Projekt Formel 1-Team. 2006 fährt man zunächst mit Uralt-Chassis der Marke Arrows. 2007 kann man mit Kundenautos von Honda Achtungserfolge bringen. 2008 ist das Projekt aber auch schon wieder vorbei - das Team ist bankrott. Alle Welt erkennt: In der heutigen Formel 1 ist für Privatteams kein Platz vorhanden.
Das Ganze grenzt an Schizophrenie - wenn ein Max Mosley enthusiastisch von der Wiedereinführung der Vorqualifikation spricht und er meint, wie toll es wäre, wenn GP2-Teams in die Formel 1 aufsteigen könnten. Oder wie man zahlreiche Bewerber verrückt gemacht hat mit dem 12. Slot der Formel 1. Da war Prodrive der "glückliche Gewinner". Noch bevor etwas Konkretes zustande gekommen ist, haben die Haifische der Formel 1 eine bereits fix geplante Kundenautoregelung torpediert - das Aus für Prodrive. Und auch das Aus für die Scuderia Toro Rosso, die zum Verkauf angeboten wird.
Lieber auf den Mars als ein F1-Team
Die Formel 1 sendet zurzeit folgendes Signal: Eher noch gründet man eine Fluglinie zum Mars als ein Formel 1-Team.
Dabei war das Interesse groß, als die FIA den 12. Slot angeboten und eine Kundenautoregelung in Aussicht gestellt hat. Doch dann konnten wieder einmal bestehende F1-Teams diese Öffnungspläne vereiteln. Das "gute, alte" Concorde Abkommen sorgte einmal mehr dafür, dass außer viel Gezanke nicht viel passiert. Und Max Mosley hat wieder einmal Wasser gepredigt während die F1 Wein getrunken hat.
Es ist kein Wunder, warum Mosley in der Meinung der Allgemeinheit "nur" die Sicherheit als anerkannten Verdienst aufweisen kann. Denn diese Maßnahmen wurden einheitlich von den Herstellern unterstützt. Ansonsten jedoch gab es nur ein riesengroßes Kuddelmuddel von Regeln, die eingeführt werden hätten sollen, aber dann wieder geändert oder zurückgenommen wurden, weil sich die Herrschaften im Fahrerlager einfach nicht einig wurden. Das leidige Thema der Traktionskontrolle. Der ein Jahrzehnt andauernde Irrweg mit den Rillenreifen, während die heilige Kuh namens Aerodynamik nur sanft reduziert werden durfte, weil doch so viele neue Windkanäle gebaut wurden.
"Hauptsache ein Diktator!"
Ich habe Manfred Stohl unlängst gefragt, wen er sich, sollte Max Mosley als FIA-Präsident zurücktreten müssen, als dessen Nachfolger wünschen würde - Stohl sagte: "Mir ist egal, wer es ist - Hauptsache es ist ein Diktator!" Der Wiener erklärte seinen Gedanken: "Es muss einer allein die Entscheidungen treffen, sonst geht gar nichts mehr weiter. Dieses demokratische Rumverhandeln führt nur dazu, dass letztlich keine Entscheidungen getroffen werden oder nur Kompromisse möglich sind."
Zwar ist oder war (oder ist er es immer noch?) Max Mosley innerhalb der FIA nur von Jasagern umgeben - doch in der Formel 1 verhindert das Concorde Abkommen klare Entscheidungen. Und auch in anderen Serien ist es oft die Uneinigkeit der Bewerber, die dafür sorgt, dass letztlich nichts weitergeht. Die Hersteller wollen das bestmögliche Reglement - und zwar jeder für sich. Erst unlängst wollten einige die Einführung von KERS torpedieren, fanden aber (noch) keine Mehrheit.
Der sündteure Sparzwang
Es ist absurd, wie Mosley und die FIA mit immer neuen Mitteln versuchen, die weltgrößten Automobilhersteller zum Sparen zu zwingen. Zum einen sind diese ständigen Änderungen und Neueinführungen sauteuer - die viel zitierten "sündteuren Sparmaßnahmen" - zum anderen wird ohnehin bald gar kein Privatteam mehr in der Formel 1 vorhanden sein. Und dann liest man Reports wie jenen von 2006, wonach fast alle Teams ihr Budget aufgestockt haben...
So, wie die FIA die Formel 1 derzeit reglementiert, werden potentielle Privatiers nur abgeschreckt. Der Fall Prodrive hat deutlich gezeigt, dass die FIA nicht imstande ist, Neueinsteiger vor den bereits vorhandenen Haifischen zu schützen. Auch im Fall Super Aguri wurde interveniert - ausgerechnet Honda-Manager Nick Fry hat die Speichen ins Super Aguri-Rad gesteckt. Ein Sittenbild der aktuellen Formel 1.
Spielball der Automobilindustrie
Die FIA hat in manchen Belangen sehr viel Macht demonstriert. In anderen Belangen jedoch ist sie ein Spielball der Automobilindustrie. Ein gutes Beispiel ist auch die "grüne Idee", mit der Mosley zurzeit beeindrucken möchte. Der Rennsport müsse auf diesem Gebiet Initiativen setzen, wird er nicht müde, zu predigen. Die Realität sieht jedoch, um nur ein Beispiel zu nennen, völlig anders aus: Derzeit ist der Einsatz von Alternativkraftstoffen in der Rallye-WM unmöglich - während im kleinen Österreich bereits eine Vielfalt von Erdgas- Biogas- und Bioethanol-Antrieben in der ÖM zu bewundern ist. Vielleicht sind es ja nur böse Gerüchte, aber angeblich stockt das Thema Alternativantrieb auf der internationalen Rallyebühne nur deshalb, weil die mit der FIA kooperierende Treibstofffirma auf dem Gebiet nichts anzubieten hat.
Wie auch immer: Will man wirklich die Basis und das Regulativ für einen gesunden und auch fairen Motorsport bieten, muss man sich frei spielen aus dem politischen Geflecht. Weil man es ohnehin nicht allen (Herstellern) recht machen kann. Letztlich würden auch die Hersteller selbst von einer klaren Struktur, einem klar anerkannten und potenten Regulator und einem verlässlichen Reglement profitieren. Die Sportbehörde sollte künftig nur einem verpflichtet sein: Dem Sport, den Aktiven und auch den Fans gegenüber. Ungeachtet der Sexaffäre des Präsidenten - die Sportbehörde FIA benötigt, so scheint es, dringend einen frischen Wind. Wie auch immer der aussehen mag,
findet Ihr
Michael Noir Trawniczek