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Die Wiederwahl brachte keine Beruhigung

Über die vorsichtigen Aussagen der F1-Teams. Über Piloten ohne Meinung und dem Klartext sprechenden Ecclestone. Und: Ein Abendessen mit Max Mosley.

Michael Noir Trawniczek

Wer geglaubt hat, nach der Bestätigung von Max Mosley als FIA-Präsident würde dieser Fall zu den Akten gelegt werden, irrte gewaltig. Im Gegenteil: Einige Automobilklubs - darunter gewichtige Verbände wie der US-Autofahrerklub AAA oder der deutsche ADAC -denken mehr oder weniger laut darüber nach, den Dachverband zu verlassen. Womit der FIA eine Abspaltung droht.

Die Formel 1-Teams wiederum demonstrieren mit ihren Wortmeldungen einmal mehr, dass sie vor lauter Angst, etwas Falsches zu sagen, nur noch in einer von konkreten Aussagen befreiten Diplomatensprache kommunizieren, deren Inhalte man sich zwischen Zeilen herauspflücken kann.

Geteilte Besorgnis

So wünscht sich Honda "ein rasches Ende der instabilen Situation, die wir momentan haben", wie Geschäftsführer Nick Fry in Montreal, im Rahmen des Formel 1-Grand Prix erklärte. Der Brite gab zu Protokoll: "Die Reaktion der Automobilklubs zeigt die Besorgnis darüber, ob der FIA-Präsident dazu in der Lage ist, seine Aufgaben zu erfüllen. Trotz des großen Beitrags, den Max im Motorsport geleistet hat, teilen wir diese Besorgnis."

BMW-Motorsportdirektor Dr. Mario Theissen erklärte in Bezug auf die Bestätigung von Max Mosley als FIA-Präsident: "Wir respektieren die Entscheidung der FIA - aber jetzt ist eine kritische Phase für die FIA, was die Mitgliedsklubs angeht. Offensichtlich betrifft die Angelegenheit nicht nur die FIA, sondern auch externe Partner wie die Automobilindustrie und den Motorsport. Trotzdem kann nur die FIA diese Situation lösen. Wir respektieren also ihre Entscheidung und warten nun ab, wie sich alles entwickelt."

Toyota ließ in einer Presseaussendung verlauten: "Toyota Motorsport nimmt den Ausgang der außerordentlichen Generalversammlung zur Kenntnis und akzeptiert die getroffene Entscheidung. Jetzt, da die FIA-Mitglieder ihre Meinung zum Ausdruck gebracht haben, hoffen wir, dass der Motorsport vom Skandal, von den Kontroversen und der negativen Publicity unbeschadet weitergehen kann. Wir verstehen aber die Positionen vieler Touringklubs, von deren Mitgliedern viele zu unseren Kunden zählen."

Honda, BMW und Toyota respektieren und akzeptieren also die Wiederwahl von Max Mosley, wünschen sich aber de facto weiterhin dessen Rücktritt. Die Scuderia Ferrari demonstrierte wohl am besten, wie schwer sich die in der Formel 1 vertretenen Teams damit tun, die aktuelle Lage zu kommentieren. Nachdem Präsident Luca di Montezemolo dem FIA-Präsidenten riet, aus "Gründen der Glaubwürdigkeit" den "Platz zu räumen", lieferte die Presseabteilung des Team wenig später eine völlig konträre Montezemolo-Aussage, wonach sich der Ferrari-Präsident über die Wiederwahl von Mosley freuen würde...

Keine Meinung

Um sich derartige Rückzieher zu ersparen, verweigern die meisten Formel 1-Piloten weiterhin jeden Kommentar zu dieser allseits und angeregt diskutierten Angelegenheit. Der eine mehr, der andere weniger geschickt. Kimi Räikkönen glaubt man beinahe, dass ihm der Fall egal sei, wie er in einer Pressekonferenz zugab. Wenn ein intelligenter junger Mann wie Robert Kubica jedoch erklärt, er habe keine Meinung zu diesem Fall, dann fällt es einem schwer, ihm das zu glauben. Die Automobilkonzerne sollten danach trachten, dass sich ihre Piloten nicht aufgrund von Maulkorberlässen als meinungslose Dummerchen präsentieren müssen - da ist es besser, wenn man wenigstens zugibt, dass man zwar eine Meinung hat, diese aber nicht öffentlich kundtun möchte.

Klartext

Klartext spricht dafür Bernie Ecclestone - gegenüber dem Independent erklärte der Formel 1-"Zirkusdirektor": "Max sollte im November zurücktreten. Für mich ist es eine schwierige Situation, denn ich leite die Formel-1-Gruppe. Die Teams und die Hersteller sind ganz klar gegen ihn. Ich wusste aber, dass er die Abstimmung gewinnen würde - niemals hätte er verlieren können. Ich glaube jedoch nicht, dass das jetzt gut für ihn oder die FIA ist, um ehrlich zu sein. Er wollte erst schon Ende 2007 zurücktreten und dann Ende dieses Jahres, bevor all das angefangen hat."

Ecclestone ist davon überzeugt, dass Mosley beabsichtigen würde, sogar über 2009 hinaus das Amt des FIA-Präsidenten zu bekleiden: "Ich habe immer schon gesagt, dass Max bis zu seinem Tod Präsident bleiben wird. Was viele Menschen nicht verstehen, ist, dass er die Konfrontation genießt. Er liebt es, zu diskutieren und Beweisführung zu betreiben - diese Dinge stimulieren ihn."

Für Ecclestone hat sich aufgrund der Wiederwahl seines früheren Rechtsberaters nichts geändert - das Problem sei die verlorene Akzeptanz seines langjährigen Weggenossen, sagte Ecclestone, und bracht ein Beispiel: "Das, was in Monaco passiert ist, unterstreicht das Problem. Prinz Albert hat sehr klar zum Ausdruck gebracht, dass er Max nicht auf dem Grid haben möchte, und er hatte eigenes Securitypersonal um sich, damit er nicht gemeinsam mit Max gesehen werden kann."

Mosley: "Ich gebe nicht auf!"

Max Mosley selbst kann die Empörung nicht nachvollziehen - ein Times-Korrespondent traf den Präsidenten zufällig beim Abendessen in Monaco, kurz nach dem Grand Prix im Fürstentum und noch vor der Generalversammlung vom 3. Juni. Trotz der laufenden Verfahren nahm Mosley am Tisch des Kollegen Platz und erklärte im Zuge eines Gesprächs: "Ich kann es mir selbst gegenüber einfach nicht erlauben, dass ich wegen einer Angelegenheit aus dem Amt befördert werde, die ausschließlich mein Privatleben betrifft und die von ein paar Leuten publik gemacht wurde. Was ich in meinem Privatleben tue, hat keinen Einfluss auf meine Fähigkeit, die FIA zu führen - das ist lächerlich."

Laut einem Bericht einer deutschen Agentur soll sich Mosley übrigens in den Neunzigerjahren mehrfach vom Nationalsozialismus distanziert haben - allerdings wurden dieser Feststellung keine konkreten Zitate hinzugefügt. Bei dem Treffen mit dem Times-Korrespondenten soll Mosley alles andere als deprimiert gewirkt haben. Der 68-jährige Brite verriet, dass er es lieben würde, in Monaco allein durch die Stadt zu flanieren und eines seiner Lieblingsrestaurants aufzusuchen. "Zu den schönsten Dingen im Leben gehört, alleine essen zu gehen - vor allem in Monaco, wo es so viele gute Lokale gibt", erzählte Mosley dem Kollegen, während ihm der Wirt seine beste Flasche Barolo servierte und er fleißig Autogramme auf Laptops und Servietten kritzelte. Mosley lebt übrigens alleine in Monaco, seine Ehefrau wohnt in Frankreich.

Zu seinem Verhältnis zu Bernie Ecclestone, der ihm zu diesem Zeitpunkt bereits den Rücktritt empfohlen hatte, erklärte Mosley an diesem Abend: "Wir telefonieren regelmäßig. Er weiß, dass ich nicht aufgeben werde. Und ich werde nicht aufgeben!"

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