
Formel 1: News | 29.01.2008
Wiederholt sich die Geschichte?
Jarno Trulli äußerte den Verdacht, dass einige Teams trotz Standard-ECU verbotene Fahrhilfen an Bord hätten - FIA-Boss Mosley winkt ab: "Unmöglich!"
Michael Noir Trawniczek
"Ich werde keine Namen nennen - aber ich denke, dass einige Teams bereits einen Weg gefunden haben, wie man das Startprozedere automatisiert und wie man das Durchdrehen der Räder während des Beschleunigungsvorgangs auf ein Minimum reduziert" - Jarno Trulli hat gegenüber dem italienischen Magazin Autosprint offen seine Bedenken geäußert, ob die Einführung der Standard-ECU (Electronic Control Unit) tatsächlich ausreicht, um damit die ab 2008 verbotenen elektronischen Fahrhilfen wie Launch Control (Startautomatik) und Traction Control (Traktionskontrolle oder Antischlupfregelung) zu unterbinden.
Laut den bei den jüngsten Testfahrten angestellten Beobachtungen des Toyota-Werkspiloten könnten bereits einige Teams bestimmte Wege und Mittel gefunden haben, um das Verbot der elektronischen Fahrhilfen auch mit der seit 2008 vorgeschriebenen Standard-ECU zu umgehen.
Jetzt hat FIA-Präsident Max Mosley auf die Äußerungen von Trulli reagiert und den Verdacht vom Tisch gefegt: "Da müssten diese Teams nicht nur die Standard-ECU überlistet haben - es gibt zudem ja auch unseren Spion, der uns sagt, was im Auto vor sich geht." Diese "Spionagevorrichtung" der FIA, die mit der ECU im Auto verbaut ist, dient dazu, sämtliche elektronische Vorgänge aufzuzeichnen, ähnlich der Blackbox in Flugzeugen. Daher ist Mosley auch überzeugt davon, dass es "extrem schwierig" sei, an einem Rennwochenende mit der Standardelektronik "herumzutricksen". Mosley erinnerte daran, dass die Teams bei den Testfahrten nicht verpflichtet seien, sich an das TC-Verbot zu halten: "Es ist ihnen freigestellt, was sie bei den Tests machen."
Der FIA-Präsident fügte hinzu, dass solche in der Öffentlichkeit ausgesprochenen Verdächtigungen "ärgerlich" seien. Im Jahr 2001 wurde schon einmal die Traktionskontrolle verboten - doch dann verdächtigten die Teams einander immer mehr, weiterhin die verbotenen "Helferlein" zur Anwendung zu bringen. Damals führten diese Verdächtigungen dazu, dass die FIA schließlich mitten in der Saison, ab dem Spanien-GP das Verbot kleinlaut zurückzog - mit der Begründung, dass eine verlässliche Kontrolle des Verbots unmöglich sei. Schließlich schrieben die Teams zu dieser Zeit die ECU-Software eigenhändig und die Ingenieure versteckten die illegalen Startautomatiksequenzen und Antischlupfprogramme gefinkelt innerhalb der zigtausend Programmzeilen. Erst die Standard-ECU habe ein verlässliches Verbot der Fahrhilfen ermöglicht, betonte die FIA immer wieder.
Mosley ist übrigens fest davon überzeugt, dass damals, im Jahr 2001, nur wenige oder gar keine Teams tatsächlich getrickst haben. Als man die Fahrhilfen wieder erlaubt hatte, seien die Techniker der Teams vor dem Grand Prix von Monaco an die FIA herangetreten und hätten um ein außerordentliches Training gebeten, inklusive einiger Startversuche am Ende der Trainingssitzung. Mosley erinnert sich: "Keine der Startautomatiken hat wirklich funktioniert. Wir mussten ein Extratraining einlegen, weil man befürchtet hatte, dass die Fahrer beim Start nicht vom Fleck kommen und ineinander krachen würden. Das zeigte uns, dass sie nicht betrogen haben - sie haben nur voneinander geglaubt, dass sie es taten."
Trotz der Einführung der Standard-ECU sowie den beschwichtigenden Worten des FIA-Präsidenten kann man davon ausgehen, dass besonders gute Starts oder Autos mit besonders guter Traktion zu neuerlichen Gerüchten und Verdächtigungen führen werden, dass bestimmte Teams eine illegale Traction- oder Launch Control zur Anwendung bringen würden.
Bleibt zu hoffen, dass der elektronische "Spion" der FIA tatsächlich in der Lage ist, das Verbot der elektronischen Fahrhilfen zu kontrollieren. Eine überwältigende Mehrheit der Formel 1-Fans ist der Meinung, dass die Piloten der "Königsklasse" ohne Startautomatik und Traktionskontrolle auskommen müssen, auch im Regen. Eine Wiedereinführung ist unerwünscht - das häßliche Knattern am Kurvenausgang muss bleiben, was es ist: Ein verzichtbares Stück Motorsportgeschichte.