
Formel 1:News | 01.06.2009
„Unsere Pläne sind seriös!“
Superfund als einer von sieben Bewerbern um drei Plätze in der F1-WM 2010. Neo-Teamchef Alex Wurz spricht über das sensationelle Projekt…
Michael Noir Trawniczek
Die kleine Alpenrepublik als Nährboden für Formel 1-Teams – wenige Wochen nach dem geschichtsträchtigen Sieg des mit österreichischer Lizenz fahrenden RBR-Teams könnte schon im kommenden Jahr ein weiterer Rennstall aus Österreich in der Königsklasse des Automobilrennsports vertreten sein.
Die österreichische Investmentfirma Superfund hat sich um einen Formel 1-Slot für die WM 2010 beworben. Superfund war bereits als Sponsor bei Minardi an Bord, unterstützt seit Jahren einige Piloten und bis Ende 2004 gab es sogar eine eigene Formel 3000-Rennserie, die „Superfund Euro 3000“.
Unternehmensgründer Christian Baha hat Alex Wurz als Teamchef engagiert – für den langjährigen Edeltester stellt dies den nächsten Schritt seiner Formel 1-Karriere dar, Wurz kennt die Formel 1, er hat dort bereits sämtliche Höhen und Tiefen erleben dürfen.
“Haben schon vor Jahren darüber gesprochen“
Gegenüber Autosport erklärt Wurz: „Ich habe mich immer schon dafür interessiert, mich im Teammanagement zu betätigen, auch noch in meiner aktiven Zeit als Formel 1-Rennfahrer. Christian [Baha, d. Red.] und ich haben schon viele Jahre über ein solches Projekt gesprochen.“
Grünes Licht gab es von Baha, als die Sportbehörde FIA die Einführung eines Budgetlimits beschlossen hat. Wurz: „Als wir gesehen haben, dass aufgrund des Budgetlimits und der allgemeinen Marktsituation die Kosten für den Betrieb eines Formel 1-Teams sinken werden, haben wir diesen Schritt als eine Möglichkeit betrachtet und gesagt: ‚Lass uns das machen!’ Christian ist ein sehr harter, aber fairer Geschäftsmann, der erst dann grünes Licht gab, als er wusste, dass wir ein effektives Business Model kreieren können. Es ist wichtig, zu betonen, dass er das Team persönlich unterstützt und nicht mit den Funds von Superfund.“
Das Team verfüge über einen „soliden Rückhalt“, fügt Wurz hinzu. „Die Herausforderung ist weniger von finanzieller Natur, sie ist vielmehr von technischer Natur. Bislang haben wir hart daran gearbeitet, um unseren aktuellen Status zu erreichen, sodass wir von der FIA eine positive Entscheidung erhalten.“
7 Teams kämpfen um 3 Slots
Der Hintergrund: Superfund gehört nun zu jenen sieben Bewerbern, die sich um drei freie Plätze für die Formel 1-WM 2010 beworben haben – neben dem „Team Superfund“ stehen das von David Richards geführte Prodrive-Team, das amerikanische USGPE-Team, das Campos Meta 1-Team, Litespeed sowie die beiden früheren Formel 1-Teams Lola und March auf der Liste der Bewerber. Allesamt wurden von der Einführung des Budgetlimits angelockt – ob dieses allerdings tatsächlich bereits im kommenden Jahr 45 Millionen Euro oder die von den bestehenden F1-Teams geforderten 100 Millionen Euro betragen wird, ist derzeit noch unklar.
Wurz glaubt fest daran, dass sein Team den Zuschlag erhalten wird. Er unterstreicht den Unterschied zu den anderen Bewerbern: „Das sind allesamt entweder Konstrukteure, die zurückkehren möchten oder bestehende Teams aus anderen Rennserien – die ich Benzinköpfe nennen möchte – die vermutlich erpicht darauf sind, in die Formel 1 einzusteigen, weil sie der ‚Pinnacle of motor racing’ ist.“
Wurz setzt auf soliden Background
Wurz weist auf den soliden finanziellen Background hin: „Superfund ist ein Multi-Millionen-Geschäft, das über die Jahre immer größer wurde und Christian betrachtet die Formel 1 als ein extrem starkes Promotion-Werkzeug für eine Firma, die sehr gute Profite abwirft, in einer schwierigen Marktsituation, wie wir sie derzeit vorfinden. Wir betreiben dieses Projekt also extrem seriös.“
Weil das Reglement für 2010 noch unklar ist, habe man an die Bewerbung bei der FIA „zwei unterschiedliche Business-Pläne angeheftet“, verrät Wurz. Denn noch steht nicht fest, in wie weit die Neueinsteiger von den bestehenden Teams unterstützt werden. Wurz: „Wir müssen schnell loslegen – daher haben wir für beide Szenarios Pläne entwickelt: Mit der Unterstützung eines existierenden Teams oder aber als ein unabhängiges Team.“
“Kein reines Kundenteam“
Wurz präzisiert: „Ich persönlich möchte nicht als ein reines Kundenteam enden – aber am Beginn würden wir es vorziehen, mit einem existierenden Team zu arbeiten. Wir haben mit einigen Teams gesprochen und wir haben dann mit einem der existierenden Teams ein provisorisches Übereinkommen geschlossen.“
Bei diesem Team soll es sich Gerüchten zufolge um Brawn Grand Prix handeln – dort fungiert Wurz bekanntlich immer noch als Entwicklungspilot. Das frühere Honda-Werksteam verfügt über eine großräumige Formel 1-Fabrik und hat derzeit noch rund 600 Mitarbeiter unter Vertrag. Am Anfang könnte man sich in der Brawn-Fabrik einquartieren, später in eine eigene Fabrik einziehen. „Wenn es nötig sein sollte, könnten wir unser Quartier in der bestehenden Superfund-Niederlassung in Österreich aufschlagen.“
Lernen als „Untermieter“
„Wir können derzeit keine endgültigen Entscheidungen treffen, so lange wir nicht wissen, was 2010 und die Jahre danach erlaubt sein wird und was nicht“, verweist Wurz auf die noch offenen Fragen hinsichtlich der Unterstützung durch bestehende Formel 1-Teams.
Er bestätigt jedoch, dass man zunächst als „Untermieter“ in eine bestehende F1-Fabrik einziehen könnte: „Es könnte anfänglich Sinn machen, uns in eine Fabrik eines bestehenden Teams einzumieten – denn mit dem Budgetlimit werden einige nur 50 bis 60 Prozent ihrer Kapazität nützen können. Für uns wäre das eine Gelegenheit, um schnell von einem etablierten Team lernen zu können, gleichzeitig könnten wir unser eigenes Quartier einrichten.“
Eine solche Lösung wäre für beide Seiten eine „Win-Win-Situation“ – die nicht mehr genützte Kapazität des bestehenden Teams würde nicht mehr brach liegen. „Zudem wäre es auch für viele der Mitarbeiter eine Lösung, die sonst keinen Arbeitsplatz mehr hätten“, spricht Wurz die bevorstehende Kündigungswelle in der F1 an, die mit der Einführung eines Budgetlimits einhergeht.
Superfund mit Cosworth-Motor
Wurz bestätigt, dass Superfund mit einem Standard V8-Motor von Cosworth antreten wird – in punkto Fahrer-Lineup möchte sich der 34-jährige Niederösterreicher jedoch nicht festlegen. Im Scherz sagt er: „Wenn Fernando Alonso mit viel Geld im Gepäck kommen würde, wäre das sehr gut.“ Im Ernst fügt er hinzu: „Es ist viel zu früh, um über Fahrer zu sprechen. Ich denke, dass der Fahrermarkt sehr seltsam sein wird bis im Oktober. Wir haben jedoch ein seriöses Budget für Fahrergagen.“
Fahrender Teamchef?
Ob Wurz selbst noch einmal ins Formel 1-Cockpit steigen möchte? Diese Frage lässt Wurz offen, er sagt: „Ich bin in der Formel 1 als Rennfahrer im Jahr 2007 zurückgetreten, aber ich werde natürlich in diesem Jahr in Le Mans den Peugeot pilotieren und auch mit großer Freude meine Rolle als Entwicklungspilot im Brawn-Team wahrnehmen. Was in der Zukunft passieren wird, weiß ich nicht. Man sollte das Schritt für Schritt angehen. Ich liebe den Peugeot und die Sportwagen, doch ich bin auch sehr aufgeregt hinsichtlich der Möglichkeiten, die sich für 2010 ergeben könnten.“
Stichtag 12. Juni
Wichtig sei nun eine rasche Entscheidung bezüglich des Reglements für 2010 und 2011. Die FOTA-Teams haben sich allesamt für die WM 2010 eingeschrieben, doch sie verlangen die Beibehaltung des 2009er-Regelwerks und wollen eine schrittweise Einführung des Budgetlimits. Demnach soll dieses im kommenden Jahr 100 Millionen Euro betragen, ab 2011 sollen dann die ursprünglichen 45 Millionen Euro eingeführt werden, mit Abstrichen bei jenen Kosten, die nicht im Budgetlimit eingeschlossen sein werden. Wesentlich wird sein, welche drei Teams den Zuschlag für die F1 WM 2010 erhalten werden – die FIA wird diese Entscheidung am 12. Juni bekannt geben. Bis dahin hofft Wurz darauf, dass der solide finanzielle Background von Superfund die FIA-Gremien überzeugen wird...