
Formel 1-Testfahrten Barcelona | 22.02.2010
Wer legt die Karten auf den Tisch?
Ab Mittwoch steigt die letzte Testwoche vor dem Saisonauftakt – was kann man aus den bisher gefahrenen Rundenzeiten herauslesen?
Michael Noir Trawniczek
Fotos: Stefan GP, Photo4
In dieser Woche stehen die letzten Formel 1-Testfahrten auf dem Programm, ehe die Boliden noch einmal in den Fabriken auf Vordermann gebracht und nach Bahrain verschifft werden, wo am 14. März die Saison eröffnet wird.
Bis auf Campos (laut eigenen Angaben gerettet und in Bahrain mit Teamchef Colin Kolles am Start) und USF1 (sucht um Erlaubnis an, erst ab dem Europa-Auftakt in Barcelona in die WM einzusteigen), werden ab Mittwoch sämtliche Teams auf dem Circuit de Catalunya nahe Barcelona ihre letzten Testrunden drehen.
Kommt Stefan GP? Mit Villeneuve?
In Portimao möchte zudem das serbische Team Stefan GP jenen Stefan S-01 testen, der eigentlich als neuer Toyota vorgesehen war. Die Toyota Motorsport Group (TMG) hat den Wagen entwickelt und soll laut Stefan GP auch bei dessen Weiterentwicklung Support beisteuern.
Der serbische Geschäftsmann Zoran Stefanovic hofft immer noch, als Einspringer einen Slot für die WM 2010 zu erhalten. Seine im Rot der serbischen Olympiabewegung lackierten Autos sollen schon in Bahrain an den Start rollen.
Kazuki Nakajima soll als Toyota-Zugeständnis eines der Cockpits erhalten, für den zweiten Wagen ist niemand geringerer als Jacques Villeneuve im Gespräch.
Die Lage erinnert ein wenig an den Honda-Ausstieg und deren Übernahme durch Brawn – Toyota hat im Vorjahr bereits recht früh mit der Entwicklung des Autos begonnen.
Ob es tatsächlich für eine Neuauflage des „Brawn-Märchens“ reicht, bleibt abzuwarten, noch fehlt dem Team das Wichtigste: Der Eintrag in die Nennliste der F1-WM.
Und für die Tests in Portimao fehlt ein weiteres, nicht unwichtiges Element: die Reifen! Denn Bridgestone liefert nur an eingetragene F1-Teams…update: Daher musste der Test kurzfristig abgesagt werden...
Riesiges Zeitfenster
Nur noch eine Testwoche also, dann wird es ernst. Wie sehen die Kräfteverhältnisse für 2010 aus? Was kann man aus den bisher gefahrenen Testrunden herauslesen? Wie sind die Zeiten der Vorwoche zu interpretieren?
In Wahrheit ist eine seriöse Analyse so gut wie unmöglich: Zum einen herrschten bislang nahezu bei jedem Test äußerst wechselhafte Wetterkonditionen, zum anderen hat sich das Zeitfenster zwischen „leer“ und „vollgetankt“ erheblich vergrößert – schließlich darf heuer nicht mehr nachgetankt werden, das Tankvolumen wurde um rund 100 Liter vergrößert. Dazu kommen schmälere Vorderreifen, 245 statt 270 Millimeter. Die Gewichtsverteilung ist daher komplett neu, den Teams fehlen somit brauchbare Vergleichswerte aus dem Vorjahr.
RBR, Williams & McLaren mit Tagesbestzeiten
Allgemein werden Ferrari, RBR, McLaren-Mercedes und das Mercedes-Werksteam an der Spitze erwartet. McLaren war bereits zum zweiten Mal Wochenschnellster – zunächst fuhr Lewis Hamilton die schnellste Zeit der Testwoche, zuletzt hieß der Wochenbeste Jenson Button, der Weltmeister war um drei Zehntelsekunden schneller als der Rest, angeführt von Robert Kubica im neuen Renault R30, Kamui Kobayashi fuhr im seltsamen BMW Sauber-Ferrari die drittschnellste Zeit der Woche.
Renault und Sauber (wegen der TV-Gelder immer noch als BMW Sauber in BMW-ähnlichem Look unterwegs) waren bislang in jeder Testwoche stark unterwegs. Die Tagesbestzeiten gingen in der letzten Woche jedoch auf das Konto von Red Bull Racing (einmal Webber, einmal Vettel), Williams und McLaren.
Topteams zeigen Pokerface
Der RB6 von Adrian Newey scheint wie erwartet ein schnelles Auto zu sein – einige Defekte jedoch bestärkten zunächst jene Furcht, Newey könnte sich ohne Geoff Willis zu weit aus dem Fenster gelehnt haben. Mit 375 absolvierten Runden wiederum befindet sich das österreichische Team in punkto Distanz im vorderen Mittelfeld.
Unauffällig verhielt sich bislang das neue Mercedes-Werksteam, vormals Brawn. Allerdings waren Michael Schumacher und Nico Rosberg stets im guten Mittelfeld zu finden. Taktikgenie Ross Brawn hat wie viele wohl noch nicht die Karten auf den Tisch gelegt, zumal es ohnehin von großer Bedeutung ist, erstmals seit vielen Jahren wieder mit randvoll getanktem Auto eine gute Performance zu erzielen.
Dass man bei Ferrari noch den Trumpf im Ärmel hat, gab Neuzugang Fernando Alonso offen zu, der spanische Hobbyzauberer glaubt: „Red Bull, McLaren und Renault haben bereits ihre Karten aufgedeckt, während wir damit noch hinter dem Berg halten.“ Doch gleich in der ersten Testwoche stampfte die Scuderia sämtliche Tagesbestzeiten in den Asphalt. Alonso spricht zudem vom „besten Auto, das ich jemals hatte“…
Die neuen Teams - Virgin & Lotus
Interessant war das Debüt der beiden Neueinsteiger Virgin und Lotus. Letztere konnten mit dem Retro-Look im guten alten britischen Racing-Green tatsächlich den Geist der alten Tage erwecken, Colin Chapman hätte wohl Gefallen an den Farben des Lotus T127 gefunden. In punkto Design hat Mike Gascoyne jedoch auf Nummer Sicher gesetzt – der Wagen wirkt simpel, scheint aber relativ standfest zu sein.
Während Lotus gleich einmal 315 Runden abspulen konnte, schaffte Virgin lediglich 144, obschon die Manor-Crew bereits ihre zweite Testwoche abspulte. Der VR-01 scheint jedoch nicht zwingend das langsamste Auto zu sein, Timo Glock fuhr damit die zwölftschnellste Zeit der Woche. Auch der ausschließlich mittels CFD entwickelte Bolide wird von Experten als simpel eingestuft, allerdings wird Virgin wie die meisten Teams noch in dieser Woche ein erstes Upgrade einsetzen.
Resümee: Es bleibt spannend
Bislang hat noch kein Team angedeutet, dass es dem Rest des Feldes davonfahren könnte – wenngleich Ferrari sowie auch McLaren und RBR durchaus starke Tagesleistungen boten. Allgemein wird erwartet, dass die Teams, mit dem Upgrade für Bahrain zumindest einmal im Qualifying-Modus antreten respektive die Karten auf den Tisch legen werden. Doch auch dann muss das wahre Kräfteverhältnis noch lange nicht zwingend ans Tageslicht rücken…
Bestzeiten Jerez, 17. bis 20.2.
Pos Fahrer Team/Auto Zeit Runden 1. Jenson Button McLaren-Mercedes MP4-25 1:18.871 209 2. Robert Kubica Renault R30 1:19.114 217 3. Kamui Kobayashi BMW Sauber-Ferrari C29 1:19.188 145 4. Mark Webber RBR-Renault RB6 1:19.299 202 5. Vitantonio Liuzzi Force India-Mercedes VJM03 1:19.650 104 6. Nico Rosberg Mercedes W01 1:20.061 201 7. Fernando Alonso Ferrari F10 1:20.115 269 8. Jaime Alguersuari Toro Rosso-Ferrari STR5 1:21.053 259 9. Nico Hülkenberg Williams-Cosworth FW32 1:21.432 275 10. Michael Schumacher Mercedes W01 1:21.437 190 11. Adrian Sutil Force India-Mercedes VJM03 1:21.939 97 12. Timo Glock Virgin-Cosworth VR-01 1:22.433 110 13. Sebastian Vettel RBR-Renault RB6 1:22.593 173 14. Lewis Hamilton McLaren-Mercedes MP4-25 1:23.017 129 15. Felipe Massa Ferrari F10 1:23.204 164 16. Sébastien Buemi Toro Rosso-Ferrari STR5 1:23.322 136 17. Pedro de la Rosa BMW Sauber-Ferrari C29 1:23.367 85 18. Jarno Trulli Lotus-Cosworth T127 1:23.470 141 19. Lucas di Grassi Virgin-Cosworth VR-01 1:23.504 34 20. Heikki Kovalainen Lotus-Cosworth T127 1:23.521 98 21. Paul di Resta Force India-Mercedes VJM03 1:25.088 109 22. Vitaly Petrov Renault R30 1:26.237 115 23. Rubens Barrichello Williams-Cosworth FW32 1:27.145 207 24. Fairuz Fauzy Lotus-Cosworth T127 1:31.848 76