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Formel 1: Technik

Hoffentlich setzt sich die Vernunft durch

Die Formel 1-Teams wollen das ab 2013 geplante Comeback der „Ground Effect“-Autos abblasen. Es wäre auch albern, jetzt einen solchen Wechsel zu riskieren.

Michael Noir Trawniczek
Fotos Arrows A2: Schlegelmilch Photography (www.schlegelmilch.com)

Endlich kann in der Formel 1 wieder herzhaft überholt werden. Der Grand Prix von China in Shanghai war für viele das beste, spannendste Rennen der Geschichte. Und auch der Grand Prix der Türkei am vergangenen Sonntag bot jede Menge Überholmanöver…

Das im Jahr 2007/2008 erarbeitete Aerodynamik-Konzept der „Arbeitsgruppe Überholen“ (breite Front-, schmale Heckflügel, Diffusorbeschnitt) funktioniert heuer erstmals wie erwünscht, da die jüngsten Errungenschaften der Konstrukteure (Mehrfachdiffusor und F-Schacht) für 2011 verboten wurden.

Im Zusammenspiel mit den neuen, kurzlebigen Pirelli-Reifen, dem Energierückgewinnungssystem KERS und dem verstellbaren Heckflügel DRS (Drag Reduction System) funktionieren die anfangs als „Mähdrescher“ und „Schneepflüge“ verspotteten Boliden prächtig – es wird herzhaft überholt, und nicht nur in der für DRS deklarierten Überholzone. Man kann sagen: Die Formel 1-Rennen sind so spannend wie selten zuvor. Manche finden sogar: Die Rennen sind so spannend wie noch nie…

Jetzt also, wo endlich eine tatsächlich funktionierende Lösung für das leidige Überholproblem gefunden wurde, sollte ab 2013 ein völlig anderes Aerodynamik-Konzept angewandt werden: Die Formel 1-Teams wollten ein Comeback der „Ground Effect“-Autos.

Lotus 79 - das Parade-Wingcar.
Arrows A2 - kein Frontwing, Endplatte statt Heckflügel.
Die Sidepods als umgekehrte Flügel-Profile

Lotus 78/79 als Parade-„Wingcar“

Dieses Konzept basiert auf einem gewölbten Unterboden – an der dünnsten Stelle entsteht der Bernoulli-Effekt, es entsteht Unterdruck, das Auto saugt sich fest, die Luft wurde damals mit seitlichen Schürzen abgedichtet. Erfunden hat dieses Konzept Colin Chapman, der 1978 mit dem Lotus 78 und dem Lotus 79 (großes Bild oben) die Weltmeisterschaft dominierte.

Der Name „Wingcars“ irritiert, denn bei dem Konzept ist das Auto selbst respektive der Unterboden (unter den Seitenkästen) ein einziger Flügel - es werden keine oder nur noch kleine Front- und Heckflügel benötigt. Der Diffusor ist aus diesem Konzept heraus entstanden, er ist quasi der letzte Rest des umgekehrten, unterirdischen Flügels.

Manche Experten finden, das Problem mit der „Dirty Air“ habe mit den „Wingcars“ beziehungsweise den „Ground Effekt“-Autos erst so richtig begonnen.

Die bisherige Argumentation für die Wiedereinführung des „Ground Effect“ klingt jedoch ebenso plausibel: Die Flügel werden kleiner – 1979 fuhren viele Autos ohne Frontwing, die Autos der zweiten Generation wie Lotus 80, Brabham BT48 oder Arrows A2 sollten auch ohne Heckflügel auskommen, mussten jedoch letztendlich kleine Spoiler montieren.

Somit wird der Abtrieb fast ausschließlich über den Unterboden generiert – so sollte es weniger störend sein, wenn die Flügel selbst im Windschatten weniger Fahrtluft erhalten. Allerdings hat man bereits 1979 von der „Dirty Air“ gesprochen – schließlich wird im Windschatten auch jene Fahrtluft geringer, welche unter das Auto strömt…

FOTA skeptisch wegen neuer Aero-Grenzwerte

Hundertprozentig sicher scheinen sich auch die Formel 1-Teams nicht zu sein – denn in einem Meeting der FOTA-Arbeitsgruppe für das Technische Reglement (TRWG) haben sich die Teams darauf geeinigt, einen Antrag zu stellen, wonach die Rückkehr des „Ground Effects“ abgesagt werden soll.

Williams-Technikdirektor Sam Michael erklärte gegenüber Autosport: „Das ist ein Antrag, der jedoch am Mittwoch unterzeichnet werden muss.“ Am besagten Mittwoch findet ein Meeting der Technischen Arbeitsgruppe der FIA statt.

Sam Michael erklärt, dass die Teams skeptisch seien, weil die FIA künftig Grenzwerte für die Aerodynamik einführen möchte – der „Ground Effect“ sei für die meisten Techniker Neuland, sodass es schwer sei, die Grenzwerte einzuhalten.

Michael sagt: „Der Ground Effect ist ein derart unterschiedliches Konzept – während wir mit dem gängigen Unterboden über viel Erfahrung verfügen. Da tun wir uns mit dem aktuellen Konzept leichter, die geplanten Granzwerte für Drag und Downforce zu erreichen. Mit einem gewölbten Unterboden könnte es leicht passieren, dass man ihn entwickelt und am Ende liegt man über dem Grenzwert.“

Never change a winning – aero-concept

Ein weiteres Argument ist ganz und gar nicht technischer Natur – es besagt: Never change a winning….concept!

Es wäre schlicht albern, jetzt - wo endlich überholt werden kann - ein völlig unterschiedliches, im Grunde konträres Konzept einzuführen.

Somit kann man also nur hoffen, dass sich am Mittwoch tatsächlich die Vernunft durchsetzt und das Comeback des „Ground Effect“ storniert wird.

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