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Wolffs (fast) perfekter Deal

Der neue Motorsportchef Toto Wolff fühlt sich nur noch Mercedes-Interessen verpflichtet, will seine Williams- und HWA-Anteile aber halten.

Fotos: Daimler, PHOTO4

Toto Wolff, wer ist das eigentlich? Das mag sich mancher Nicht-Kenner der Motorsport-Szene gefragt haben, als Mercedes seinen neuen Motorsportchef vorstellte – beziehungsweise als die deutsche Bild-Zeitung dem Konzern diese Aufgabe abnahm. Wolff ist geschäftsführender Direktor und Großaktionär von Williams. Wolff ist Teilhaber und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender von HWA, der ausgegliederten Rennsportabteilung von AMG. Und nun ist Wolff auch noch Minderheitsgesellschafter des Mercedes-F1-Teams. Viele Aufgaben und eine Frage: Wie soll das gehen?

Der Österreicher stellte sich am Dienstag tapfer den Fragen der Journalisten und hatte einiges zu erklären. Etwa die Tatsache, dass er in der "Königsklasse" zwei Pferde im Stall hat – oder sind es vier Pferde in zwei Ställen? Was bei RB Racing und Toro Rosso wegen des selben Inhabers halbwegs problemlos erscheint, ist im Fall von Mercedes und Williams kritischer. Die Personalie Wolff ist die einzige Gemeinsamkeit, sonst sind die beiden Teams Konkurrenten mit unterschiedlichen Besitzern und eigenen Zielen. "Ich sehe das nicht als einen Interessenkonflikt", betont hingegen Wolff.

Bei Williams nur noch stiller Teilhaber

Der 41jährige argumentiert, dass aus seiner Williams-Beteiligung ein reines Finanzinvestment geworden sei, nachdem er seinen Posten als geschäftsführender Direktor in Grove aufgegeben habe. "Ich glaube, das Wichtige war, dass ich aus meiner operativen Funktion ausscheide", so Wolff. Er verspricht seine ganze Loyalität den "Silberpfeilen", wenn es um sportliche Erfolge auf der Rennstrecke geht und unterstreicht: "Meine ganze Kraft und Aufmerksamkeit liegt im Formel-1-Team von Mercedes."

Also reißt Wolff künftig nur noch für ein Team die Arme in die Höhe? "Deswegen werde ich jubeln, wenn Mercedes hoffentlich gute Resultate abliefert." Sein Williams-Engagement einfach aufzugeben und so aller lästigen Fragen ledig zu sein, ist keine Option für den Wiener, höchstens ein denkbares Szenario. Er wiegelt ab: "Wenn man in einem Team Gesellschafter ist, dann ist da auch gewissermaßen eine gesellschaftliche, moralische Funktion", erklärt Wolff. Seine Zeit sei mit dem neuen Job zu 100 Prozent gebunden.

HWA-Besitz lässt Spielraum

"Das heißt aber nicht, dass ich mich von heute auf morgen von der anderen Geschichte verabschiede." Ist es tatsächlich der Versuch, bei Williams Kontinuität zu erhalten, nachdem sich das Team aus einer sportlichen Dauerkrise zurück auf das Formel-1-Podium gekämpft hat? Oder geht es dem Finanzinvestor einfach nur ums Geld? Wie er im Laufe des vergangenen Jahres erklärte, sei die Teilhaberschaft in Grove auch schon in Zeiten weitaus mäßigerer Saisonen eine lohnende Angelegenheit gewesen.

So einfach wie dieses Loyalitätsdilemma ist ein anderes Problem nicht aus der Welt zu schaffen – das Spannungsverhältnis, das sich aus seinen HWA-Anteilen ergibt. Das DTM-Team ist eine auf Motorsport spezialisierte Daimler-Tochter. Als Mercedes-Motorsportchef könnte Wolff, rein theoretisch, Budgets in Millionenhöhe bewilligen und sie dann via HWA gleichsam in die eigene Tasche wirtschaften. Das wird er als kluger Geschäftsmann, der er zwefellos ist, nicht tun – aber schon die Möglichkeit hat einen schalen Beigeschmack.

Ethikleitfaden wie für Wolff gemacht

Doch es bleibt nicht bei einem hypothetischen Imagekratzer, denn im Daimler-Konzern gibt es etwas, das sich 'Compliance Code' nennt (für jedermann im WWW nachzulesen) – oder anders ausgedrückt: eine moralische Richtlinie für Firmenpolitik. Und die sagt Konkretes zu Spannungsverhältnissen, wie es auf Wolff zutrifft: "Deshalb vermeiden wir Situationen, in denen persönliche oder eigene finanzielle Interessen mit den Interessen unseres Konzerns oder unserer Geschäftspartner kollidieren."

In Abschnitt 3 des Compliance-Leitfadens heißt es: "Bestehen solche Interessenkonflikte, legen wir sie offen und suchen mit der jeweiligen Führungskraft eine Lösung, bei der die Interessen des Daimler-Konzerns nicht beeinträchtigt werden. Interessenkonflikte können zum Beispiel entstehen, wenn Beschäftigte Gremienmitglied eines anderen Unternehmens sind, einer Nebentätigkeit nachgehen oder an Wettbewerbern beteiligt sind." Wolff wäre demnach ein solcher Fall.

Nun auch Teilhaber des Mercedes-Teams

Da seine anderen Beteiligungen weder von geringem Umfang sind, geschweige denn der Anschein eines Interessenkonflikts ausgeschlossen ist, lässt sich die Causa Wolff weder de iure noch de facto mit diesem Dokument vereinbaren. Der neue Mercedes-Motorsportchef plant nach eigener Aussage keinen Abschied von HWA. Er widerspricht sich selbst, wenn er zuerst sagt: "Es gibt bis auf ganz wenige Ausnahmen – zum Beispiel die Budgets – keinen Interessenkonflikt" und anschließend meint: "Ich bin mir des Interessenkonflikts bewusst und werde ihn auch wichtig nehmen." Schnell ergänzt Wolff: "Den vermeintlichen."

Seit wenigen Tagen ist zu Wolffs Teilhaberschaften eine weitere hinzugekommen: 30 Prozent am Formel-1-Team von Mercedes. Was er dafür auf den Tisch gelegt hat, will er nicht preisgeben. Fakt ist jedoch: Er wird genau wie bei Williams auch geschäftsführender Direktor des in Großbritannien als "Limited" eingetragenen Unternehmens, vergleichbar einer GmbH. "Es gibt ein Interesse an einer Kapitalbeteiligung auf beiden Seiten", erklärt Wolff das Zustandekommen der neuen Teilhaberschaft.

Job mit besonderer Siegprämie

Auch Niki Lauda, neuer Aufsichtsratsvorsitzender des Teams, hat sich ein Stück der Anteile – zehn Prozent – der arabischen Investmentgesellschaft Aaber gesichert. Dass mit dem Landsmann Wolffs Vorgesetzter beim Formel-1-Projekt von Mercedes weniger Team-Anteile hält als der Motorsportchef selbst, ist eine von vielen Kuriositäten des Deals. Eines Tages eine Mehrheit der Anteile zu erwerben, schließt Wolff nicht aus. "Das habe ich nicht diskutiert, und es steht in weiter Ferne", erklärt er. Aber ausgeschlossen ist es eben auch nicht.

Immerhin bekennt Wolff, die Identität als Mercedes-Rennteam erhalten und die Kontrolle in Stuttgart belassen zu wollen, wenngleich er selbst die Fabrik im britischen Brackley als seine Hauptbasis sieht. Und so bleibt die neue Konstellation für den 41jährigen eine Klappe, die zumindest zwei Fliegen schlägt. "Mir geht es in allererster Linie darum, sportlichen Erfolg mit dem Team zu haben", kommentiert er seine kommerziellen Interessen. "Das ist das Charmante am Formel-1-Modell, da ergibt eines das andere. Mein primärer Antrieb ist der sportliche Erfolg." Der sich dann auch auf dem Konto des Finanzinvestors bemerkbar machen würde. Ein perfekter Deal – mit Schönheitsfehlern.

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