
Parallelen zwischen Formel 1 und Poker | 03.12.2015
Kopfsache
Mit mentaler Stärke zum Sieg - dies gilt nicht nur am Lenkrad eines Formel-1-Boliden, sondern auch an den Tischen der größten Poker-Events.
Fotos: LSDSL / Michael Elleray (1); Pixabay.com © Angelo_Giordano (1)
Auf den ersten Blick könnten Rennsport und Poker kaum unterschiedlicher sein. Der einzige offensichtliche gemeinsame Nenner scheint die Tatsache, dass die Protagonisten in beiden Bereichen Ausdauer beweisen müssen.
Nimmt man die beiden Berufsfelder genauer unter die Lupe, so kommen erstaunlich viele Gemeinsamkeiten zum Vorschein. Neben Nervenstärke und Anpassungsfähigkeit werden die Siege nicht selten im Kopf entschieden. Darum verwundert es nicht, dass in beiden Bereichen auch immer mehr Mentaltrainer zum Einsatz kommen.
Moderne F1-Piloten sind wahre Athleten, denn ohne professionelles Fitnesstraining würden sie den Belastungen nicht standhalten. Vom Flüssigkeitsverlust, über die auf den Körper wirkenden Beschleunigungs- und Verzögerungskräfte, bis hin zur weit erhöhten Herzschlagfrequenz, das Fahren eines Grand Prix darf getrost als Extremsport bezeichnet werden.
Im neuen Jahrtausend hat man jedoch erkannt, dass der Geist ebenso gefördert und trainiert werden muss. Mittlerweile helfen Sportpsychologen den Piloten, mit Stress sowie Ängsten umzugehen. Mentaltrainer liefern den Fahrern Techniken, damit diese sich während Rennen besser fokussieren können.
Sie arbeiten zudem mit den Sportlern daran, dass diese den Nervenkrieg überstehen. Nicht selten werden Rennen im Kopf entschieden denn kleinste Ablenkungen können zu einem Fahrfehler führen und den Sieg, Punkte oder gar die Meisterschaft kosten.
Der dreifache F1-Weltmeister Lewis Hamilton verglich in der vergangenen Saison die Rivalität zwischen sich und Teamkollege Nico Rosberg mit: "Es ist ein wenig wie Poker spielen". Tatsächlich ist der Vergleich mit dem Kartenspiel nicht so weit hergeholt. Das Duell mit dem Teamkollegen ist auch ein mentaler Zweikampf. Wie beim Poker müssen die Rennfahrer sich in die Köpfe ihres Widersachers hineindenken und die Karten beziehungsweise die Gedanken erraten.
Ohnehin gibt es viele Parallelen zwischen Poker und der Formel 1. Daniel Negreanu, mit mehr als $30,6 Millionen an Preisgeldern der erfolgreichste Turnierspieler aller Zeiten, gibt an, dass er sein Spiel mithilfe von Mentaltrainern voranbrachte.
Vor einem großen Turnier legt er sich eine Strategie zurecht und muss diese je nach Situation anpassen. Hat Negreanu viele Chips, so kann er mit vielen Startblättern sehr aggressiv spielen und die Gegner unter Druck setzen. Zudem kann der Pokerprofi darauf warten, dass die anderen Spieler einen Fehler machen und gnadenlos zuschlagen.
Hat der Kanadier dagegen wenige Chips, so muss er seine Pokertaktik ändern und vorsichtig spielen. Im Fachjargon spricht man von "tight spielen". Während die F1-Piloten also mit Reifen und Benzin haushalten, so muss Negreanu seine Pokerchips verwalten. Und wie bei einem Rennen in der Formel 1, kann eine Fehleinschätzung das Aus bedeuten. In einem Pokerturnier spricht man von "Bust out".
Spieltechnisch gibt es zweifelsohne Pokerprofis, die Daniel Negreanu überholt haben. Vor allem die junge Generation von Spielern, die durch das Spiel an den Online-Tischen Millionen von Händen gespielt haben und jede Situation mithilfe von Mathematik und Spieletheorie lösen, bringt immer wieder neue Herausforderer hervor.
Doch wie ein Testfahrer, der eine schnelle Rundenzeit auf leerer Strecke schafft, jedoch im Rennen nicht die Nerven behält, so scheitern viele von diesen Spielern, wenn das Spiel auf der ganz großen Bühne stattfindet.
Monaco ist eine dieser Bühnen. Neben dem Großen Preis von Monaco der Formel 1 ist das Fürstentum an der Côte d'Azur auch Austragungsort eines der wichtigsten Pokerturniere der Welt. Das Grand Final der European Poker Tour bietet zahlreiche Events und lockt jedes Jahr Tausende von Spielern. Der "Grand Prix" dieses Tourstopps ist das Main Event, bei dem es um Millionen von Euro an Preisgeldern geht.
Spieler ohne die nötige Erfahrung mögen zwar die Theorie beherrschen, verlieren jedoch im Rampenlicht schnell die Nerven. Selbst gestandene Poker-Pros gehen oft ohne Spielplan in ein Turnier. Das Motto "immer sein Bestes zu geben", verspricht zwar Erfolg, doch es fehlt der Leitfaden.
Negreanus Geheimnis ist, dass er sich mit dem Sieg ein klares Ziel vorgibt und dieses in kleine Etappen einteilt. Ein Pokerturnier wird über mehrere Tage gespielt. Dabei ist es nicht wichtig, wie viele Chips man am Ende eines solchen Spielabschnittes hält, sondern dass man nach der letzten Hand im Turnier alle Chips gewonnen hat. Der 41-jährige Pokerprofi arbeitet seinen Plan nun vom Finaltag aus rückwärts bis zu Tag 1 aus und setzt sich damit einfache Tagesziele.
Dieser Trick funktioniert natürlich nicht immer, denn Glück spielt zweifelsohne eine große Rolle in Poker. Auch wenn die Profis auf lange Sicht gewinnen, so gibt es oft zahlreiche Rückschläge, bis sich der Erfolg einstellt.
Allerdings kann Fortuna auch in der Formel 1 ihre Hand im Spiel haben. Beim diesjährigen Grand Prix von Monaco kostete ein Patzer des Mercedes-Teams Lewis Hamilton den Sieg. Nutznießer war Rosberg, der die Sache mit "Mir ist schon klar, dass das Glück war" kommentierte.
Eine weitere Gemeinsamkeit zwischen Poker und Formel 1 ist das sogenannte Bauchgefühl. Während ein gewagter Bluff oder ein riskantes Überholmanöver für Außenstehende zunächst wie ein unnötiger Schachzug aussehen mag, so ist dies für Spieler und Fahrer einfach nur eine blitzschnelle Analyse einer Situation und ein kalkuliertes Risiko. Der Impuls zum Handel kommt auch keineswegs aus dem Bauch, sondern ist reine Kopfsache.
Wissenschaftler vermuten, dass der Mensch über zwei Denksysteme verfügt. Das eine ist das bewusste Denken, welches deutlich langsamer ist. Hier arbeiten wir Prozesse nach und nach ab. Das zweite kognitive System läuft unbewusst ab, ist jedoch deutlich schneller, zudem können Informationen parallel verarbeitet werden. Doch welches Denksystem auch benutzt wird. Am Ende zählt, wer die Nerven behält und weniger Fehler macht.