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Formel 1: Interview

Renault will gestürzte Startaufstellung

Technikchef Bell erklärt, warum Aeronovellen keine Überholmanöver bringen; nur neue Startformationen könnten die Serie noch retten.

Im Renault-Werksteam ist man überzeugt, dass umgekehrte Startaufstellungen die Formel-1-WM wieder spannender machen könnten. Wie dessen Technikchef Bob Bell erklärt, wäre nicht die Tatsache, dass dann ein langsamerer Pilot auf der Pole Position stünde, der entscheidende Faktor – vielmehr wären die Teams gezwungen, überholtaugliche Autos zu entwerfen.

Bell sagt: "Fakt ist, dass wir unsere Wagen nicht mit dem Hintergedanken bauen, dass sie in Luftverwirbelungen, sondern alleine fahrend gut funktionieren." Schließlich drehe sich praktisch alles um ein gutes Qualifying, in dem es in der Regel freie Runden gibt. Insbesondere gilt das für die drei Topteams, wenn in Q3 nur noch zehn Fahrer dabei sind – und wer am Start vorne steht, muss im Rennen meist niemanden mehr überholen.

Anders wäre das aber, wenn es umgekehrte Startaufstellungen gäbe. "Dann wird es plötzlich wichtig, durch das Feld zu pflügen", sagt Bell, "oder mehr Windkanaltests werden interessant, allerdings nur hinter einem anderen Auto. Solange wir so etwas aber nicht machen, haben die Teams auch keinen Anreiz." Keine Antwort hat Bell auf die Frage, wie sich 'reverse grids' konkret umsetzen ließen. Häufig genannte Optionen sind WM-Punkte schon für das Qualifyingergebnis oder zwei Rennen pro Wochenende wie im GT3-Sport.

Im zweiten Lauf würden dann entweder nur die Top 10 oder das gesamte Feld in umgekehrter Reihenfolge losfahren. Das Problem: Vermutlich würden einige Teams mit mindestens einem ihrer Autos taktieren und es darauf anlegen, auf Platz zehn (und somit Pole Position) bzw. weit hinten zu landen. Im Motorsport ist diese Praxis bekannt: In der britischen Tourenwagenmeisterschaft BTCC z.B. ist man der Sache Herr geworden, indem man nach dem zweiten Rennen auslost, ab welcher Position von sechs bis zehn das Ergebnis für die Startaufstellung des dritten Laufs umgedreht wird.

In der Formel-1-WM sind solche Ideen allerdings noch Zukunftsmusik, wenngleich der neue Mehrheitseigner Liberty Media zweifellos plant, mehr Showelemente einzuführen. Dass schon mit der Aerodynamiknovelle ab 2019 Abhilfe geschaffen wird, und sich das Thema von selbst erledigt, glaubt Bell nicht. "Es ist nicht unmöglich, auf isolierte Weise aerodynamische Charakteristika zu entwickeln, die es in der Theorie ermöglichen, näher an den Vordermann heranzufahren", kritisiert er die Pläne, die lediglich auf Basis von Windkanalversuchen und Computersimulationen entwickelt wurden.

Unklar bleibt, wie sensibel die Autos auf kleine Änderungen der seitlichen Aeroelemente oder auf Wetterumschwünge reagieren, oder ob die Piloten überhaupt gewillt sind, näher an den Vordermann heranzufahren, selbst wenn das Auto dabei nur minimal an Grip einbüßt. "Daher werden wir erst wissen, ob es eine Verbesserung darstellt, wenn die Autos unter Realbedingungen getestet werden. Ich persönlich bin nicht überzeugt, dass wir genügend Arbeit investiert haben, um Gewissheit zu erlangen", moniert Bob Bell. Seine Prognose: Im kommenden Jahr wird es keine Verschlechterung der Situation geben, aber es würden viel Arbeit und Budget für wenig Ertrag investiert.

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