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Mercedes: "Aufgegeben wird nur ein Brief!" George Russell betrieb in Dschidda Schadensbegrenzung
Motorsport Images

Mercedes "nicht raus" aus WM-Kampf: "Aufgegeben wird nur ein Brief!"

Obwohl man bei Mercedes Defizite in vielen Bereichen ausmacht, gibt man die WM 2022 noch lange nicht verloren: Vorerst in Schlagdistanz bleiben und dann schauen

"Wir machen uns keine Illusionen darüber, wo wir im Moment stehen", sagt Mercedes-Ingenieur Andrew Shovlin nach dem durchaus ernüchternden Saisonauftakt für die Silberpfeile. Zwar konnte Lewis Hamilton in Sachir ein überraschendes Podium einfahren, in Dschidda war er dafür bereits in Q1 ausgeschieden und landete am Ende nur auf dem zehnten Platz.

Und auch der vierte und fünfte Platz von George Russell ist nicht ganz das, was sich der Serienweltmeister vorgestellt hatte. Doch die Situation ist, wie sie ist, und Mercedes muss seine Probleme in den Griff bekommen, will man in dieser Saison ein Wort um den Titel mitreden.

Vor allem das Thema "Porpoising" stand in den vergangenen Wochen stark im Fokus. Der Mercedes W13 scheint größere Probleme mit diesem Phänomen zu haben als die anderen Teams. Und das zieht einen Rattenschwanz an anderen Einschränkungen mit sich.

Das lässt sich wohl einfach an Lewis Hamilton sehen, der betont, dass er in Dschidda kein Problem mit Porpoising hatte. Das hatte Mercedes wohl mittels Set-up ausgebügelt, dafür war der Brite aber schlicht und einfach langsam - eine Konsequenz aus den Kompromissen.

"Wir fahren das Auto nicht so, wie wir es gerne fahren würden", gibt Motorsportchef Toto Wolff zu. Denn damit das Phänomen nicht noch stärker auftritt, muss Mercedes Kompromisse mit dem Set-up machen. "Darum ist es auch schwierig einzuschätzen, wie unser Rückstand aussehen würde, wenn wir das Auto niedriger fahren könnten", sagt der Österreicher.

Motor nicht mehr Nonplusultra

Laut Wolff fehle es dem W13 in vielen Bereichen, und auch Hamilton will mehr Grip und mehr Leistung von seinem Auto. "Wir sind in Sachen Topspeed deutlich hinterher", sagt er. "Ich weiß nicht, ob man nur eine Sache in den Griff bekommen muss oder ob es viele Dinge sind. Ich weiß auch nicht, wie viel Luftwiderstand wir im Vergleich zu den anderen haben, aber es fühlt sich nach einer Menge an."

Und da setzt das nächste Problem an: Die Power-Unit hat nicht mehr den großen Vorteil wie in früheren Jahren. Im Gegenteil: Es wird sogar gemunkelt, dass Mercedes hinter Honda und Ferrari nur noch der drittbeste Motor ist.

Wolff winkt aber ab: "Ich glaube, es ist wichtig jetzt nicht nur auf einzelne Bereiche des Autos mit dem Finger zu zeigen. Wir operieren als Team gemeinsam und ich glaube, dass wir insgesamt Defizite haben, die größer sind als ein Motorendefizit", betont er. "Man darf aber nicht vergessen, dass dieser Motor dazu beigetragen hat, dass wir acht Meisterschaften hintereinander gewonnen haben."

Speed war in Dschidda in Ordnung

Zudem sah es in Dschidda gar nicht so schlecht aus, wenn man George Russell glauben mag. Als man den Motor für das Qualifying aufdrehen konnte, sei man in Sachen Topspeed auf Augenhöhe mit Ferrari gewesen. Red Bull war zwar schneller, ist aber laut Russell auch mit deutlich weniger Flügel gefahren.

Allerdings ist Russell dabei aufgefallen, dass Red Bull auf Höhe Mitte der Geraden noch einmal beschleunigen kann. "Sie scheinen einen besseren Job gemacht zu haben, ihren Luftwiderstand bei hohen Geschwindigkeiten zu reduzieren", sagt er. "Ihre Pace ist derzeit außergewöhnlich. Wir müssen in allen Bereichen arbeiten, um aufzuholen."

Laut Wolff zählt Mercedes aktuell in keinem Bereich zu den Topteams. "Jetzt müssen wir uns einfach allesamt am Schopf packen und mit all unserer Kraft, uns aus dem Schlamassel rausziehen", sagt er.

Die Frage ist: Wie lange dauert das? Und kann Mercedes überhaupt noch in den WM-Kampf eingreifen? "Ich habe kein Zweifel, dass Mercedes irgendwann in den Kampf eingreifen wird", weiß Red-Bull-Teamchef Christian Horner um das Potenzial der Silberpfeile. Doch vorerst muss man wohl etwas kleinere Brötchen backen.

Kein Sprung in Melbourne?

Für Melbourne erwartet Russell eine ähnliche Performance wie in Sachir und Dschidda, wo man deutlich hinter Ferrari und Red Bull lag. "Ich sehe keinen Grund, warum wir große Schritte machen sollten", sagt er. Das fürchtet auch Wolff: "Der Rückstand ist zu groß, um in den nächsten Rennen einfach dabei zu sein. Melbourne wird kein Zuckerschlecken."

Aber: Den WM-Kampf hat Mercedes definitiv noch nicht ad acta gelegt. "Es sind 23 Rennen, davon sind zwei gefahren. Die Saison ist also noch unglaublich lang und wir dürfen nicht in die Falle tappen, dass wir aufgrund der jetzigen Performance einschätzen, wie wir in der Mitte der Saison oder Ende der Saison ausschauen werden", betont Wolff.

Zum Europaauftakt in Imola wird von vielen Teams ein Upgrade erwartet, das das Kräfteverhältnis wieder drehen kann. Ralf Schumacher weiß "ziemlich sicher", dass etwa Red Bull ein großes Update bringen wird, ähnlich dürfte es bei anderen Teams aussehen.

Mercedes hat zumindest gerade den "Luxus", O-Ton von Motorsportchef Wolff, dass man aktuell im Niemandsland herumfährt. Ferrari und Red Bull sind zu stark, aber man hat selbst auch einen guten Vorsprung auf die Konkurrenz dahinter. Das heißt, dass man im Normalfall gute Punkte sammeln kann, um erst einmal an den beiden Spitzenteams dranzubleiben, bis man seine Probleme gelöst hat.

Nach zwei Rennen "definitiv nicht raus"

Und Ausfälle wie der von Max Verstappen in Bahrain helfen dabei. In Zahlen ausgedrückt: George Russell hat aktuell nur drei Punkte Rückstand auf den Niederländer, bei Lewis Hamilton sind es zumindest neun Zähler.

"Wir sind nach zwei Rennen definitiv nicht raus", sagt Russell und gibt sich noch gelassen: "Selbst wenn wir noch fünf, sechs, sieben, acht Rennen so weitermachen, sind wir noch in Schlagdistanz. Es gibt keinen Grund, warum wir das nicht drehen sollten." Allerdings warnt er auch: "Wenn wir keine Verbesserungen finden, dann haben wir keine Chance, um diese Meisterschaft zu kämpfen."

Noch gibt man sich diesbezüglich allerdings optimistisch: "In den letzten acht Jahren hat das Team jedes Performance-Problem in den Griff bekommen", stellt Shovlin klar. Das sei gelungen, weil man "so viele talentierte und engagierte Mitarbeiter" in den Fabriken in Brackley und Brixworth habe.

"Wir haben in den nächsten Wochen und Monaten sicherlich noch viel Arbeit vor uns, aber wir sind entschlossener denn je, wieder an der Spitze mitzukämpfen", so der Ingenieur, der damit genau den Nerv von Toto Wolff trifft. "In Österreich sagt man: Aufgegeben wird nur ein Brief", schickt der eine Kampfansage an die Konkurrenz.

Marko sicher: "Die kommen wieder!"

Und die ist natürlich gewarnt, auch wenn Red-Bull-Motorsportkonsulent Helmut Marko die aktuelle Rolle gefällt. "Die Mercedes-Teams sind es halt nicht mehr gewohnt, dass sie motormäßig nicht mehr an einem Knopf drehen können und sofort eine Party-Time inszenieren können", stichelt er gegenüber 'Motorsport-Total.com'.

"Aber das Team ist breit aufgestellt. Das Team ist auch im Chassis-Bereich mit wirklichen Topleuten besetzt und die kommen wieder, da bin ich voll überzeugt, wenn sie das Bouncing in den Griff kriegen", so der Österreicher. "Und Hamilton ist neun Punkte nur hinter Verstappen, also das ist auch nix. Ich glaube nicht, dass es ein Ende ist, sondern es ist vielleicht ein Kampf auf gleichem Niveau."

Motorsport-Total.com

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