WTCC: Estoril | 14.07.2008
Party in Portugal
Seat kassiert in Estoril fast alle Punkte, Erfolgserlebnisse für Rickard Rydell und vor allem für Tiago Monteiro: Sieg vor eigenem Publikum.
Inoffizielle Niki-Lauda-Wochen in der Tourenwagenszene: die DTM in Zandvoort, wo unser Weltmeister 1985 seinen letzten Grand Prix gewonnen hat; und die WTCC in Estoril, dem Schauplatz der WM-Entscheidung 1984 (ein halber Punkt vor Prost, „Sie erinnern sich sicher!“)
Nach dem Stadtrennen in Porto 2007 kehrt die WTCC ins diesmal sturmgebeutelte Estoril zurück. Tiago Monteiro hatte hier ein etwas ruhigeres Wochenende als voriges Jahr in seiner Heimatstadt, die Last des Lokalhelden lastet trotzdem auf seinen Schultern.
Im Training hatten zunächst die Chevrolet ihre Nase vorn, Nicola Larini holte sich seine erste Pole Position seit 2003, damals noch im Alfa Romeo und – genau: in Estoril. Neben ihm in Reihe 1 sein guter Freund vom Anderstorp-Eklat voriges Jahr, der nunmehr bei Seat engagierte Rickard Rydell.
Larinis Teamkollege Alain Menu war ursprünglich auf Platz 3, wurde dann aber ans Ende zurückversetzt, denn der Feuerlöscher im Chevy Lacetti war leer. Grober Fehler der Boxencrew oder sträflicher Leichtsinn?
Gar nicht im Rennen war Honda-Fahrer James Thompson, nach einigen Motordefekten im Training gab die Truppe von N.Technology w.o. Good news dafür bei Lada: der Papierkram aus Togliatti ist eingetroffen, das Team Russian Bears mit den zwei 110 ist somit punkteberechtigt.
Lauf 1: Die Schwedenbombe
Das erste der beiden 12-Runden-Rennen sah seine Entscheidung, untypisch in der WTC, schon am Start. Rydell kam auf der langen Geraden mit TDI-Power besser in Schwung und setzte sich an die Spitze. Im Feld gab es die üblichen Scharmützel, Leidtragende unter anderem Augusto Farfus (Aufhängungsschaden nach Crash), Gabriele Tarquini und Rob Huff (Reiberei in der ersten Kurve, weit zurückgeworfen).Yvan Muller leistete seinem Teamkollegen Rydell zunächst in der Folge Schützenhilfe gegen Larini, begnügte sich dann aber mit einem streckenweise einsamen Rennen auf Platz 3. Wichtige Punkte im Titelkampf für den bislang Zweitplatzierten, denn Tabellen-Leader Tarquini ging leer aus.
Die Absicherung des Seat-Erfolges nach hinten erledigte wieder einmal Jordi Gene, er stritt mit Andy Priaulx, Rob Huff Tiago Monteiro & Co. um die Plätze ab Position 4. Wie immer war sein Auto der breiteste Seat in Europa, Huf mogelte sich dennoch vorbei auf den 4. Platz.
An der Spitze entschieden 0,8 Sekunden zugunsten Rickard Rydell, der sich damit seinen dritten Sieg in der WTCC sichert.
Beinahe eine Sensation bei den „Independents“: Jaap van Lagen im Lada fuhr tapfer um die Top 3 mit.
Pech hatte Sergio Hernandez im Proteam-BMW, die Motorhaube löste sich. Schwarze Flagge und Zwangspause zur Reparatur, dennoch ging die Haube später ganz auf – früher Dienstschluss!
Turbulenz im privaten Sektor: Hernandez’ Teamkollege d’Aste drehte sich und riss Franz Engstler mit ins Unglück. Olivier Tielemans’ Wiechers-BMW fing Feuer.
Mittendrin hielt sich Pierre-Yves Corthals aus allen Zores heraus und sicherte Seat damit auch den Privatfahrer-Sieg. Van Lagen fiel noch in der letzten Runde mit Leistungsverlust von Platz 3 auf 5 zurück, der Däne Kristian Poulsen präsentiert sich im WTCC-Debüt mit Platz 3.
Lauf 2: Ländermatch
Vor dem Nachmittagsrennen stieg dann die Spannung, das Publikum witterte die Sensation. Felix Porteiro hatte nach seinem 8. Platz im ersten Rennen die Pole Position für den zweiten Lauf, und neben ihm postierte sich der Lokalheld Tiago Monteiro im Seat. Stehender Start, also Vorteil BMW; lange Gerade, also Vorteil Seat – Kampf der Konzepte, mit welchem Sieger?Porteiro wehrte sich standhaft eine halbe Runde lang gegen den vom Jubel der Zuschauer beflügelten Monteiro, aber es nützte alles nichts. Der Portugiese ließ sich den Erfolg auf heimischem Boden einfach nicht nehmen.
Porteiro setzte ihn den Großteil des Rennens unter Druck, dann fiel er kurzfristig zurück und damit seinerseits in die Klauen der Konkurrenz, in Form von Muller und Priaulx.
Somit hatte Monteiro die letzten zwei Runden als „tours d’honneur“ beinahe ungefährdet für sich und konnte die Ovationen der Fans entgegennehmen. Ländermatch-Stimmung auf den Tribünen!
Der in der Formel 1 wohl auch dank zweitklassigen Materials unscheinbare Monteiro notiert WTCC-Sieg Nummer 2. Neben ihm lächelt auf dem Siegerfoto wieder Yvan Muller. Er hat leicht Lächeln, denn in der Tabelle liegt er jetzt nur noch einen einzigen Punkt hinter Tarquini.
Für „Spiderman“ war es mit 2 x 0 Punkten ein Wochenende zum Vergessen. Und Andy Priaulx macht mit Platz 3 wieder einen Punkt hier, einen Punkt dort, er schiebt sich an die vierte Position der Gesamtwertung.
Die Independents sahen einen Doppelsieg des Proteam, Hernandez mit wieder ordnungsgemäß fixiertem „Deckel“ vor Stefano d’Aste. Dahinter der starke Debütant Tom Boardman im Seat.
Jetzt freuen sich Priaulx, Huff und Thompson auf den Heimvorteil, denn die WTCC zieht weiter nach Großbritannien zu den Läufen 13 und 14 in Brands Hatch am 27. Juli.