
WTCC: Brands Hatch | 19.07.2009
Englische Gartenparty
Das Wetter war gnädig, vor schöner Kulisse zeigte die WTCC spannende Rennen ganz ohne Politik - an einem traurigen Wochenende.
Auch in Brands Hatch war das Safety-Car einige Male an der Spitze des Feldes zu sehen; im zweiten Lauf musste das Rennen wegen des Starts des Rettungshubschraubers neutralisiert werden.
Denn im vorangegangenen Rennen der Formel 2 wurde Henry Surtees in einem Crash schwer verletzt.
Wir müssen dies schweren Herzens korrigieren: Henry Surtees ist seinen Verletzungen erlegen.
Der Sohn des ehemaligen Motorrad- und F1-Weltmeisters John Surtees wurde vom Rad eines anderen Autos am Kopf getroffen - ein Unfall, der bei heutigen Sicherheitsstandards eigentlich unter keinen Umständen mehr passieren dürfte.
Die Resultate rücken in den Hintergrund; Philipp Eng und Andy Soucek konnten je einen Lauf gewinnen.
Hatten die F2-Youngster mit Wolkenbrüchen zu kämpfen, so fanden die Tourenwagen-Asse gute Bedingungen vor. Wie immer im Tourenwagen-Mekka Großbritannien war das Weekend in Brands Hatch auch heuer einer der bisherigen Saisonhöhepunkte.
Die Protagonisten hießen Augusto Farfus und Alain Menu. Der Brasilianer war in den freien Trainings tonangebend; der Schweizer mit langer Geschichte in England – „Brands Hatch ist mein Heimrennen!“ – schnappte sich dann aber die Pole Position. Lauf 1 mit fliegendem Start wurde dann eine Art BTCC-Revival.
Lauf 1: Menu à la carte
Menu und sein Teamkollege Rob Huff bildeten die Chevy-Phalanx an der Spitze des Feldes; zunächst war der Brite voran, dann konnte der Schweizer die Führung ohne große Gegenwehr übernehmen. Dahinter legte „Dancing Star“ Farfus wieder einmal einige Sambaschritte ein.Zu diesem Tanz wurde er allerdings von der Konkurrenz aufgefordert, die im dichten Gewühl der Startphase den Werks-BMW in eine Pirouette rempelte. Das riss unter anderem Yvan Muller ins Verderben, der Seat-Leitwolf durfte in Lauf 1 zuschauen.
Farfus fing sich wieder und kämpfte sich letztlich auf Platz 8 zurück – ein Punkt und die Pole für Lauf 2, immerhin. Zunächst gab es drei Runden Safety-Car zur Abkühlung, Menu und Huff hielten die Spitze. In Runde 6 klingelte dann der Postmann.
Vito Postiglione im Proteam-BMW räumte Sergio Hernandez im Werksauto von der Strecke, und wieder rückte das Safety-Car aus. Nach dem Restart sah das zahlreich erschienene Publikum dann eines der besseren Rennen des Jahres mit vielen schönen Fights.
Menu und Huff fanden sich alsbald von Andy Priaulx bedrängt. Der wehrte zunächst Gabriele Tarquini im Fight um Platz 3 ab, dann hatte mit er dem Hecktriebler-BMW ganz offensichtlich die besseren Karten gegenüber den frontangetriebenen Chevy.
Huff konnte auf abgenudelten Reifen seinem Landsmann nicht mehr davonfahren, im Infight behauptete er sich aber auf Platz 2. Nach einer bislang desaströsen Saison, in der er selten über die erste Kurve hinauskam, gab es also einen umjubelten Sieg für den BTCC-Haudegen Alain Menu.
Die Indie-Wertung sah ebenfalls einiges Gerangel, Stefano d’Aste (BMW) setzte sich unter Hauen und Stechen gegen Seat-Privatier Tom Coronel durch. Tom Boardman in einem weiteren Seat wurde Dritter.
Lauf 2: Bavarian Shuffle
Nach der Freude des Sieges gab es für Alain Menu in Lauf 2 einen Rückfall in den Frust. Alex Zanardi kreuzte seinen Weg, und der Chevy Cruze segelte in Richtung der Leitschiene – Rückkehr an die Box und Dienstschluss für den Schweizer.In Runde zwei dann die Gelbphase wegen des Hubschrauber-Starts, die aber an der Führung der beiden BMW von Farfus und Jörg Müller nichts änderte.
Die beiden waren eine Klasse für sich, mit einem Doppelsieg holt BMW weitere Punkte auf Seat in der Markenwertung auf.
Beinahe wäre es ein Dreifachsieg geworden, denn Priaulx sah gegen Ende bereits aus wie der logische Dritte. Er hatte wieder mit Tarquini zu kämpfen, der den breitesten Seat Leon Europas zur Verfügung hatte.
Eine misslungene Attacke ließ Priaulx dann auch noch gegen den aufgerückten Rickard Rydell den Kürzeren ziehen; nur Platz 5 für den Exweltmeister.
Die größte Show lieferten die Independents, wo d’Aste, Coronel und Boardman auf das Fröhlichste um den Sieg rauften. Die beiden Seat-Piloten duellierten sich bis ins Ziel, Boardman feierte den Heimsieg.
Underdogs und Gaststarter
Die Lada sind mit 1.150 Kilo jetzt um einen ausgewachsenen Passagier leichter als die Konkurrenz, aber es nützt ihnen nichts. James Thompson war mit dem neuen Priora im ersten Rennen Achtzehnter, in Lauf 2 war Jaap van Lagen im alten 110 auf Position 21 der Schnellste der Roten Armee.Volvos Rennsportpolitik lässt sich seit einigen Jahren mit dem Motto „Soll ich, soll ich nicht, soll ich?“ überschreiben. In Brand absolvierten die beiden C30 aus der schwedischen Meisterschaft einen WTCC-Gastauftritt. Der norwegische Haudegen Tommy Rustad wurde in Lauf 1 gleich fachgerecht „entsorgt“, auch im zweiten Rennen kam er nicht ins Ziel. Robert Dahlgren schaffte die Platzierungen 15 und 14.
In der Tabelle führt weiter Yvan Muller mit 82 Punkten vor Gabriele Tarquini (77), der sich aber bereits umschauen muss, denn Farfus ist bis auf einen Zähler herangerückt. Ähnliches Bild in der Herstellerwertung: Seat behält die Führung (211 Punkte), aber BMW (201) rückt näher.
Bei den Privatiers konnte Tom Coronel etwas Terrain auf Felix Porteiro gutmachen, der Spanier führt aber weiterhin mit 145 Punkten. Coronel hält bei 129 Punkten, Franz Engstler bei 104.
Nach dem Wochenende mit Trauerflor geht die WTCC in die Sommerpause, am 6. September trifft man sich in Oschersleben