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WTCC: Marrakesch

Marokkanischer Beton

Ja, es gibt sie noch: Nach langer Zwangspause ging die WTCC in Marokko weiter – und für eine volle Dosis Schrott & Action wurde gesorgt!

Johannes Gauglica

Besuch im Fahrerlager: FIA-Präsident Jean Todt gab sich ebenso die Ehre wie F1-Herrscher Bernie Ecclestone. Dessen Besuche bei der Konkurrenz hatten in der Vergangenheit nicht immer die besten politischen Folgen für „rivalisierende“ FIA-Meisterschaften.

Dass der ergraute Zampano auf die Konkurrenz der WTCC aufmerksam wird, mag immerhin etwas über die wachsende Bedeutung der Serie aussagen.

Ganz ohne Vulkanasche musste die WTCC ihre zweite Runde in Mexiko absagen, dadurch ergaben sich fast zwei Monate Zwangspause. Somit waren die Rennen auf dem Stadtkurs im Marrakesch die Läufe 3 und 4 der WTCC-Saison 2010.

In den Rahmenrennen der Formel 2 gab es Grund zum Jubel für Philipp Eng, er wurde am Samstag Zweiter und brachte am Sonntag mit toller kämpferischer Leistung („mein härtestes Rennen!“) einen Sieg nach Hause.

Alain Menu setzte seinen Chevrolet Cruze vor dem Rennen zweimal in die Mauer, inklusive eines Drehers im Qualifying. Damit kam der Schweizer als einziger Chevy-Pilot nicht ins Top-10-Qualifying. Dort waren neben seinen Kollegen Rob Huff und Yvan Muller und dem privaten BMW von Franz Engstler nur Diesel-Seat vertreten.

Engstler gab sich mit dem Startplatz am Ende der Zehnergruppe zufrieden, und er war nicht der einzige Abwesende in der zweiten Session. Norbert Michelisz legte mit seinem Leon TDI eine verblüffende Pole-Zeit im Q1 hin – und legte sein Auto gleich darauf in die Begrenzungsmauer ab.

Damit konnte er nicht auf die Jagd nach der „echten“ Pole Position gehen, stattdessen wurde es für den Ungarn in seiner ersten vollen WTCC-Saison der zehnte Platz in der Startaufstellung.

Engstler war auch der beste Vertreter der Marke BMW; die Werksfahrer Augusto Farfus und Andy Priaulx starteten von den Positionen 11 und 12.

Das Qualifying war von etlichen Unterbrechungen zerrissen, einerseits wegen Drehern und Mauerkontakten (so flankte auch Michael Nykjaer seinen Seat in Richtung Beton, dass das Auto die rechte vordere Radaufhängung ablegte), andererseits wegen der misslungenen Gestaltung einiger Kerbs. Die mussten erst zurechtgeflext werden, um eine sichere Benutzung zu ermöglichen.

Die Pole Position holte sich mit kühlem Kopf und kalkuliertem Risiko der Weltmeister Gabriele Tarquini im „privaten“ Seat Leon – und „privat“ kann man wohl unter sehr fett gedruckte Anführungszeichen setzen. Bei „Seat Customer Technology“, dem früheren Sunred-Team, agieren etliche Werksingenieure, und Sportchef Jaime Puig verbrachte rein zufällig auch einige Tage in Marrakesch. Na klar, ganz privat!

Lauf 1: Spannungskiller Safety-Car

Der Start von Lauf 1 wurde zur kabarettistischen Angelegenheit, weil die Ampel partout nicht von rot auf grün schalten wollte. Im dritten Anlauf gelang es dann doch; und die Chevrolet lancierten sofort einen Angriff.

Jordi Gené und Michael Nykjaer nahmen sich gleich in der ersten Kurve gegenseitig aus dem Geschehen an der Spitze und dezimierten die Seat-Armada auf den vorderen Plätzen; währenddessen hielt sich Huff im Rückspiegle von Tarquini.

Michelisz fand sich mit vollem Angriff alsbald auf Platz 7 ein, zwischen den Cruze von Muller und Menu. Auf Platz 3 zeigte mit dem Schweizer Fredy Barth ein weiterer WTCC-Fixeinsteiger auf.

In Runde 5 machte er dem führenden Tarquini eine kleine Freude – in der schnellen Schikane schob er Rob Huff beinahe aus dem Rennen. Der Brite fing in sehenswerter Rallycross-Manier sein Auto wieder ab und hielt sogar Platz 2, aber Tarquini verschwand damit in der Entfernung.

Um die Plätze 2 bis 10 gab es ein vergnügliches Gerangel. Die Werks-BMW brachten sich in Stellung für den Kampf um P8 und damit die Pole Position in Lauf 2. In Runde 8 gab es gelbe Flaggen, und eine weitere Episode der beliebten WTCC-Comedy „Send in the Safety-Clowns“.

Das Führungsfahrzeug verfehlte den Führenden. Zusammen mit mancher Unsicherheit der Streckenposten war die mangelnde Routine der marokkanischen Veranstalter doch erkennbar. Somit war die Spannung gekillt, es gab ein Finish unter Gelb, und den Sieg für Gabriele Tarquini. Die Privat-Wertung ging an Franz Engstler vor Sergio Hernandez, beide BMW.

Lauf 2: Fadesse & Drama

Für Lauf 2 bildeten Andy Priaulx und Norbert Michelisz die erste Startreihe. Und Michelisz blieb am Start stehen! Der Ungar hatte Glück, dass die Konkurrenz das stationäre Auto verfehlte; aber die folgende Kettenreaktion riss einige Autos aus dem Rennen.

Chevy-Desaster 1: Rob Huffs Cruze war ebenso demoliert wie die beiden bislang unauffälligen privaten Bamboo-Lacetti (Harry Vaulkhard und Darryl O’Young). Ebenso total k.o. war der BMW von Sergio Hernandez. Tarquinis Auto wurde in der Aktion beschädigt. Die Bergungsarbeiten brachten wieder eine lange Safety-Car-Phase mit sich.

Nur eine Runde wurde daraufhin unter Grün gefahren, dann waren sich Augusto Farfus und Alain Menu über den Vorrang uneins. Was bei Tourenwagen selten vorkommt: Die Räder verhakelten sich, die beiden Fahrzeuge rutschten ohne Steuerung volley in die Begrenzungsmauer. Die wurde durch den Aufprall sogar verschoben.

Chevy-Desaster 2: Es war der insgesamt dritte Crash des Schweizers an diesem Wochenende. Die Streithähne von Chevy und BMW beschuldigten einander gegenseitig. Mit etwas weniger Sturheit hätte der Unfall wohl vermieden werden können.

Damit war der zweite Lauf großteils eine zähe Prozession hinterm Safety-Car. Der Adrenalinkick wurde in der letzten Runde serviert, denn es gab dann doch noch ein „Green-white-chequer“, wie man in der NASCAR sagt: Für diese letzte Runde hatten die Racer freie Fahrt.

Der als ehemaliger britischer Bergmeister generell furchtlose Priaulx ging diese Runde an wie ein Bergrennen ohne Berg: Er agierte mit 120 Prozent Risiko und Millimeter-Abstand zu den Mauern. Über die Randsteine wurde gnadenlos mit voller Wucht abgekürzt, damit hielt der Guernseyman den Franzosen Muller knapp hinter sich. Der wurde sogar am Schluss noch von Tom Coronel angegriffen.

Andy Priaulx holt also den ersten Laufsieg für BMW in diesem Jahr. Die lokalen Zuschauer durften lauthals über den Sieg von Mehdi Bennani bei den Independents jubeln, er hielt sich vor Stefano d'Aste und Franz Engstler.

Der Bayer übernimt damit die Privatfahrer-Führung. Gabriele Tarquini reist als Führender zum Heimspiel nach Monza. Weiter geht die WTCC am 23. Mai!

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