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Rallycross – eine rasante Mischung

Ein motorline.cc-Autor gibt am Wochenende beim OM-Lauf in Greinbach sein Rallycross-Debüt. Doch was ist eigentlich Rallycross? Warum boomt es? Wie funktioniert es?

Michael Noir Trawniczek
Fotos: geograph.org.uk, RX-Guru, erc24.com, RCC-Süd, Oskar W. Weissengruber/www.salzburgkaefer.at, Walter Fritz, Christian Koller/Gaston Motorsport

Eine Mail von Erich Petrakovits: „Wir möchten dich recht herzlich als Gaststarter in der Klasse National 1600 mit einem VW Polo einladen.“ Und: „Der Rallycross-Sport hat in den letzten Jahren sowohl national als auch international (Rallycross-Weltmeisterschaft) einen großen Aufschwung erlebt, in Österreich haben wir mit der Klasse National 1600 auch für
Neueinsteiger eine tolle Serie geschaffen - wir möchten Dir mit dieser Einladung den Rallycross-Sport etwas näher bringen.“

Manchmal also ist das Leben als Motorsport-Journalist ein wunderbares (falls jetzt Anzeichen von Neid aufkommen: Es gibt die Schattenseiten, es gibt sie täglich). Rallycross also - motorline.cc berichtet über diesen Sport seit rund 15 Jahren, unser Mitarbeiter Leopold Freistätter sei hier einmal erwähnt, der uns Jahr für Jahr mit seinen Berichten versorgt…

Geburtsstunde 1967

Rallycross – eine relativ junge Sportart. Im Februar 1967 wurde im britischen Lydden Hill ein Rundkurs errichtet – eine Mischung aus Asphalt- und Schotterstrecke, bis heute werden Rallycross-Strecken so gebaut.

Damals in Lydden Hill sollten für eine Fernsehproduktion bekannte Rallyepiloten in Vierergruppen gegeneinander antreten. Sieger wurde Vic Elford, der später sowohl Formel 1 fuhr, als auch die Rallye Monte Carlo gewinnen konnte. Vielsagend eigentlich – denn im Rallycross werden quasi die Fähigkeiten des Rallyepiloten (schwierige Strecken bewältigen) aber auch jene des Rundstreckenpiloten (Überholmanöver) verlangt.

Allrad-Vorreiter

Rallycross ist zudem auch ein Vorreiter, was die Verwendung von Allradantrieben anbelangt. Denn schon 1969 wurden im Rallycross 4WD-Fahrzeuge eingesetzt, Firmen wie Ford, BMC oder auch DAF waren erfolgreich. Die Brüder Jan und Harry de Roy konnten mit dem DAF 555 Coupe 4WD viele Siege erringen, obwohl es damals die sogenannte „4WD-Penalty“ gab – die Allradautos durften erst fünf bis zehn Sekunden hinter ihren Konkurrenten losfahren.

Weil jedoch die Betreiber der Rallycross-EM eine baldige Anerkennung ihrer Sportart durch die FIA erhofften, wurde die erste Allrad-Generation 1972 wieder eingemottet. Erst 1976 wurde die Europameisterschaft mit dem FIA-Prädikat ausgestattet.

Erst als 1982 die vierradgetriebenen Fahrzeuge wieder erlaubt wurden, konnte der legendäre Franz Wurz, Vater des früheren Formel 1- und nunmehrigen WEC-Piloten, mit einem Audi quattro 1982 ein drittes Mal Europameister werden, nachdem er sich 1978 bereits aus dem Rallycross-Sport zurückgezogen hatte.

Seit Mitte der 1908er-Jahre sind in der Königsklasse des Rallycross die Allradautos am Start – nachdem die FIA die Gruppe B-Boliden aus dem Rallye-Sport verbannt hatte, wurden diese PS-starken und als gefährlich eingestuften Boliden noch einige Jahre im Rallycross eingesetzt…

Bekannte Rallycross-Piloten waren der Brite John Taylor, der 1973 erster Rallycross-Europameister wurde, und sehr viele skandinavischen Piloten: Kenneth Hansen, mit 14 EM-Titeln der erfolgreichste Rallycross-Pilot der Geschichte), der fünffache Europameister Matti Alamäki, Olle Anersson und Eivind Opland (beide je vier Titel), Anders Norstedt (drei) und der sechsfache Champion Martin Schanche, der als Aushängeschild des Sports gilt.

Wurz, Grünsteidl und Bentza

Dazu kommen natürlich die internationale erfolgreichen Österreicher Franz Wurz (Europameister 1974, 1976 und 1982), Herbert Grünsteidl (Europameister 1977) und Andy Bentza (Europameister GT-Division 1978).

Apropos Wurz: In einem Gespräch mit motorline.cc erklärte Alex Wurz einmal, dass er im Anschluss an seine Pilotentätigkeit in der Langstrecken-WM gerne in die Fußstapfen seines Vaters Franz Wurz treten möchte: „Rallycross ist einfach cool…“

Im Jahr 2002 kam die Rallycross-EM erstmals nach Greinbach – das PS Racing Center wurde Ender 1990er gebaut, als Betreiber gilt der 1997 gegründete RCC-SÜD Großpetersdorf, dessen Obmann ist Erich Petrakovits, seit 1996 selbst erfolgreicher Rallycross-Pilot – auch wenn der Senior immer noch und auch sehr schnell auf den Pisten unterwegs ist, seine Söhne Christian und Mario haben quasi übernommen und halten seit einigen Jahren die österreichischen Fahnen auch bei internationalen Events hoch. Zuletzt konnte Christian Petrakovits, der bereits Zonen-Europameister wurde, beim WM-Lauf in Lydden Hill in der Division Super 1600 den guten elften Platz belegen.

RX-WM & RX-Boom

Derzeit gibt es einen Rallycross-Boom, die neue Weltmeisterschaft zieht auch bekannte Namen wie Petter Solberg, Jacques Villeneuve oder Nelson Piquet junior an. Dort wird mit teuren Supercars gefahren, die Kategorien darunter (Super 1600 und Touring Cars) werden weiterhin als Europameisterschaft abgehalten, finden aber, mit Ausnahme der USA-Rennen, gemeinsam mit der WM statt.

In den Jahren zuvor konnte Erich Petrakovits achtmal die Rallycross-EM nach Greinbach holen, die WM jedoch war ihm zunächst einfach zu teuer. In Lydden Hill jedoch sprach er mit den Verantwortlichen, er erzählt: „Die WM hätte rund doppelt so viel gekostet – aber es gibt insgesamt fünf neue Veranstalter und da ist es nicht sicher, ob die bleiben werden. Wir sind heuer als Ersatzveranstaltung dabei und die Chancen für 2015 stehen gut.“

Denn der RX-Sport, wie er auch gern bezeichnet wird, erlebt einen Aufwind: „Wir haben derzeit einen richtigen Rallycross-Boom – diese Sportart scheint der heutigen Zeit zu entsprechen: Du sitzt in einem Stadion, hast den Überblick auf die gesamte Strecke und in den Läufen geht es ordentlich zur Sache. Der große Unterschied zum Rallyesport: Im Rallycross geht es um den Kampf Mann gegen Mann, während du im Rallyesport einzig und allein gegen die Uhr fährst und natürlich die Strecke zu bezwingen hast.“

Während jedoch der Rallyesport auch am oberen Ende, mit der Weltmeisterschaft, in der breiten öffentlichen Wahrnehmung immer mehr an Bedeutung verliert, pushen Namen wie Solberg und Villeneuve den Rallycross-Sport nach vorne, namhafte Sponsoren sind vertreten, so stimmt auch die finanzielle Ebene.

Freilich hat auch der Rallycross-Sport das Problem, dass an der Spitze die Luft dünn wird. Petrakovits erzählt: „Ein Supercar kann sich eigentlich keiner leisten, zumindest in Österreich nicht. Wir fahren in der Super 1600-EM und auch das ist schon teuer genug.“ Nachwuchspiloten tun sich schwer, von Beginn an solch teuren Projekte auf die Beine zu stellen.

National 1600: „Wie eine Granate“

Aus diesem Grund hat sich Petrakovits für Österreich die eingangs erwähnte neue Rennklasse einfallen lassen, in der auch der Autos am Wochenende seine Gehversuche unternehmen wird: In der National 1600 wird mit seriennahen Fahrzeugen angetreten, es wird mit gebrauchten PKW gefahren, die mit den sicherheitstechnisch vorgeschriebenen Einrichtungen ausgerüstet werden.

Peter Freinberger hat die neue Serie als deren Initiator gemeinsam mit Petrakovits vor drei Jahren installiert – Petrakovits erzählt: „Die National 1600 ist eingeschlagen wie eine Granate – gleich beim ersten Lauf hatten wir zehn Starter. Es sind zahlreiche Neueinsteiger dazugekommen, aber auch Etablierte wie Sven Förster wechselte in die kostengünstige Klasse.“

Ein Gebrauchtwagen kann um rund 2000-5000 Euro mit den Sicherheitseinrichtungen ausgestattet werden, danach kostet jedes Rennwochenende nur zwischen 700 und 800 Euro. Auch nicht wenig Geld – aber im Motorsport eindeutig am untersten Ende der Kostenspirale angesiedelt. Mit rund 5000 Euro kommt man also eine ganze Saison lang aus, wenn alle sechs ÖM-Läufe absolviert werden. Sehr viel preiswerter ist Motorsport kaum möglich…

Am kommenden Wochenende steigt das erste „ARBÖ-Rallycross“, der Autofahrerklub stieg als Veranstaltersponsor ein, der Lauf zählt zur heimischen Staatsmeisterschaft und zur tschechischen Meisterschaft. Petrakovits freut sich: „Wir haben einen neuen Nennrekord in der National 1600 – erstmals werden 16 Autos am Start sein.“

So funktioniert Rallycross

Eines davon wird der Autor dieser Zeilen pilotieren –am vergangenen Freitag gab es einen ersten Test, denn am Renntag wird nur ganz kurz (2 Runden) trainiert, schon wird der erste Vorlauf gestartet. Petrakovits: „Bei den Vorläufen stehen fünf Autos in einer Reihe – stehender Start, die Fahrer rasen auf die erste Kurve zu, die jedoch nur zwei Autos verträgt. Du wirst sehen: Da geht es ordentlich zur Sache.“

Nach dem Freien Training wird ein Zeittraining abgehalten – danach erfolgt die Einteilung in Gruppen. Maximal fünf Piloten dürfen bei den Vorläufen pro Gruppe antreten. Bei den Finalläufen dürfen nur die besten 20 antreten. Während in den Vorläufen drei, vier oder fünf Piloten von einer gemeinsamen Linie aus starten, erfolgt der Start der sechs Teilnehmer in den Finalrennen aus drei jeweils versetzt hintereinander aufgestellten Startreihen. Die beiden Erstplatzierten des D-Finales sind automatisch als letzte Starter für das C-Finale zugelassen, der Sieger des C-Finales steigt in das B-Finale auf und der Gewinner des B-Finales qualifiziert sich in gleicher Weise für den letzten Startplatz des A-Final-Grids.

In den Finals geht es nur noch um die Platzierung, also die endgültige Reihenfolge der 20 besten Piloten des Wettbewerbs. Der Gesamtsieger einer jeweiligen Division wird somit immer erst im letzten Rennen ermittelt – das sorgt für einen spannenden Showdown.

Bei den EM-Läufen war das PS Racing Center Greinbach ausverkauft – beim ÖM-/CZ-Lauf am kommenden Wochenende werden es nicht ganz so viele Fans sein, doch es werden dennoch immer mehr.

Wie es dem Autor bei seinem ersten Antritt in der National 1600 ergangen ist, können Sie hernach in einer ausführlichen Reportage nachlesen. Für den Test am letzten Freitag stellte freundlicherweise Walter Fritz, hauptberuflich ARBÖ-Fahrinstruktor in Ludersdorf, einen baugleichen Serien-Polo zur Verfügung. Seine Tochter Romina ist seit Jahren eine Größe im RX, der Vater stieg heuer selbst ein (das Foto unten zeigt Walter und Romina Fritz mit ihren National 1600-Boliden).

Eine Galerie vom Test am letzten Freitag finden Sie im Menü rechts oben.

Den Zeitplan für den Rallycross-ÖM-Lauf in Greinbach finden Sie ebenfalls im Menü rechts oben.

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Rallycross-ÖM: Greinbach

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