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Rallycross-ÖM: Greinbach

Mitten im Serien-Boom

Die Stock Volvos, die National1600 im Rallycross: motorline.cc durfte die kostengünstigen Rennserien aus der Cockpitperspektive kennenlernen.

Michael Noir Trawniczek
Fotos:Walter Vogler, ChristianKoller/Gaston Motorsport

In Natschbach-Loipersbach trudeln am späten Samstagnachmittag immer mehr „Rennsportverrückte“ ein, auf der Speedway-Sandbahn wird der dritte Lauf zum Stockcar Racing Cup Austria als „Night-Race“ abgehalten. Mit jedem Rennwochenende kommen rund 200 Fans mehr an die Strecke, schlussendlich wird auch an diesem Tag mit 1.000 Zuschauern ein neuer Rekord geschrieben. Einer der Stockcar-Fans erklärt: „Wir kommen hier her, weil es hier wirklich spektakulären Motorsport zu sehen gibt – ob diese Autos viel oder wenig kosten, kümmert uns nicht…“

Am Tag darauf, im PS Racing Center Greinbach, beim dritten Lauf zur Rallycross-Staatsmeisterschaft, gehört die vor drei Jahren ins Leben gerufene Serienklasse National 1600 zu den Publikumslieblingen. Veranstalter Erich Petrakovits freut sich über einen neuen Rekord: Erstmals sind 18 Fahrerinnen und Fahrer in der National 1600 am Start, beim nächsten Lauf in Horn werden es bereits 20 Starter sein…

An beiden Tagen durfte ich als „rasender Reporter“ in eines der Cockpits steigen. Bei den Stockcars war es bereits der dritte Einsatz in einem von GP Racing eingesetzten Stock Volvo. Georg Gschwandner, einer der Initiatoren des Volvo Rallye Cups, hatte nach einem Testlauf beim vorigen Saisonfinale, im Rahmen der Saloon Cars ausreichend Fahrzeuge am Start, sodass heuer ein eigener Stock Volvo Cup gefahren wird.

Stock Volvos - Fahrer-Ansturm & Fan-"Liebesbriefe"

Die „Elche“ haben sich im Rahmen der Saloon Cars als schwer zu überholen und natürlich auch als äußerst stabil erwiesen. GP Racing hat für den Gasteinsatz extra einen Wagen in der Motorline-Farbe Gelb (plus Schwarz) lackiert. Einziges Manko: Der Sitz war schon beim letzten Rennen zu weit hinten, er ist jedoch festgeschweißt, mit einer Menge an Pölsterchen wird das Problem gelindert.

Und: Ich mache Fortschritte. Betrug der Rückstand zuletzt fast zwei Sekunden pro Runde, so liegen zwischen der schnellsten Tagesrunde von Sieger Felix Spielauer und meiner schnellsten Runde nur noch 1,3 Sekunden. Die klingen zwar nach wenig, sind aber auf einem 22 Sekunden-Rundkurs doch gewaltig. In den Vorläufen belege ich die Plätze fünf, vier und vier – insgesamt sind diesmal sechs „Elche“ am Start. So lande ich immer wieder in der ersten Startreihe, denn bei den Stockcars müssend die Schnellen stets von hinten das Feld aufrollen. Die Position zwei, also außen, ist für mich ungemein schwieriger, denn beim fliegenden Start bin ich offenbar zu spät dran und so fehlt mir nicht nur das Herz, brutal nach innen zu ziehen, werde demnach Stück für Stück „versägt“. Doch frei nach dem Motto: „Was man nicht erfährt, erwartet man“, lande ich im Finale auf Platz drei – denn plötzlich wird es ruhig auf der Sandbahn, ein Konkurrent nach dem anderen muss aufgeben. Im Vordergrund steht aber ohnehin der Spaßfaktor – und Spaß bereitet der heckangetriebene Volvo in höchstem Maße.

Dazu kommt die freundschaftliche Atmosphäre im Fahrerlager. Mastermind Georg Gschwandner hat für seinen jüngsten Piloten, den 19-jährigen Motorradrennfahrer Felix Spielauer eine Überraschung parat: Zum Geburtstag wartet ein, zunächst abgedecktes, Auto – unter dem Jubel der Zuschauer zieht Spielauer die Plane weg – und ist baff: Ein ganzer Volvo steht vor ihm, er wartet auf den Einbau von Käfig und Schalensitz.

Das GP Racing Team betreut mich, als wäre ich ein Berufsrennfahrer: Das Auto wird von GP Racing vorbereitet, an die Strecke transportiert und dort eingesetzt. Man genießt die außergewöhnliche, geradezu freakige Hospitality und das gemütliche Beieinandersitzen zwischen den Rennen. Insgesamt fährt man zwei Trainingseinheiten, drei Vorläufe und das Finale. Diesen Service kann GP Racing um aufgerundete 600 Euro pro Rennwochenende anbieten – und zwar ohne Selbstbehalt. Pro Saison (sechs Renntage) also ist man also mit rund 3.500 Euro dabei – gemessen an den anderen Rennserien dieser Welt ist diese Summe unvorstellbar gering.

Nur: Dem Publikum sind die Kosten herzlich egal – die Stock Volvos und natürlich auch die Saloon Cars (Gebrauchtwagen werden mit Sicherheitseinrichtungen versehen) sind deshalb so beliebt, weil herzhafter „Kontakt-Motorsport“ betrieben wird. Inder Königsklasse Formel 2 wird eben falls hart gekämpft, hier sind die Edelfahrerwie Manfred Stohl am Fighten, der als Organisator auftritt und dessen Fahrerbesprechungen bereits Kultstatus innehaben.

Georg Gschwandner baut bereits weitere „Elche“ auf: „Wir erhalten andauernd weitere Anfragen – beim nächsten oder übernächsten Lauf sollten wir bereits acht Volvos am Start stehen haben. Längerfristig wollen wir so viele Elche dabei haben, sodass wir wie die Saloon Cars in zwei Gruppen aufgeteilt werden und wir dann auch ein Grande Finale abhalten können.“

Am 2. August hält Gschwandner wieder einen Schnuppertag in Natschbach ab, da können Interessierte die „Stock Elche“ ausprobieren – der Preis hält sich mit 20 Euro für acht Runden stark in Grenzen. Einige der heutigen Stammpiloten sind bei einem solchen „Schnuppertag“ auf den Geschmack gekommen…

Was die Faszination der Stockcars ausmacht, hat ein Zuschauer sehr gut zum Ausdruck gebracht – übrigens kein Unbekannter, handelt es sich doch um Peter Mantuano, seines Zeichens Präsident der Interessensgemeinschaft Motorradfahren: „Das war ja mal ein Rennsportwochenende – schlägt die beginnende Fußball-WM mühelos mit 3:0. 24 Stunden Le Mans: Alexander Wurz = out. Moto GP Catalunya: Valentino Rossi = second place. Natschbach Volvo Stock Cup: Felix Spielauer = first place! Motorsport: Staub, Dreck, herumfliegende Steine, Benzingeruch, davonfliegende Stoßstangen, zerknitterter Schwedenstahl, sich auflösende Reifen, enthusiastische Fahrer, Betreuer die sich einen Haxn und einen Schraubenschlüssel ausreißen, Motorbackln die in unter 15 Minuten gewechselt werden, rauchende Kupplungen und Griller, Groupies, Geburtstagstorte, Ersatzauto, Unterschriftenliste auf der Motorhaube, stolze Eltern, Bier, Almdudler, Öl und Benzin - das ist in ein paar Worten die Atmosphäre eines Volvo Stock Car-Rennens in Natschbach. Hätts nicht geglaubt, das muss man selber sehen und erleben. Das hebt den Adrenalin- und auch den Cholesterinspiegel.“

Rallycross: National 1600 boomt auch beim Publikum

Szenenwechsel. Gleich am nächsten Tag darf ich in einem neu aufgebauten VW Polo Platz nehmen, den Peter Freinberger mit seinem Team zum Einsatz bringt. Ein „Black Beauty“- doch auch hier, in der Serienklasse National1600 hat man auf maximale Kostenreduktion Wert gelegt. Ein PKW wird mit den nötigen Sicherheitseinrichtungen versehen – auch hier kann ein Auto gemietet werden, der Preis ist nur einen Bruchteil höher als bei den Stock Volvos. Man zahlt 500 Euro plus den Transport an die jeweilige Rennstrecke – so kommt man auf einen Preis zwischen 600 und 800 Euro, da die Staatsmeisterschaft auch im Ausland ausgetragen wird.

Interessant: Erich Petrakovits, der den ÖM-Lauf in Greinbach abhält und die Jahre zuvor die Europameisterschaft nach Österreich brachte, wollte nicht als der Erfinder der seriennahen National 1600 gelten, diese habe eigentlich sein Freund Peter Freinberger erfunden, er, Petrakovits, habe lediglich an der Umsetzung gearbeitet. Freinberger wiederum sagt: „Die grundlegende Idee kam eigentlich von meinem Freund Reinhard Böck, der meinte, dass die Kosten explodieren und wir daher eine Serienklasse errichten müssen. Ich habe es dann gemeinsam mit Erich umgesetzt – heute bin ich technisch die Ansprechperson für die National 1600 – wir halten zusammen, wenn Ersatzteile benötigt werden.“

An diesem Wochenende sind 18 Teilnehmer in der National 1600 am Start, beim nächsten Lauf in Horn werden es bereits 20 sein. Bei den Fans sind die National 1600 sehr beliebt, Freinberger erklärt: “Sie sind annähernd gleich schnell, der Zeitabstand ist sehr gering, daher gibt es jede Menge an Action zu sehen.“ Auch hier also wird mit minimalem Budget ein maximaler Effekt erwirkt. Einige der Serienautos sind auch mit Sponsoren versehen – schließlich halten sich auch hier die Kosten in Grenzen – mit 8.000 Euro kann eine Saison locker in Angriff genommen werden. In anderen Rennserien reicht das auch für kleinere Klassen gerade einmal für ein oder zwei Rennen.

So hat sich beispielsweise auch der schnelle Sven Förster für die kostengünstige National 1600 entschieden: „Hier kannst du genauso gut dein Talent demonstrieren und vor allem Spaß haben. Denn es sind einige sehr gute Fahrerinnen und Fahrer in der National 1600 dabei.“ Zugleich stoßen auch neue Piloten hinzu – vier bis fünf Rookies sind heuer eingestiegen, darunter auch Walter Fritz, seines Zeichens Vater der schnellen Romina Fritz, die sich an diesem Tag ein spannendes Duell mit Sven Förster liefert und nur knapp unterliegt.

Jetzt wird es aber Zeit, selbst ins Cockpit zu klettern: Nach dem Zeittraining liege ich auf Platz zehn von 18 Fahrern, was mich schon überrascht. Doch der Wagen liegt gut, der Polo ist in dieser Klasse sehr beliebt, es sind einige davon am Start. Im ersten Vorlauf verpatze ich den Start – doch der ist im Rallycross die halbe Miete. In den Vorläufen stehen fünf Autos nebeneinander und rasen so auf die erste Kurve zu.

Ein Schlüssel-Element ist die Jokerlap – neben der von Erich Petrakovits äußerst schwierig angelegten engen „PS Racing Center“-Kurve gibt es eine längere Schotterkurve, die jeder Pilot einmal benützen muss. Freinberger erklärt: „Es gibt eine Faustregel: Liege ich in Führung, versuche ich den Vorsprung so groß wie möglich auszubauen und fahre die Jokerlap ganz am Schluss. Liege ich ganz hinten, nehme ich die Jokerlap gleich in der ersten Runde. Liege ich jedoch dazwischen, muss ich spontan agieren.“

Genau das ist mir misslungen. Doch immerhin: Nachdem mir noch einmal das Startprozedere erklärt wurde, gewinne ich im zweiten Vorlauf prompt den Start, allerdings von Position drei, also der Mitte aus losfahrend, drängen die innen fahrenden Piloten vor. Ich liege also auf Platz drei – der Pilot vor mir nimmt die Jopkerlap gleich am Anfang, ich jage den Führenden, kann überraschend mithalten, nein, ich könnte sogar schneller fahren. Jetzt bin ich besessen von dem Wunsch, den Mann auf der Strecke zu überholen – allerdings hätte ich auf der vorletzten Runde die Jokerlap fahren sollen, um so an dem Wagen vor mir vorbeizukommen. So fahren wir zugleich auf der letzten Runde in die Jokerlap- dort kann ich gerade noch vor dem Vierten bleiben. Es macht dermaßen viel Spaß, dass ich kurzzeitig sogar die Zielflagge übersehen und munter die Piloten vor mir überholt habe. Wie viel Spaß dieser zweite Vorlauf bereitete, kann man auch im Onboard-Video gut erkennen, siehe das Video unten,oberstes Video.

Auch im dritten Vorlauf gelingt mir Platz drei – so qualifizieren wir uns fürs Finale, in das nur 16 der 18 Teilnehmer gelangen. Im Finale wird versetzt gestartet, je sechs Autos stehen am Start. Von Position fünf aus werde ich innen „eingezwickt“, so kann der von Platz sechs aus startende Pilot vorpreschen und sogar den Lauf gewinnen. Ich werde Vierter und beende den gesamten Bewerb auf Platz 14. Sicher wäre, wenn man die zehnte Trainingszeit in Betracht zieht, mehr möglich gewesen – doch das Wichtigste ist der Spaßfaktor.

Und der liegt nicht nur bei den Piloten – denn Rallycross erlebt derzeit auch international einen mächtigen Boom. In der neuen Weltmeisterschaft sind neben RX-Größen wie Tanner Foust auch bekannte Fahrer wie Petter und Henning Solberg, Jacques Villeneuve oder Nelson Piquet junior am Start. Erich Petrakovits, dessen Sohn Christian internationale Erfolge sammelt, verrät: “Für nächstes Jahr haben wir Chancen, die WM nach Greinbach zu holen – wir hatten auch bei den EM-Läufen stets volles Haus.“

Der Hintergrund: Rallycross liegt im Trend der Zeit. In einer Art Stadion kann die gesamte Rennstrecke überblickt werden, die Fans genießen die engen Zweikämpfe, die stets auf Asphalt und auf Schotter ausgetragen werden. Die Rennen sind kurzweilig – und es ist bezeichnend, dass auch hier die kostengünstige Serienklasse der Publikumsliebling ist.

Der berühmte Spruch „Weniger ist mehr“ trifft hier ganz offensichtlich tatsächlich zu. Während an der Spitze des weltweiten Motorsports weiterhin Milliarden verbrannt werden, gibt es an der Basis ein Umdenken, möglicherweise wird man sich bald schon daran ein Beispiel nehmen müssen. Denn es bringt wenig, sechsstellige Summen auszugeben, wenn das Publikum nicht begeistert ist. Dass es bei den Schmalspurkosten zudem auch wesentlich lockerer und freundschaftlicher im Fahrerlager zugeht, ist eine weitere, angenehme “Nebenerscheinung“…

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