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Missing Lynk

Mit dem Elektro-SUV 01 möchte die neue chinesische Marke Lynk & Co ab 2017 die Autowelt erobern. Die Technik kommt großteils von Volvo.

mid/zöl

Man nehme: Die Proportionen des Porsche Macan und modelliere eigenständige Design-Merkmale ins Blech. Innen wachsen große TFT-Bildschirme nach Vorbild des Tesla S in den Raum. Zahlreiche Airbags und gut konturierte Sitze werden montiert.

Hier und dort Einfassungen aus Chrom-Imitat. Unterm Blech wohnen Antriebsstrang und Fahrwerk in einem Strukturbau, der höchsten Sicherheitsanforderungen entspricht. Sie stammen von Volvo.

Ein bunter Strauß moderner Fahrerassistenzsysteme, die man von der Zulieferindustrie bezieht, komplettiert das Gesamtarrangement. Fertig ist ein SUV der automobilen Mittelklasse, der weiter kaum Beachtung fände, wenn durch sein Gebälk nicht das Mysterium Südostasiens wehen würde.

Es weht als Konglomerat von Projektionen seiner Initiatoren aus dem fernen Hangzhou ins schwedische Göteborg herüber, wo gerade die Geburt der neuen Automobilmarke "Lynk & Co" bekannt gegeben wurde. Nein, so heißt nicht die Company, auch kein Jugendclub, sondern die Automobilmarke.

Sie wird Weltautos hervorbringen, die den etablierten Autoherstellern das Wasser abgraben sollen. Sagt Alain Visser, Vizepräsident der neuen Marke stellvertretend für seine Mitarbeiter, die überwiegend von Volvo, Saab und GM stammen. Sie seien von der Verve der Silikon Valley Generation inspiriert und von der Dynamik chinesischer Veränderungsprozesse. Zudem seien sie dem deutschen Präzisionsanspruch und schwedische Sicherheitsempfinden verpflichtet. Große Worte, sie feilen am Mysterium.

Der Wind weht aus der chinesischen Millionenstadt herüber, in der etwa 2,5 Autostunden südlich von Shanghai das moderne Hauptquartier der Geely Holding steht. Die junge Marke gleichen Namens begann 1986 Kühlschränke zu bauen, baut heute Motorräder und mehr als zwei Millionen preisgünstige Autos im Jahr mit weitgehend japanischer Technik für automobile Einsteiger. Übrigens, seit 2013 auch als Schwestermarke der "London Taxi Company". Seinerzeit kaufte die chinesische Holding die Mehrheit am legendären britischen Taxi-Unternehmen, das die schrulligen schwarzen Hutschachteln auf Rädern herstellt. Doch zuvor schon, im Jahre 2010, übernahm die Holding den schwedischen Autohersteller Volvo und legte den Grundstein für Lynk & Co.

Noch ist Lynk & Co eine virtuelle Marke, die kein Hauptquartier besitzt. Ihre Produkte werden am Volvo-Standort in Göteborg bei China Euro Vehicle Technology, kurz CEVT, entwickelt, das der ehemalige Saab-Entwicklungschef Mats Fägerhag leitet.

Das Labor gründeten die Chinesen 2012 für markenübergreifende Automobil-Entwicklungen. Sein erstes großes Project ist die skalierbare und modulare Plattform CMA (Compact Modular Architecture) für die automobilen C- und D-Segmente. Sie überbaut Volvo mit den V40 und XC40 der nächsten Modellgeneration. Und Lynk & Co das Modell 01, dem weitere Derivate folgen sollen.

Während Link & Co sein Modell 01 ab Ende 2017 zunächst in China und nur für den dortigen Markt fertigen wird, müssen sich europäische Interessenten bis 2018 gedulden. Das SUV wird vorerst nur als Fronttriebler mit Vierzylinder-Verbrennungsmotoren (110 kW/150 PS und 144 kW/197 PS) angeboten. In Europa gebe es auch einen Diesel, die innovative Plug-in Hybrid Version komme später.

Deren Antriebsstrang setzt sich aus dem von Volvo bekannten 1,5-l-Dreizylinder-Turbo-Benzinmotor mit 138 kW/180 PS und 88 PS/65 kW starkem Elektromotor zusammen. Beide wohnen unter der Vorderhaube.

Die im Mitteltunnel verbauten Akkus speichern bis zu 9,7 kWh Strom, der rein elektrisches Fahren bis zu 50 Kilometern erlaubt. Beide Motoren wirken auf das Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe, wodurch auch im E-Modus bis zu vier Übersetzungen zur Effizienzsteigerung genutzt werden können. Eine rein elektrisch getriebene Version folge später, heißt es.

Doch Antriebskompetenz reklamiert die neue Marke für sich nicht. Sie liege bei Volvo. Die Marken-Kompetenz von Lynk & Co sieht Mats Fägerhag mehr im Bereich der Konnektivität. Bereits das Model 01 werde mit Passagieren und deren Zuhause total vernetzt sein. Doch damit nicht genug: Ein Link & Co kann nach dem Carsharing-Prinzip von mehreren Nutzern gefahren werden. Eine App informiert über die Nutzung des jeweiligen Fahrzeugs. Der aktuelle Fahrer teilt über Tastendruck seinen Nutzungszeitraum mit.

Über eine weitere App soll es möglich sein, alle Lynk & Co Fahrzeuge miteinander zu vernetzen, um Information zum Verkehrsgeschehen auszutauschen. Ein Bonbon für die Megacity-Hipster: Der 10 Zoll große Oberfläche des Infotainment-Bildschirms in der Mittelkonsole kann so umfassend individualisiert werden wie ein Smartphone.

Zudem werde die neue Marke innovative Vertriebswege beschreiten. Es gebe nur noch Service-Stützpunkte zur Kundenbetreuung, wo die Autos auch angefasst werden können. Doch gekauft wird im Internet. Schon Ende nächsten Jahres werden es Chinesen über die Internet-Plattform Alibaba vormachen. Sie kaufen oder leasen ihren Link & Co im Netz, gewartet wird er in Volvo-Werkstätten.

Mitarbeitern holen ihn bei Kunden ab und bringen ihn wieder zurück. Den Verzicht auf Aufpreislisten umweht ein Hauch von chinesischem Pragmatismus: Es gibt vier Ausstattungslinien - basta. "Unsere Autos sind voll ausgestattet!", kündigt Alain Visser an und verspricht Preise unterhalb von Volvo sowie eine umfassende Produkt-Garantie.

Gebaut wird das in Göteborg vorgestellte SUV in China. Etwa 500.000 Mal über den fünfjährigen Modellzyklus und inklusive aller Derivate. Irgendwo an der Ostküste, wie es heißt. Was den Schluss nahelegt, dass Lynk & Co als chinesische Marke firmiert.

Doch hier widerspricht Chefdesigner Peter Horbury: "Wir sind eine nordeuropäische Marke. Unsere Markenidentität wächst in den Studios Shanghai, Los Angeles, Barcelona und Göteborg."

Braucht die Welt eine neue Automobilmarke? Die Frage verneint sogar Geely-Präsident An Conghui, weist aber umgehend daraufhin, dass Lynk & Co keine Autos im traditionellen Sinne anbiete, sondern für eine neue Mobilitätsform stehe. Und hier weht er wieder, der mysteriöse Wind aus Südostasien. Ob er sich im gesättigten europäischen Automobilmarkt fangen wird, bleibt fraglich.

Im preissensiblen Nordamerika und den Schwellenländern eher. Vieles wird vom Erfolg im wachsenden Markt Chinas abhängen, wo neue Automobilmarken besonders heftig strampeln, wie Qoros und Borgward aktuell zeigen. Chinesen mögen zwar an Geister glauben, aber mehr noch an die Macht großer Markennamen.

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